Zeitgeschichtliches Dokument für die Pressezensur
auf Grund des "Tendenzschutzes der Verleger"


Von: NZ-Chefredaktion <nz-chefredaktion@pressenetz.de>
An: "'manfred@riebe.de'" <manfred@riebe.de>
Betreff: Leserbrief zu Stephan Sohr
Datum: Donnerstag, 26. Aug. 2003 14:30:58 Uhr

Sehr geehrter Herr Riebe,

wie die meist überwiegende Mehrheit der deutschen Tageszeitungen haben auch
wir uns für die Anwendung der neuen Rechtschreibung entschieden.

Unter der Voraussetzung, dass auch Sie unsere Entscheidung akzeptieren, sind
wir gerne bereit, Ihren Leserbrief zu veröffentlichen.

Sollte dies nicht der Fall sein, sehen wir uns dazu außer Stande.

Mit freundlichen Grüßen

Diethard Prell
Chefredakteur
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Meine Antwort:

Manfred Riebe, OStR i.R. Schwaig bei Nürnberg, den
26.08.2003
Max-Reger-Str. 99
90571 Schwaig bei Nürnberg
Tel. (0911) 50 08 25


Nürnberger Zeitung
Herrn Chefredakteur
Diethard Prell
Marienstr. 9

90402 Nürnberg

Leserbrief zu Stephan Sohr: Gemeinden mit Lust auf Pommern gesucht. Auf polnischer Seite ist großes Interesse vorhanden. In: NZ Nr. 196 vom 26.8.2003, S. 12
Authentischer Abdruck in traditioneller Rechtschreibung erbeten!

Sehr geehrter Herr Prell,

ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, meinen Leserbrief zu veröffentlichen. Aber Sie kennen ja meine Bedingung, daß Sie mein Urheberrecht und damit meine traditionelle Rechtschreibung respektieren.

Man kann natürlich päpstlicher sein als der Papst, wie z.B. Leserbriefredakteur Dieter Wegener, der seine Drohung vom letzten Herbst wahrmachte und meinen Leserbrief vom 2. August zu Gabi Seitz: Fünf Jahre Rechtschreibreform - die Kritik hält an. Ruiniertes Kulturgut? In Nürnberger Zeitung vom 1.8.2003, S. 2, nicht brachte.

Aber mit gutem Willen geht es auch anders, wie allen voran NZ-Chefredakteur Rainer Hajeck zeigte, der mir einmal den unveränderten Abdruck meines Leserbriefes telefonisch zusicherte und sich auch daran hielt. Vgl. Manfred Riebe: Der Neuschrieb wird von der großen Mehrheit der Bürger nicht
akzeptiert. In: NZ 05.08.2000, S. 7 (vgl. darin die Beilage "reisen & wandern")

In der Ankündigung des Romans von August Sperl "Die Fahrt nach der alten Urkunde" schreibt die NZ: "Übrigens haben wir, der Authentizität wegen, dieses Werk in der vom Autor gewählten, damals gültigen Rechtschreibung belassen."

Jüngst zeigte Leserbriefredakteur Volker Dieckmann von den Nürnberger Nachrichten, daß man durchaus Ausnahmen von der Regel machen kann; denn er veröffentlichte meinen Leserbrief vom 2. August zu Helmut Pickel: Die Rechtschreibreform wird fünf Jahre alt. In: Nürnberger Nachrichten vom 8.2003, S. 2,
wie gewünscht in traditioneller Rechtschreibung: Schon der siebte Geburtstag. In: NN vom 19.08.2003, S. 24, was DieterWegener verweigerte.

Ich könnte Ihnen eine Reihe anderer Beispiele nennen, in denen gleichgeschaltete Zeitungen bei meinen Leserbriefen Ausnahmen von der Regel machten, weil ihnen der Leserbrief oder Artikel mehr wert war als das Festhalten an unsinnigen Verlagsrichtlinien, die den Abonnenten nur verprellen.

Ich weise auf das Urheberrecht hin. Auch Leserbriefschreiber sind Autoren und Zeitzeugen, und Leserbriefe sind Zeitzeugnisse. Deshalb ist die Änderung der Leserbriefe ebenso schlimm wie die Änderung von Zitaten. Überdies würde man den Leserbrief eines Reformkritikers verhunzen, wenn man ihn den Neuschrieb umfälschte. Zudem würde man die Leser wissentlich über den wahren Sachverhalt täuschen, d.h. die
Leser werden irregeführt. Der Leserbriefschreiber würde lächerlich gemacht.

Die Märkische Allgemeine Zeitung schrieb zu meinem Leserbrief erläuternd dazu:
"Der Autor ist Vorstandsmitglied des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. Auf seinen Wunsch wurde im Text die herkömmliche Rechtschreibung beibehalten."

Ich weise noch einmal auf das Urheberrecht hin. Sie können eine Interessenabwägung vornehmen, ob Ihnen ein zufriedener Abonnent lieber ist, als das Festhalten an leserunfreundlichen Verlagsgrundsätzen. Ich kann meinen Leserbrief auch woanders veröffentlichen, z.B. in www.westpreussen-online.de/, im FAZ-NET-Forum, im CSU-Forum, CDU-Forum oder im SPD-Forum. Es gibt da viele Möglichkeiten, nicht zu vergessen das NN/NZ-Gästebuch, in dem ich öfters in traditioneller Rechtschreibung nicht nur über die Kriegsverbrecherprozesse, sondern auch sehr gern immer wieder einmal über den "Nürnberger Trichter" schreibe.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Riebe
Mitarbeiter von www.westpreussen-online.de/
www.vrs-ev.de/vorstand.htm

"Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung,
Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu
stoppen!" (VRS)
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Mein Kommentar:

Pressezensur auf Grund des "Tendenzschutzes der Verleger"

Es liegt hier die Nötigung eines Leserbriefautors vor, auf
sein Urheberrecht zu verzichten. Zugleich handelt es sich um
einen Eingriff in die Grundrechte der freien Entfaltung der
Persönlichkeit (Art. 2 GG), des Rechtes der freien
Meinungsäußerung und der Freiheit von Kunst und
Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 GG).

Es ist aus anderen Fällen bekannt, daß Verlage beim
Abschluß von Autorenverträgen mit weniger bekannten
Buchautoren ihre Macht verfassungs- und sittenwidrig
ausnützen und nötigen, den Neuschrieb zu dulden.
Einen Günter Grass oder Siegfried Lenz kann man dagegen
nicht so leicht erpressen.
Jedoch beklagt sogar Reiner Kunze in seiner Denkschrift
gegen die Rechtschreibreform die staatliche Nötigung, wenn
seine Texte in Schulbücher übernommen werden. Vgl.
Kunze, Reiner: Die Aura der Wörter. Denkschrift. Stuttgart:
RADIUS-Verlag GmbH, 2002.

Manfred Riebe