8. Teil: Zum Tode von Dipl. Ing. Hans Komnick (1972)





Bild 108: Foto von Hans Komnick

Am Sonnabend, den 2. Dezember 1972, verstarb nach längerem, schwerem Leiden Herr Hans Komnick, der bis Januar 1945 als letzter Chef und Hauptgesellschafter an der Spitze der Komnick-Werke stand. Hans Komnick wurde am 30. Mai 1901 als sechstes Kind des bekannten ostdeutschen Industriellen und Gründers der Komnick-Werke, des Königl. Preuß. Kommerzienrats Dr. Ing. e.h. Franz Komnick und seiner Ehefrau Emma, geb. Pohlmann in Elbing geboren. In seine frühe Kindheit fiel die Gründung Automobilfabrik  Komnick A.G. im Jahre 1907. Als junger Mann erlebte Hans Komnick den Ersten Weltkrieg, an dem er in seiner letzten Etappe noch als Kriegsfreiwilliger und Freikorpskämpfer zum Schutze der ostdeutschen Heimat aktiv teilnahm. 

Nach seinem Abitur an der Heinrich von Plauen-Schule in Elbing ging Hans Komnick zum Studium des Maschinenbaus an die TH in Danzig. Als Student konnte er den stolzen Augenblick erleben, dass diese renommierte ostdeutsche Hochschule seinem Vater in Anerkennung um dessen Verdienste für die industrielle Entwicklung des deutschen Ostens und besonders des Automobilbaus die Ehrendoktorwürde verlieh. Im Jahre 1929 bestand Hans Komnick sein Examen als Diplom-Ingenieur. Im Oktober desselben Jahres heiratete er Dagmar Rohdé, die Tochter eines dänischen Schiffbauingenieurs aus Kopenhagen, die er während seiner Studentenjahre in der Akademischen Sportverbindung in Danzig kennengelernt hatte. Unmittelbar nach der Hochzeit fuhr das junge Ehepaar in die Vereinigten Staaten, wo Hans Komnick die dortige Automobilindustrie kennenlernen wollte. Doch schon kündigte sich drohend die schwere Weltwirtschaftskrise an. Noch auf der Überfahrt auf dem Hapag-Lloyd-Dampfer München erlebte das junge Paar den schicksalsschweren Schwarzen Freitag, der das Ende einer Epoche blühenden wirtschaftlichen Wachstums einleitete. 

In Amerika erreichte Hans Komnick dann auch die Nachricht, dass sein väterliches Unternehmen in Elbing in schwere wirtschaftliche Bedrängnis geraten war. Nach einjährigem Aufenthalt in den USA entschloss sich Hans Komnick zur Rückkehr. In Elbing fand er eine schwierige Situation vor. Die Automobilfabrik hatte ihre Produktion einstellen müssen, die Maschinenfabrik befand sich im Vergleich, und einige tausend Mitarbeiter von Komnick und anderen Elbinger Werken litten als Arbeitslose bittere Not. Doch Hans Komnick war nicht der Mann, der sich von diesem Schicksalsschlag entmutigen ließ. Anstatt eine ihm angebotene sichere Beamtenkarriere zu wählen, entschloss er sich zusammen mit seinem damals schon 74-jährigen Vater den Neuaufbau der Komnick-Werke zu wagen. In den Hallen des Fliegerhorstes in Elbing und später in der Maschinenfabrik in der Herrenstraße wurde wieder mit der Arbeit begonnen. 

Auch am Fischervorberg konnten einige Hallen der Automobilfabrik wieder in Betrieb genommen werden und bildeten das sogenannte Werk II. Zu den Automobilvertretungen nebst modernem Reparaturwerk traten bald weitere Geschäftstätigkeiten, wie der Karosseriebau, die Holzverarbeitung, ein großes Reifenrunderneuerungswerk sowie eine moderne Großtankstelle am Holländer Tor.

Vorbereitungen waren im Gange, um den Bau von Kalksandsteinpressen und -Anlagen wieder aufzunehmen, durch die die frühere Maschinenfabrik Komnick Weltruhm erlangt hatte. Am 1. Dezember verstarb Kommerzienrat Franz Komnick, und Hans Komnick trat an die Spitze des Unternehmens.

Über allem stand für Hans Komnick jedoch die Sorge für das Wohl der ihm anvertrauten Mitarbeiter. Für ihn war es selbstverständlich, dass die zahlreichen, im Werk beschäftigten Kriegsgefangenen aller Nationen in diese Fürsorge eingeschlossen waren und ein menschenwürdiges Dasein führten, oft genug zum Missfallen der damaligen politischen Instanzen.

Im Januar 1945 starb Frau Emma Komnick, die Gattin des Firmengründers. Eine eindrucksvolle Trauerkundgebung führte noch einmal die Familie, die Mitarbeiter des Werkes sowie zahlreiche Freunde des Hauses Komnick zusammen. Mitten in die Feierlichkeiten brach der russische Panzervorstoß hinein und brachte  das bittere Ende. Hans Komnick harrte als letzter in seinem Werk aus, als die Panzergranaten schon im Werksgelände detonierten. Er wusste, dass alles verloren war, doch seine eigene Sicherheit galt ihm wenig. Erst als der letzte noch fahrbereite Lastwagen mit Werksangehörigen und deren Familien die Fahrt in den rettenden Westen angetreten hatte, verließ auch Hans Komnick sein Werk, das ihm zugleich sein "Lebenswerk" bedeutet hatte.

Die Nachkriegszeit verbrachte Hans Komnick mit seiner Familie unter schwierigen Verhältnissen im damals völlig zerstörten Köln. Ein Neuanfang der Komnick-Werke im Westen war nicht mehr möglich. Im Jahre 1952 fand Hans Komnick  jedoch ein neues Aufgabenfeld bei der Neugründung der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, der früheren Technischen Nothilfe. Interessante Aufgaben führten ihn nach Godesberg, Nürnberg, Kiel und Hannover, wobei ihm sein großes Fachwissen im Kraftfahrzeugwesen sehr zustatten kam. Im Jahre 1966 trat Hans Komnick in den wohlverdienten Ruhestand und zog mit seiner Frau in die Nähe von Mannheim, wo sein Sohn und seine Tochter wohnten. Hier konnte er auch im Mai 1971 im Familienkreise seinen 70. Geburtstag feiern. Doch schon im Herbst desselben Jahres, während einer Fahrt zu Freunden aus der Heimat, die Hans Komnick nach wie vor am Steuer seines schnellen Wagens unternahm, traten die ersten Anzeichen jener heimtückischen Krankheit auf, die er mit großer Tapferkeit und ungebrochenem Lebensmut  ertrug, bis er am Abend des 2. Dezember 1972 von seinem Leiden erlöst wurde.  

Mit Hans Komnick ist ein Mann dahingegangen, der sich auszeichnete durch Charakterstärke und Pflichtgefühl, gepaart mit menschlicher Güte  und einem nie versiegenden Lebensmut - ein echter Preuße. Sein Andenken soll uns unvergessen bleiben.


 

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Franz Komnick, dem Sohn von Dipl.-Ing. Hans Komnick und dem Enkel des Firmengründers bedanken. Er hat mir viel über die Firmengeschichte erzählt und bereitwillig alle meine Fragen beantwortet.

Franz Komnick weilt leider nicht mehr unter uns. Er verstarb am 13. August 2007, dem 46. Jahrestag des Berliner Mauerbaus.



Bild 109: Diplomkaufmann Franz Komnick und Enkel des Firmengründers 

Das Farbfoto wurde uns von Franz Komnick zur Verfügung gestellt.


9. Teil oder Index

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