Über die ,,Rechtschreibreform":
Kritik, Rechtslage, ...
,, ... ein ziemlicher Schreibwirrwarr,
eine Art Beliebigkeitsschreibung ... ein Erbe des Dritten Reiches ..."
von Manfred RiebeVorstandsmitglied des VRS
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.
- Initiative gegen die Rechtschreibreform -

Lesen Sie auch Schlechtschreibung statt Rechtschreibung

http://www.vrs-ev.de
http://www.deutsche-sprachwelt.de
http://www.Gutes-Deutsch.de/
http://www.rechtschreibreform.com
http://www.raytec.de/rechtschreibreform/

Zur Erläuterung nur kurz vorab:
Ich bin in Elbing geboren und helfe als Deutschlehrer
seit etwa zwei Monaten (im Hintergrund), die offizielle
Internetseite der "Landsmannschaft Westpreußen"
http://ww.westpreussen-online.de/
zu gestalten und inhaltlich und sprachlich zu verbessern, da
infolge der sogenannten Rechtschreibreform allenthalben,
z.B. auch in den Zeitungen, ein ziemlicher Schreibwirrwarr,
eine Art Beliebigkeitsschreibung,  entstanden ist, so daß
die FAZ am 1. August  2000 wieder zur traditionellen
Rechtschreibung zurückkehrte.

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998
berücksichtigte das Gericht den Beschluß des Deutschen
Bundestages vom 26. März 1998: "Die Sprache gehört dem
Volk!", den auch Sie herbeiführten:
"Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt,
ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen
außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die
neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte
Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher
zu schreiben."
(Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1
BvR 1640/97, S. 59, Den Link auf das Urteil findet man in
der Linkliste von
http://www.vrs-ev.de).

Niemand wird also dazu gezwungen, die Nazi-ss-Schreibung
anzuwenden. Die heutige sogenannte Rechtschreibreform ist
ein Erbe des Dritten Reiches.
Im Dritten Reich wurde das Eszett bereits im amtlichen
Schriftverkehr der NS-Regierung und der NS-Organisationen
durch Doppel-s ersetzt, aber damals noch nicht in den
Büchern. Auch in der geplanten NS-Rechtschreibreform von
1940/44 wollte man das Eszett durch Doppel-s ersetzen.
(Birken-Bertsch, Hanno und Markner, Reinhard:
Rechtschreibreform und Nationalsozialismus. Ein Kapitel aus
der politischen Geschichte der deutschen Sprache. Göttingen:
Wallstein-Verlag, 2000, 52 ff., siehe dazu unten im Anhang
die Rezension des Feuilleton-Chefs der Bayerischen
Staatszeitung, Hans Krieger, in der Süddeutschen Zeitung:
"Klar, schlicht und stark" - Sollen wir schreiben wie die
Nationalsozialisten?  Das verdrängte Vorbild der
Rechtschreibreform).

Am 1. Juli 1944 notierte Joseph Goebbels: "Rust hat durch
eine seiner Dienststellen ein Heft über moderne deutsche
Rechtschreibung herausgegeben. Dieses Heft stellt so
ungefähr das Tollste und Ungebildetste dar, was wir uns seit
vielen Jahren geleistet haben. Ich werde mit diesem Heft
noch einmal den Führer befassen müssen." Daraufhin
unterzeichnete Hitler am 24. Juli 1944 eine entsprechende
Verordnung und stoppte die Rechtschreibreform (Vgl. Götz
Aly: Wenn das der Führer wüsste. In: Berliner Zeitung
7.10.2000).

"Das Tollste und Ungebildetste (..), was wir uns seit vielen
Jahren geleistet haben", trug den Titel:
Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung (Hrsg.): Regeln für die deutsche
Rechtschreibung und Wörterverzeichnis. Berlin: Deutscher
Schulbuchverlag, 1944.

Das Tollste und Ungebildetste soll nun nach dem Willen der
"Reformer", Kultusminister und ihrer Verlags-Lobby in etwas
modifizierter Form Wirklichkeit werden.

Aber nicht alle Zeitungen und Zeitschriften ließen sich auf
die neue Beliebigkeitsschreibung gleichschalten. Über 300
Zeitungen und Zeitschriften sind bei der traditionellen
Rechtschreibung geblieben, vgl. die Liste der reformfreien
Zeitungen und Zeitschriften:
http:// www.gutes-deutsch.de, darunter
die FAZ, die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung  und das
Ostpreußenblatt.

