3. Teil: Nachkriegszeit  1918 - 1926


Man schrieb das Jahr 1918, der Krieg war zu Ende. Wie überall, so lag auch Elbings Industrie und Wirtschaft am Boden. Besonders die Schichauwerft und die Lokomotivenfabrik, die Zigarrenfabrik Loeser & Wolff und auch die Automobilfabrik F. Komnick, waren vom Niedergang der Wirtschaft hart betroffen. Von einem Tag zum anderen mußten sich die Betriebe auf die seit 4 1/2 Jahren ungewohnte Friedenswirtschaft umstellen. Die friedensmäßige Entwicklung konnte aber wegen des katastrophalen Kohlenmangels, der gleichzeitig auch eine starke Lahmlegung und zeitweise sogar den völligen Stillstand des Eisenbahnverkehrs bedeutete, nicht recht anlaufen. Der Absatz stockte. An die Industrie traten aber, infolge der Steigerung aller Löhne und Gehälter, erhebliche finanzielle Anforderungen heran . 7 Millionen Arbeitslose gab es in Deutschland und überall bemühte man sich, langsam wieder aufzubauen und bessere Wirtschaftsverhältnisse zu schaffen.

Andere Erschwernisse machten sich bemerkbar. So stiegen die Frachtkosten der Firma Komnick nach dem Krieg auf das Doppelte.  

Früher hatte die Elbinger Eisenindustrie sehr brauchbare Arbeitskräfte aus dem Danziger Werder und aus dem Memelgebiet an sich gezogen. Durch die Abtrennung dieser Landesteile als Folge des Versailler Vertrages fiel von jetzt an dieser gute Ersatz vollständig aus. Wegen der Entwicklung der politischen Verhältnisse nach dem Krieg  schien ein Verkauf des Danziger Eisenwalzwerkes (frühere Gößlersche Gründungen), das sich ebenfalls im Besitz von Franz Komnick befand, ratsam zu sein. Einige der Hallen waren vorher  nach Elbing überführt worden. 

Trotz all dieser Schwierigkeiten mußte unbedingt für Absatz gesorgt werden, um die Belegschaft zu halten, die damals etwa 2400 Köpfe zählte. Das war aber gar nicht so einfach, weil nach dem Kriege die Staatsaufträge für Kriegszwecke zu Ende waren.

Franz Komnick fand auch hier einen neuen Ausweg, um wenigstens zeitweise über die Schwierigkeiten hinweg zu kommen. Der neu gebildete Staat Litauen hatte zum Aufbau seines Verkehrswesens unter anderem einige Dutzend deutscher Lokomotiven erhalten, die aber durch den Krieg stark abgenutzt waren. Verhandlungen mit Kowno führten zum Ziel, und so wurden der Automobilfabrik die meisten dieser Lokomotiven zur Überholung überwiesen. Oftmals wurde durch das Anfertigen von neuen kupfernen Feuerbuchsen, usw. eine Vollreparatur vorgenommen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wollte Franz Komnick das Gelände des großen militärischen Flugplatzes (350 000 m²) mit seinen modernen Hallen und Gebäuden erwerben.  Nach dem Versailler Diktat mußten auf allen Flugplätzen des Deutschen Reiches aber sämtliche Anlagen durch Sprengung restlos vernichtet werden, so natürlich auch in Elbing. Nach schwierigen Verhandlungen gelang es Komnick mit Zustimmung der Interalliierten Kontroll - Kommission das Gelände mit den Hallen zu erwerben und die Hallen vor der Sprengung zu bewahren.  Es wurde  nur eine kleine Sprengung "pro forma" vorgenommen, die keinen großen Schaden anrichtete.

Auf dem Flughafengelände wurden dann zuerst landwirtschaftliche Maschinen, Dampfmaschinen und Rohölmotoren gefertigt. Sowohl von den Dampfpflügen, als auch von den Motorpflügen mußte eine größere Anzahl nach dem Ersten Weltkrieg für die Waffenstillstands - Kommission geliefert werden.
Wie beliebt die Komnick - Motorpflüge in überseeischen Ländern waren, mag daraus zu ersehen sein, daß schon kurze Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wieder ein Komnick die Reise nach dem fernen Argentinien antrat. 



