Silvester in Elbing

- zusammengefaßt, bearbeitet und mit diversen Bildern versehen von Christa Mühleisen -


In unserer Heimatstadt Elbing gab es noch richtige Winter und verschneite Straßen, an deren Ränder sich hohe Schneeberge türmten. An vielen Fenstern blühten die bizarren Eisblumen und an den Dachrinnen hingen Eiszapfen.

Bild 1 Alter Markt mit Pfeifenbrunnen und Markttor im Schnee

Die Vorbereitungen für die Jahreswende liefen auf Hochbetrieb. Alle Kunden deckten sich mit den beliebten Pfannkuchen ein. Auf dem Fischmarkt waren schon am Vormittag für das Festessen die Karpfen eingekauft worden. In den Spirituosengeschäften  „Zum Lachs“, Menthal, Haertel, Salewski, Penner und Kümpel sah man die Menschen einen guten Tropfen kaufen. Auf großen Andrang richteten sich alle Restaurants und die Tanzlokale ein.

Es waren bei uns in der Nähe das Volkshaus, später „Haus der 148er“, der Ratskeller, das Deutsche Haus, das Friedrich-Wilhelm-Café, der Münzmeister in der Heiligen-Geist-Straße, das Café Vaterland, das Restaurant „zur Traube“, Hölbings Bierstuben, das Central Hotel, das Casino-Restaurant, das Gewerbehaus Ellert in der Kehrwiederstraße, der Königliche Hof, die Bürger-Ressource und das Hotel Rauch. Den meisten Andrang fanden natürlich die Tanzlokale.

Bild 2 Das Hotel Rauch (Innenaufnahme von 1938) wartet auf seine Gäste

Wenn die Abendsonne am westlichen Winterhimmel verblich, gingen überall in den Straßen die Gaslaternen an. Dann sah man abenteuerlich verkleidete Gestalten mit Brummtopf und öfters auch mit einem Bandoneon durch die Straßen ziehen.

Bild 3 Linolschnitt mit Nikolaikirche

Kurz vor Mitternacht hörte man das Knallen der ersten Feuerwerkskörper. Es war nun Zeit zum Aufbruch in Richtung Friedrich-Wilhelm-Platz. Dort spielte sich Elbings ganzer Silvesterrummel ab.

Bild 4 Litho „Prosit Neujahr“ vom 31. 12. 1898

Raketen zischten zum Nachthimmel, Kanonenschläge explodierten , Mädchen kreischten auf. Wir Jungen brachten auch unsere Stinkbomben zum Einsatz. Sie wurden mit Vorliebe in Hausflure, Eingänge und in die Drehtür des Friedrich-Wilhelm-Cafés geworfen.

Bild 5 Innenaufnahme des Friedrich-Wilhelm-Cafés (1925)

Ich erinnere mich noch, daß eine Stinkbombe genau auf dem Schuh einer Dame landete, die gerade die Drehtür passierte. Sie trug die üblen Düfte der faulen Eier in das Café.

Über all diesem Trubel und dem Gejohle erstrahlte im hellen Lichterglanz der Weihnachtsbaum auf der Rasenfläche unseres Friedrich-Wilhelm-Platzes.

Bild 6 Blick vom Casino auf das Elbinger Rathaus und die Weihnachtstanne.

Nach 1 Uhr wurde es dann ruhiger. Man machte sich auf den Heimweg. Gegen 2 Uhr lag unser Friedrich-Wilhelm-Platz wieder verlassen da. Nur ein Kanonenschlag unterbrach noch die nächtliche Stille. Am klaren Nachthimmel leuchteten die Sternbilder des Großen Bären und des Orion.

Bild 7 Winterzauber am Alten Markt

 


Gerhard Gommel: „Silvester in Elbing“, in den Elbinger Nachrichten, Uelzen: Weihnachten 1982,  Text Seite 9+10, Abb. Nr. 3+6.

Die anderen Abbildungen sind aus der Sammlung von Christa Mühleisen.