Gerade das "Zentrum gegen Vertreibungen" sollte sich nicht
vor dem Geßlerhut der ss-Schreibung verbeugen und sollte
diese Nazi-ss-Schreibung nicht mitmachen, die im amtlichen
Schriftverkehr der NS-Regierung und der NS-Organisationen
durchgängig verwendet wurde.


"Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung,
Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu
stoppen!" (VRS)

Ergänzungen:

Artikel aus der SZ zur Gleichschaltung der Rechtschreibung
im Dritten Reich bzw. zur Nazi-Rechtschreibung, einem
dunklen Kapitel der deutschen Sprachgeschichte

"Klar, schlicht und stark" - Sollen wir schreiben wie die
Nationalsozialisten?
Das verdrängte Vorbild der Rechtschreibreform

Von Hans Krieger

Auch die Rechtschreibreform wird jetzt von ihrer
NS-Vergangenheit eingeholt. Nahtlos knüpften die
orthographischen Reformprojekte der Nachkriegszeit an die
Gleichschaltung der Rechtschreibung an, mit der im Dritten
Reich die deutsche Weltherrschaft sprachpolitisch
abgesichert werden sollte. Nichts wesentlich Neues ist den
Reformstrategen nach 1945 mehr eingefallen. So gut wie alle
Einzelvorschriften der seither diskutierten und verworfenen
Neuregelungspläne gehörten schon zum Reformprogramm der
Nationalsozialisten - von der Kleinschreibung der
Substantive bis zur Beseitigung der Dehnungszeichen, vom
"Keiser im Bot" bis zur absurden Einebnung des Unterschiedes
von "das" und "daß", die bis Anfang der
90-er Jahre zentraler Bestandteil des Forderungskataloges
war. Und noch der 1996 geglückte Versuch, nach dem Scheitern
der Totalvereinfachung wenigstens eine Minimalreform
durchzusetzen, hat in der Orthographiepolitik der Nazis sein
klares historisches Vorbild.

Jahrzehntelang ist dieser geschichtliche Zusammenhang
verleugnet worden - bewusst verschleiert zunächst und dann
verdrängt. Die heutigen Reformbetreiber wissen wohl gar
nicht, in welcher Tradition sie stehen. Verwundern kann die
Kontinuität freilich nicht, denn federführend blieben auch
nach Kriegsende zunächst weitgehend die selben Leute, die
schon unter Hitler mit entschieden nationalsozialistischer
Begründung auf eine radikale Vereinfachung der
Rechtschreibung hingearbeitet hatten. Rückblickend wussten
sie ihre Aktivitäten allerdings so darzustellen, als hätten
sie ihr unpolitisches Engagement für den Sprachfortschritt
in tapferer Opposition gegen eine reaktionäre Diktatur
betrieben, an deren Uneinsichtigkeit sie schließlich
gescheitert seien. Licht in ein dunkles Kapitel der
Sprachgeschichte, das in allen historischen Darstellungen
der Rechtschreibproblematik geflissentlich ausgespart blieb,
bringen jetzt zwei junge Wissenschaftler aus Jena und Halle.
In ihrem Buch "Rechtschreibung und Nationalsozialismus", das
im Wallstein-Verlag in Göttingen am 10. Oktober erscheinen
wird, weisen Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner mit
akribischen Recherchen nach, welche zentrale Bedeutung eine
schlagkräftig modernisierte Rechtschreibung für das Denken
und die Sprachpolitik der Nationalsozialisten hatte.
Zusammen mit den Bemühungen um eine "arteigene Satzlehre"
gehörte sie zum "Aufbruch der Sprache", die dem "völkischen
Aufbruch" zu folgen hatte. "Klar, schlicht und stark" in der
Schreibung - nur so konnte das Deutsche zur "Weltsprache"
werden und den unterworfenen Völkern aufgezwungen werden.
Schon 1933 wurde die Parole von der "Gleichschaltung" der
Rechtschreibung ausgegeben; später gab es sogar Berechnungen
darüber, wie die Einsparungen an Unterrichtszeit und
Materialkosten für Satz und Druck die Kriegswirtschaft
entlasten könnten. Der Sprachbereinigungseifer gipfelte in
dem Reformplan des Reichserziehungsministers Bernhard Rust
von 1941, der nahezu identisch ist mit den berüchtigten
"Stuttgarter Empfehlungen" von 1954. Und noch 1944 wurde
eine reduzierte Teilreform ausgearbeitet, die wiederum
fatale Ähnlichkeit mit der umstrittenen Reformschreibung von
1996 hat.