Bild 34: Verfahrbare Komnick - Dampfmaschine mit Komnick - Breitdreschmaschine und Förderband.

Im Frühjahr 1922 wurde die Automobilfabrik  in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Kommerzienrat Dr.-Ing. eh. Komnick hielt 3/5 des Kapitals in Familienbesitz und wurde alleiniger Vorstand. Mit dem Gang an die Börse wollte man Kapital für die Modernisierung des Betriebes gewinnen.

In den 20er Jahren standen erst noch Pferdedroschken auf dem  Friedrich-Wilhelm-Platz und in der Friedrichstraße am Rathaus. Sie mußten aber bald den Auto-Taxen der Fuhrunternehmen Ing. Nocon und Traugott Damerau weichen. Sie hatten Mercedes, NAG und Protos - Wagen. Herr Renters (Fahrräder und Nähmaschinen am Alten Markt nahe des Markttors) fuhr einen Wanderer-Wagen mit zwei hintereinanderliegenden Sitzen. 
Der Elbinger Ewald Passenheim berichtet über seine ersten Erfahrungen als Fahranfänger im Jahre 1927: "Anno dazumal hatten die Wagen noch die Steuerung rechts. Man saß rechts und Schalt- und Bremshebel waren außen am Wagen angebracht. Doch ehe man zum Fahren kam, mußte man - wie heute -  den Führerschein erwerben.  Dazu war das Alter von 18 Jahren Voraussetzung. Beim Kreisarzt bekam man gegen eine Gebühr ein Tauglichkeitsattest ausgestellt, mit dem man sich zum Unterricht anmelden konnte.  Einer der Elbinger Fahrlehrer war damals der Mechanikermeister Johannes Urbanski, der eine Motor- und Fahrradhandlung in der Heiligen Geist-Straße hatte. Prüfer war Ober - Ing. Kruchen vom Dampfkesselüberwachungsverein. Bei der Führerscheinprüfung mußte man 5 Fragen beantworten. 

Am Lenkrad waren damals 3 Hebel: der Gashebel, der Lufthebel und der Zündungshebel. Nun hieß es den Motor anlassen. Das geschah durch die Kurbel vorne am Motor. Gashebel, Luft und Zündung durften nicht zu stark eingestellt werden, da sonst die Kurbel bei zu starker Frühzündung zurückschlagen konnte. Dabei hat sich schon mancher den Unterarm gebrochen. Die bequemen Anlasser, wie wir sie heute kennen, gab es erst viel später. Sobald der Motor lief, ging die Fahrt los. Bei jedem Hindernis mußte man hupen. Das erfolgte durch eine von Hand betätigte Ballhupe. Die Richtung, die man einschlagen wollte, wurde durch einen herausgestreckten Arm und später durch Winker, die an den beiden Seiten der Türe angebracht waren, angezeigt. Die Fußgänger auf den Straßen Elbings schimpften, wenn ein Auto oder gar ein Motorrad vorüberfuhr und auch die Polizisten, die an wichtigen Kreuzungen standen, beobachteten argwöhnisch das Verhalten der Vehikel.

1921/22 gab es in Elbing noch keine Tankstellen. Wer Benzin brauchte, fuhr zu einer Benzin-, Öl- und Fettehandlung oder zu einer Drogerie. Das Benzin wurde mit einer Faßpumpe aus Weißblech aus dem Faß in eine Meßkanne gepumpt und in den Fahrzeugtank eingefüllt. Dann fuhr man davon. Als später Aral, BP und Shell die ersten Tankstellen bauten, war es einfacher. Man verlangte 20 Liter oder den Tank voll.

Traditionsgemäß fiel ein hoher Exportanteil der Maschinen- und der Automobilfabrik auf Rußland, sogar noch fünf Jahre nach der russischen Oktoberrevolution. Mit der Einführung der Rentenmark im Spätherbst 1923 kam nach den unerträglichen Schwankungen der Inflation das Wirtschaftsleben wieder in geregelte Bahnen. An Aufträgen fehlte es den beiden Fabriken kaum. Auch Behörden und Wehrmacht wurden in steigendem Maße zu Abnehmern. 


