Rund um die Liebesinsel
auf dem Geserichsee bei
Deutsch Eylau
von Gerhard Templin
Bearbeitung:
C. Mühleisen
Viel zu wenig Menschen aus
dem deutschen Vaterland kannten unser reizvolles Städtchen Deutsch
Eylau mit dem großen Geserichsee. Aber wer es kannte, war davon
entzückt und kehrte gern wieder zurück.
Circa 3,5 km von der
Geserichbrücke in Deutsch Eylau in Richtung Schwalgendorf liegt eine
kleine Insel, die der Halbinsel Fichtenort vorgelagert ist. Es ist die
Liebesinsel, die früher Schlangeninsel hieß und von unserem
unvergessenen Bürgermeister Giese den poetischen Namen
"Liebesinsel" erhielt. Auf dieser Insel lag sehr malerisch in
hübschen Anlagen eine hölzerne, weiß gestrichene Schutzhütte des
Anglervereins Deutsch Eylau. Ein gepflegter Vorplatz und ein Anlegesteg
gaben der Insel einen besonderen Reiz. Hier suchten die Angler und auch
Bootsfahrer bei Unwetter Schutz. Auch Wasserwanderer konnten hier
zelten.
Bei der großen Städtesendung des Reichssenders
Königsberg vor dem Krieg brachte man einen Bunten Abend im Rundfunk mit
der Wirtin von der Liebesinsel, die es nie gegeben hat. Es wurde so
realistisch gesendet, dass jedermann glaubte, dort wäre eine tolle
Gaststätte. Der Anglerverein, der weit über 100 Mitglieder hatte,
veranstaltete im Sommer seine Vereinsfeste in Verbindung mit einem
Preisangeln. nach dem Startschuss fuhren die Angler in die nähere
Umgebung, um ihre Angelkunst zu entfalten. So manch einer kam mit leeren
Händen zurück. In der Zwischenzeit hatten die Frauen der Angler eine
Kaffeetafel hergerichtet, und es wurde gemütlich. Die hochprozentigen
Sachen taten ein Übriges. Nach der Preisverleihung herrschte dann
Hochstimmung, bei der Anglerlatein nicht fehlte.
Ausschnitt einer Landkarte vom Geserichsee
Leider ist diese
kleine Insel, die ich oft besuchte, nicht mehr zu erkennen. Die Insel
ist regelrecht zugewachsen. Hohe Bäume und Gestrüpp machen ein
Betreten unmöglich. Aber nicht nur die Liebesinsel lag so romantisch,
sondern die ganze Umgebung war so malerisch. Wie schon erwähnt, liegt
die Liebesinsel vor der Halbinsel Fichtenort. Diese wird durch zwei
Buchten eingeengt, wie die Skizze es zeigt. Die linke Bucht heißt
"Die Motten". Man gelangt dorthin, wenn man durch die Enge der
"Faulen Brücke" fährt. Hier beißen besonders die Aale. Das
Gebiet hat einen moorigen Untergrund. Am Abend sind dort viele Angler
anzutreffen. Es ist ein herrlicher Anblick, wenn die tiefliegende Sonne
ihre Strahlen auf den Wasserspiegel wirft, dann schimmert der ganze See
goldig.
Die rechte Bucht, "Der Maserwinkel", sieht bei
Sonnenuntergang recht geheimnisvoll aus. Von den dunklen Fichten, auf
denen die Reiher ihre Horste haben, fliegen die letzten Vögel zum
Fischfang durch den strahlenden Abendhimmel, während das Volk der
Blesshühner und Enten im Schilfgehege lautstark schnattert. Die
Sportangler sind hier auch noch unterwegs. Sie jagen den berühmten
Geserichzander. In diesen Buchten erlebt man in seinem Boot Stimmungen
von Schönheit, Ruhe und Frieden. Gleich hinter dieser Bucht wird das
Ufer steiler, ein Brutplatz für Seeschwalben. Auch der Eisvogel ist
dort heimisch. In der Nähe ist auch der Adlerwinkel, von dem Georg
Hoffmann in seinen Büchern geschrieben hat.
Ganz herrlich ist es
auf der Halbinsel Fichtenort, wenn man an einem Frühlings- oder
Sommertag morgens um 5 Uhr mit einem Boot diese Insel besucht. So wurde
ich von meinem Großvater, der sein Boot an der Brücke der Saalfelder
Straße hatte, einen Tag vor Pfingsten, es muss 1938 gewesen sein, zu
einer Fahrt eingeladen. Für uns Enkel war es schon eine Auszeichnung,
denn er nahm nicht jeden von uns mit. Man musste schon ruhig im Boot
sitzen. Voraussetzung war, dass er seine Tabakspfeife bei sich hatte,
sonst fiel die Fahrt gleich ins Wasser.
Mein Großvater und ich
vor der Liebesinsel auf dem Geserichsee (Ölbild von G. Templin)
Es war bei uns Sitte,
dass man zum Pfingstfest die Wohnung mit frischem Grün schmückte, und
so fuhren wir auf dem windstillen Geserichsee zur Halbinsel Fichtenort
und holten dort Birken und Kalmus. Es ist eine schilfähnliche
Heilpflanze, die auch unsere Vorfahren kannten. Die Vögel sangen schon
ihre Lieder, Hummeln und Bienen waren emsig an den Blütenkelchen, aber
auch die Reiher standen unbeweglich am Ufer und lauerten auf ihre Beute.
Beindruckend
für mich war es, wenn ein Kormoran direkt aus dem Wasser in die Höhe
flog. Er braucht sein Gefieder nicht abzuschütteln. Diese schwarzen
Fischräuber oder Meerraben, wie man sie nennt, haben sich inzwischen
stark vermehrt. Einige Milane flogen über den Waldesrand.
Als
ich im Jahre 1974 und dann 1992 über den See fuhr, sah ich die gleichen
Bilder. Auch auf der Halbinsel das gleiche Bild. Die großblumige
Akelei, die Schwertlilie, die Glockenblume, das Wollgras und die
vielen anderen Frühlingsblumen und Bodenkriecher, sie sind noch
alle da. Zum ersten Mal sahen wir auch eine Ringelnatter, die aus
Richtung Liebesinsel über den See schwamm. Nur ihr Kopf ragte aus dem
Wasser und hinter ihr sah man die schlangenartigen Bewegungen.
Wo
früher auf der Gegenseite des Sees weite Kornfelder und Wiesen waren,
stehen heute z. T. schmucke Häuser. An sonnigen Tagen ziehen die
Segelboote und Paddelboote ihre Bahn. Viele Wanderer zelten an den
freien Plätzen. Nur die Oberlandkähne sieht man kaum, die früher ihre
Fracht von Elbing oder Königsberg nach Deutsch Eylau brachten. Die
Zeiten haben sich geändert, jedoch der Wald und der See nicht. Die
Liebesinsel steht noch, wenn auch verwachsen und verwaist.
Das Nutzungsrecht der Urheberrechte
an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an
Frau Christa Mühleisen übertragen. |