Teil  3 - Danziger Trinksitten

Bestellte der Gast eine Runde "Machandel mit dem Knüppel" brachte der Wirt ein Weißbierglas gefüllt mit ca. 1/2 Liter Machandel, zusätzlich Würfelzucker und einen kleinen Holzlöffel oder ein Holzstäbchen, den Knüppel. Nun tat man je nach Belieben Zucker in das Glas und rührte mit dem Knüppel um. In Anlehnung an den winterlichen Eisgang der Weichsel, der in früheren Jahren häufig Gefahren brachte, wurde diese Art des Servierens auch "Machandel mit Grundeis" genannt. Zuweilen nahm man auch ein Grogglas, gefüllt zur Hälfte mit Machandel. Das Glas ging reihum, und der Vorletzte musste bezahlen. Die Wirkung des so genossenen Machandels war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend.

Am beliebtesten und bekanntesten ist bis heute der Brauch, den "Machandel mit der Pflaume" zu trinken. Hierfür nahm man Backpflaumen mit Kern, die in verdünnten Machandel eingeweicht wurden. Um den vollen Geschmack dieser alten Spezialität genießen zu können, sollten keinesfalls nicht durch getrocknete oder in Wasser eingeweichte Pflaumen genommen werden. Die Pflaume wurde nun auf ein Holzstäbchen gespießt, in ein Glas gelegt und der Machandel hinzugegossen.

Den Brauch des Machandeltrinkens beschreibt und zeigt der bei Danzigern sehr beliebte Volksschauspieler Gustav Nord vom Staatstheater Danzig in launigen Versen auf einer schon vor 1939 erschienen  Ansichtskartenserie (Bild 34-39) wie folgt: 





  
        Danzig liegt an die Radaune,           
 
        eine wunderschene Stadt,                
                 die zu aller Lust und Laune              
       
           Flaumens mit Machandel  hat.           






Ei das is ein saubres Tröppchen     
in Welutzke seine Hand.                 
       Son Machandel von zwei Treppchen     
     gibt bestimmt kein Dachstuhlbrand     





Erst die Flaume mang die Zähne    
und die Zung' aus Schabernack      
        schiebt sich langsam dänn das kleene    
Flaumensteinchen inne Back.         





  Und dann hinters Obstgemiese 
   dem Machandel nachjescheert, 
 dänn  es wird allein auf diese   
alte  Art das Glas jeleert.        





  Iberm Flaumenstein im Glase        
                wie's nach altem Brauch sich schickt           
  wird dänn einmal vore Nase           
der bewußte Stab jeknickt.       
   





Und dänn is er ausjetrunken,         
      der Macheike, wie's sich ziemt -         
                   Stobb'scher Schnaps, der Jetterfunken,          
is in alle Welt beriehmt !               


Zu diesem Brauch gehörte auch, daß das Glas und das Holzstäbchen solange in der Hand gehalten werden mussten, bis der Kern ins Glas gespuckt wurde. Erst danach durfte das Glas auf den Tisch zurückgestellt werden und abschließend das Holzstäbchen geknickt werden. Demjenigen, der es versäumte, den Kern rechtzeitig ins Glas zu tun oder vergaß, das Holzstäbchen zu knicken, wurde umgehend die nächste Runde auferlegt. Für einen besonderen Scherz hatte so mancher Wirt entkernte Pflaumen parat. Auf ein Zeichen hin wurde das Glas mit einer so präparierten Pflaume demjenigen zugespielt, der die nächste Runde bezahlen sollte. Nur das leere Glas, jetzt natürlich ohne Kern, unter Protest auf den Tisch gestellt, befreite den Trinker unter schallender Heiterkeit von einer Strafrunde.

So mancher, der da glaubte, mit dem Knicken des Holzstäbchens sei alles vorbei, wurde gelegentlich eines anderen belehrt. Es konnte ihm passieren, daß ein achtlos ins Glas gelegtes Holzstäbchen plötzlich ein Eigenleben entwickelte und sich das eine Ende des Stäbchens über den Rand des Glases hinaus bewegte. Dies war möglich geworden, weil das Holzstäbchen mit der geknickten Seite den Boden des Glases berührte und das Holz den dort befindlichen Rest der Flüssigkeit aufsaugte, was eine Dehnung des Holzes zur Folge hatte. Ein so zum Leben erwecktes Holzstäbchen war natürlich Grund genug für die nächste Runde.




                   Bild Nr. 40: Original-Werbekarte - auf der Rückseite steht:      
        Alleiniger Hersteller des echten Tiegenhöfer Machandels
 Heinrich Stobbe, off. Hdg. Marienburg, Westpr.     

Wer Stobbes Machandel schlicht als Klaren genießen möchte, der sollte ihn nur gut gekühlt und aus gut gekühlten Gläsern trinken. Der feine Wacholdergeschmack kommt dann besonders gut zur Geltung. 

 

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