Dieses Bild des Malers und Schriftstellers Rien Poortvliet zeigt eine Hinrichtungsstätte. Es handelt sich zwar nicht um die Silhouette von Elbing, aber es veranschaulicht doch, wie eine Hinrichtungsstätte damals etwa ausgesehen haben könnte.
Das Bild ist aus seinem Buch "Das Erbe". Der Maler schildert darin das Leben seines Vorfahren Jacob in Flandern im Jahr1566.

Martin Sigismund Schesmer-der letzte Henker von Elbing

von Christa Mühleisen


Auch unsere Vaterstadt Elbing hatte einen eigenen Henker. Wir sind über seine Person eigentlich recht gut unterrichtet, leider nicht so über seine Amtshandlungen mit dem Beil und Rad.

Martin Sigismund Schesmer übernahm das grausige Amt im Erbgang von seinem Vater Martin Schesmer; denn wir lesen, daß dieser unterm 12. Februar 1787 eine „erbliche Lehensverleihung“ erhalten habe, die dem Sohn „auf einer schönen PergamentsAusfertigung“ am 25. Januar 1804 erneuert worden sei.

Die Fuchs’sche Chronik der Stadt Elbing weiß dazu zu erzählen, daß ihn das eine ganze Stange Geld gekostet habe.

         Martin Sigismund Schesmer muß wohl sehr stolz auf sein Amt gewesen sein, denn er hatte bei seinen ständigen Annoncen in den „Elbinger Anzeigen“ als Firma stets die Unterschrift „M. S. Schesmer, Scharfrichter“ gebraucht.

Dabei hätte er doch das Recht gehabt, sich Landwirt zu nennen, denn ihm gehörte das 23 Morgen große Grundstück „önner Grund“ auf dem Kämmerei-Sandland,“ nach ihm Schesmershof genannt, das später zum Zieseschen Besitz in Lärchwalde gehörte.

Auch Fabrikant hätte er sich nennen können, unser Scharfrichter, denn er unterhielt in Schesmershof eine Lederfabrik,  in der er gewiß die ihm zugefallenen Felle verarbeitet haben wird. Fuchs aber weiß zu berichten, daß seine Lederherstellung veraltet, primitiv gewesen sei, so daß sie mit der überall schon im Gang befindlichen maschinellen „Fabrikation von Leder“ nicht habe  Schritt halten können. 1810 begonnen, sei der Betrieb 1819 bereits eingegangen.

         Bei Kerstan lesen wir: „Da kaufte 1816 der Scharfrichter und Lederfabrikant Schesmer, derselbe,   der nach dem Schesmerhof im heutigen Gemeindebezirk Lärchwalde benannt ist, den Kupferhammer (ein Rittergut) für 7500 Taler. Er setzte die Anlage wieder instand; die Arbeit wurde aufgenommen.

         Aber ein Unstern schien über dem ganzen Unternehmen zu walten. Denn nur zwei Jahre konnte Schesmer den Betrieb fortführen. 1818 riß der Geizhals aus, die Wasserleitung, die Schleuse und das Mühlenwerk des Kupferhammers wurden vernichtet. Schesmer verlor die Lust, das Ganze noch einmal in Betrieb zu setzen. Daher verkaufte er noch im Jahre 1818 den Kupferhammer und zwar wieder zurück an Karl August und Ephraim Gottfried Rosskopf, mit einem Schaden von 1000 Talern für 6500 Taler.“

Schesmer suchte sich als Hauptberufsbezeichnung beharrlich immer nur das „allerkunstfertigste und zugleich allerschröcklichste und blutigste seiner Handwerke heraus - wo es ihm doch ein leichtes gewesen wäre, sich mit dem immerhin auch recht blutigen eines „Abdeckers“ zu begnügen. Er legte nämlich den größten Wert darauf, als zunftgerechter Scharfrichter zu gelten.

         Sie werden sich sicher fragen, was Schesmer  ständig in den Elbinger Anzeigen zu annoncieren hatte. Nun, (seit 1830) die Entleerung der Klosetts in der Stadt, damals wohl durchweg noch „Abbees“ genannt. –Diese erfolgte zur Schonung der Geruchsnerven nachts und führte die schämige Bezeichnung „nächtliche Reinigung.“

Vom Rittergutsbesitzer bis zum Abbee-Entleerer in der Praxis ist immerhin ein ganz netter Schritt! Schesmer machte es „die Fuhre á 9 Tonnen für 20 Silbergroschen“, 1834 aber gab er die Sache –„Entreprise“ – auf, „da ich bei der billigen Bezahlung für die nächtlichen Reinigungen nicht bestehen kann,“ ließ er wissen.

         Übrigens war Martin Sigismund Schesmer ein frommer, gottesfürchtiger Mann, wie seine Eintragung im Stammbuch seiner Tochter Bertha ausweist, und zugleich ein braver Hausvater, dem eine gute Erziehung seiner Kinder am Herzen lag. Und so besuchte denn auch Bertha Schesmer die Höhere Töchterschule der Frau Johanne Satori-Neumann, saß auf der gleichen Bank mit den stolzen Patriziertöchtern und unterhielt mit diesen die innigsten und schwärmerischsten Mädchenfreundschaften, die nicht im geringsten getrübt wurden durch den schaurigen Blutschein um des Vaters gruselige Berufsbezeichnung.