Gewaltiger Aufbruch - zurück

Dass es nicht mehr zur Verwirklichung kam und die im Auftrag
Rusts gedruckte Reformbroschüre nicht mehr ausgeliefert
wurde, lag nicht an Meinungsdifferenzen in der NS-Führung,
sondern an der veränderten Kriegslage. Angesichts
zurückweichender deutscher Fronten war die anfangs
unterstellte Kriegswichtigkeit einer Rechtschreibreform
nicht mehr zu begründen. Hitler und Goebbels befahlen die
Vertagung des Vorhabens auf die Zeit nach dem Krieg und
untersagten aus Opportunitätsgründen jede weitere Debatte.

Bei ihrer Rekonstruktion der Reformaktivitäten in den Jahren
der braunen Diktatur weisen die beiden Forscher nach,
welchen zentralen Stellenwert die stromlinienförmig einfache
Schreibung im Programm einer Bewegung besaß, die sich mit
gewaltigem Zukunftspathos als "revolutionär" verstand. Das
vielleicht Erschreckendste jedoch ist der Nachweis der
Studie, wie stark die Denkmuster von damals unerkannt bis in
die Gegenwart fortwirken. Nicht nur in vielen Einzelheiten
gleicht die Reform von 1996 der 1944 geplanten Teilreform
(ss-Schreibung, forcierte Getrenntschreibung, Worttrennung
nach Sprechsilben statt Sprachsilben). Dass die heutige
Reform die Schreibung als pure Äußerlichkeit behandelt, die
mit
der Sprache selbst nichts zu tun habe, und mit dieser
sprachwissenschaftlich naiven Begründung (auf die auch das
Bundesverfassungsgericht hereinfiel) die Vernachlässigung
der Lesekultur und den Verzicht auf semantische
Differenzierungen im Schriftbild legitimiert, lässt sich
zurückführen auf jene Sprachideologie der NS-Zeit, die davon
ausging, dass nur in der gesprochenen Sprache die Volksseele
unmittelbar zum Ausdruck komme und die Schriftkultur
nachgeordnet und geringerwertig sei. Weggefallen ist davon
heute nur das völkische Vokabular und das offene Bekenntnis
zum Ressentiment gegen die "Intellektuellensprache", das für
den egalitären Massenkult der Nazis zum guten Ton gehörte.

Vor allem eins aber verbindet die Neuregelung von heute mit
den Reformplänen von damals: die Anmaßung, die
Sprachentwicklung staatsautoritär reglementieren und
umlenken zu wollen. In dieser obrigkeitsstaatlichen
Arroganz, die selbst im Kaiserreich undenkbar war, ist die
Orthographiepolitik des Dritten Reiches der einzige
historische Präzedenzfall für das Reformdiktat von 1996.
Christian Meier, der Präsident der Deutschen Akademie für
Sprache und Dichtung, hat die Parallele zur
Rechtschreibreform der Nationalsozialisten schon 1998 vor
dem Bundesverfassungsgericht gezogen. Damals wusste man noch
wenig; es gab einen Sturm der Entrüstung. Jetzt wissen wir
es genauer: Christian Meier hatte Recht. Und keine Empörung
kann von der Verpflichtung entbinden, Realität zur Kenntnis
zu nehmen.

Keiner hat die Absicht, jetzt endlich wenigstens teilweise
durchzusetzen, was das Dritte Reich vorhatte, aber nicht
mehr realisieren konnte. Aber auch ohne Absicht sollte sich
niemand zum späten Vollstrecker des NS-Willens machen
lassen.

(Hanno Birken-Bertsch, Reinhard Markner: Rechtschreibreform
und Nationalsozialismus. Ein Kapitel aus der politischen
Geschichte der deutschen Sprache. Wallstein-Verlag,
Göttingen 2000, 136 Seiten, ISBN:
3-89244-450-1, 29.00 DM

Hans Krieger: "Klar, schlicht und stark" - Sollen wir
schreiben wie die Nationalsozialisten? Das verdrängte
Vorbild der Rechtschreibreform. In: Süddeutsche Zeitung, 2.
10. 2000, Feuilleton
 

 


aefl - 19.07.2003