Bild 35: Vergrößerung eines Kraftpoststempels

Reichspost, Schutzpolizei und andere Behörden bestellten die Komnick - Lastwagen, Mannschaftswagen und Busse.






Bild 36 + 37: Komnick -  Autobusse für die Reichspost

Die Reichswehr kaufte mehrmals 50 - 100 Fahrzeuge. Ebenso wurden Autobusse und Schlepper an die Städtischen Verkehrsbetriebe von Königsberg und Gumbinnen geliefert. Mit den von Komnick gebauten Omnibussen fuhren Post und Privatunternehmen Tausende von Kilometern. Zunächst sah man Lastwagen mit Vollgummireifen, wie sie auch die Brauerei Englisch Brunnen hatte. Sie rollten durch die Straßen, daß die Fenster der Häuser zitterten. Bald wurden die Fahrzeuge mit Luftreifen bestückt. Sie rollten nun leichter und federnder und die Geschwindigkeit wurde schneller. Postbusse fuhren von Elbing nach Danzig über Einlage an der Nogat und bei Neumünsterberg über die Weichsel. Die Fahrt dauerte damals 2 1/2 Stunden, weil die Motoren auf 30 Stundenkilometer gedrosselt waren. Doch nicht nur die Post, sondern auch Privatunternehmen wie Herr Hartmann, befuhren die Strecke. Trotzdem waren die Plätze oftmals knapp, so daß mancher auf dem Dach sitzen mußte.  Die Abfahrt erfolgte in der Wilhelmstraße vor dem Hotel Rauch.



Bild 38: Komnick - Großschlepper zieht 12 beladene Müllwagen der Stadtverwaltung Elberfeld. (Werbepostkarte)

Komnick baute u. a. auch Krankenwagen, beschränkte sich aber mehr und mehr auf die Herstellung schwerer Fahrzeuge und spezialisierte sich ab 1927 auf LKW und ähnliche Wagen.



Bild 39: Sanitätsautomobil für die Berufsfeuerwehr Elbing aus dem Jahr 1926.

Anläßlich des 25-jährigen Bestehens der Maschinenfabrik (1923) und als "Anerkennung für seine Dienste um den technischen Fortschritt und die Entwicklung der Industrie im Osten" erhielt Franz Komnick von der Technischen Hochschule in Danzig den Titel "Ehrendoktor" (Dr.-Ing. eh.).

Zum großen Leidwesen Franz Komnicks hatte sich sein Tragpflug (Motor und Pflug in einem Körper), auf den er große Stücke hielt, nicht durchgesetzt. Er wurde fast vollständig durch den in den Vereinigten Staaten schon lange entwickelten, vielseitig verwendbaren Schlepper verdrängt, der durch einen angehängten Pflug zum Ackerschlepper gemacht werden konnte. Auf Grund der Ergebnisse einiger großer Leistungsprüfungen entschloß sich F. Komnick nunmehr auf Anraten staatlicher Stellen zum Bau von Straßen- und Ackerschleppern in  Zusammenarbeit mit der Bau- und Vertriebsgemeinschaft Benz-Sendling, München. Er baute seine Schlepper-Fahrgestelle, deren Stärke sich stets besonders bewährt hatte, und Benz-Sendling lieferte aus seinem süddeutschen Werk für den Ackerschlepper seinen Dieselmotor.  Die Verwendung des billigen Diesel-Kraftstoffes verbilligte die Betriebskosten erheblich. Als Markenzeichen verwendete Komnick das von seinen Fahrzeugen bekannte Schild des Deutschen Ordens in einem runden blauen Feld. Über dem Ordenswappen befand sich in einem Halbrund der Name "Komnick".




Bild 40: alte Komnickreklame


Im Jahre 1926 waren in den Komnickwerken ca. 5000 Menschen beschäftigt 
(siehe Lockemann, DARI-V. 1926).


4. Teil oder Index

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