Das Richtbeil Schesmers befand sich im Städtischen Museum zu Elbing, ebenso wohl auch der Richtklotz, der bis zum 1. Weltkrieg im Garten der „Alten Welt“ zu sehen war.

Das war das Richtbeil vom Scharfrichter Martin Sigismund Schesmer.

Großartig hat Schesmers Scharfrichteramt in Elbing wohl nicht floriert, sonst hätte er sich nicht auf allerlei andere Beschäftigungen als Nebenerwerb geworfen. Wenn die Fuchs’sche Chronik es vermeldet, dass Schesmers Amt es auch gewesen sei, im Kreis Elbing die Wolfsgruben mit „Luder“ (Lockspeise, Aas) zu versehen, so muß es zu seinem Hauptamt gehört haben, denn er hat dafür keine andere Vergütung bekommen, als das Recht, aus den Waldungen der Stadt soviel „Sprockholz“ mitzuführen, so sein Karren faßte.“

         Alte Leute wollten wissen, daß Schesmers letzte Hinrichtung die der Roßschlächterin Renfandt gewesen sei, die unter dem Namen „’t kliene Diewelke“ landauf, landab bekannt war, und die ihren dem Trunke ergebenen Mann mit der Axt erschlagen hatte. Dabei soll sie den  tröstenden Ausspruch getan haben: „So, Ohlerke“, nu foahr’ sälig gen Himmelke.“

Das Haus, in dessen Garten unter einem Birnbaum (wie bei Fontane) der Mord geschehen sein sollte, wurde von der ungenauen Fama in der früheren Schulstraße, der späteren Pangritzstraße (Nr. 8) gezeigt. Es war unbewohnt, verfiel mehr und mehr und wurde in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts abgebrochen. Auch der Birnbaum stand damals noch, doch die Kinder wagten es nicht, sich an diesen Birnen zu vergreifen.

Die Strafe „des Räderns von unten herauf“ wurde in Elbing noch im Juni 1829 durchgeführt. Über dieses Ereignis lesen wir bei Satori-Neumann folgenden Bericht:

        „Am 2 .Juni 1829, 7 Uhr morgens, wurde auf dem Sande (vermutlich auf dem Anger beim späteren Nordfriedhof) der Tischlergeselle Eduard Kuhn, Sohn des ehemaligen Hökers, zuletzt Weideverwalters Kuhn auf der Wansau – wegen Ermordung der Dienstmagd Anna Zaymer am 24. September 1827 auf der Wickerauer Landstraße – mit dem Rade von unten herauf vom Leben zum Tode gebracht und der Körper in einem Sarge beerdigt.

Der Mord an der Zaymer war durch einen Flintenschuß verübt und dann durch einen Dolchstich vollendet worden und geschah am hellen Tage. Gleich nach vollbrachter Tat hat der Kuhn sich angegeben und in die Hände der Gerechtigkeit überliefert.

Die Ursache des Verbrechens ist Haß von Seiten des Kuhn gegen die Ermordete, weil sie mit seinem Vater, bei dem sie diente, in vertraulichem Verhältnisse gelebt und sich eine Herrschaft über die drei Schwestern des Kuhn angemaßt, diesen selbst aber des Diebstahls bezichtigt hatte. Der Vater des Kuhn war während der über seinen Sohn verhängten Untersuchung gestorben, die Mutter bereits früher, die drei Schwestern waren noch am Leben. Übrigens zeigte Kuhn während der Untersuchung und bis zum Tode auf dem Richtplatz großen Leichtsinn und einen hohen Grad an Überspanntheit.“

 

         Was wissen wir sonst noch über Martin Sigismund Schesmer?

 

Er soll Flugversuche gemacht haben. Nicht zuletzt stimmten die Berichte darin überein, daß Schesmer, der die Flugversuche in Schesmershof vom Dach der großen Scheune unternommen, sich dabei am Körper schwer verletzt hätte, was ihm dann seinen hinkenden Gang eingetragen, den er in der Tat gehabt hat.

Das war Martin Sigismund Schesmer, unser letzter Henker, Landwirt, Fabrikant, Rittergutsbesitzer, Flieger, der immer nur das Erstere sein wollte!


Kerstan, Lic. Dr. E. G.: Die Geschichte des Landkreises Elbing. mehrere Abb., Elbing: Verlag der Elbinger Altertumsgesellschaft, 1925, 473 Seiten, S. 249

Satori-Neumann, Bruno: Elbing im Biedermeier und Vormärz. Ernstes und Heiteres aus der Guten Alten Zeit 1815-1848, Elbing: Verlag Léon Saunier’s Buchhandlung, 1933, 270 Seiten, S. 129, 158, 196

Braun, Walther: Zwischen Hommel und Hoppenbeek. Uelzen: Verlag Elbinger Nachrichten, Inge und Günther Preuschoff, 1953, 304 Seiten, S. 15-20

Carstenn, Edward: Geschichte der Stadt Elbing. 50 Tafeln, Elbing: Verlag Léon Saunier’s Buchhandlung, 1937, 538 Seiten, Tafel 12)

Poortvliet, Rien: Das Erbe. Hamburg und Berlin: Paul Parey Verlag, 1992, 208 Seiten, S. 145 oben

Geißler, Max: Die Bernsteinhexe. Der interessanteste aller Hexenprozesse, mit Bildern von Felix Schulze, Reutlingen: Verlegt bei Ensslin & Laiblin, o. J., 158 Seiten, S. 112