Cadinen -Teil 4

Die Cadiner Kirche 




Bild 70: Blick auf Cadinen


Anmutig zwischen dem Frischen Haff und einem Kranze reich bewaldeter Höhen liegt, umgeben von weiten Wiesenflächen und wogenden Kornfeldern, die Kaiserliche Herrschaft Cadinen. Ihr alter schöner Park mit malerischer Klosterruine und die nahen Wälder mit vielhundertjährigem Eichen- und Buchenbestand bildeten von jeher ein beliebtes Ausflugsziel der Elbinger und Königsberger.



Bild 71: Links sieht man die 1000 jährige Eiche und rechts einen Teil der Klosterruine (8.4.1901)




Bild 72: Alte Kupfertiefdruckkarte mit einem Durchblick auf die Kirche (Willibald Zehr, Elbing)

Stattliche Wirtschaftsgebäude und weinumrankte Beamten- und Arbeiterwohnhäuser schauten mit ihren roten Pfannendächern freundlich aus dem Grün der Gärten und boten, gehegt und gepflegt durch stete wachsame Fürsorge des Kaiserlichen Gutsherrn ein anziehendes Bild eines  vornehmen westpreußischen Herrensitzes.



Bild 73: Blick auf die Kirche


Einige Jahre später ist es durch eine stattliche Kirche vervollständigt worden, welche durch ihre etwas erhöhte Lage auf einem vom Hohen Bauherren selbst ausgewählten, in einiger Entfernung vom Dorfe am Rande eines Kieferngehölzes gelegenen Platze die Umgebung eindrucksvoll beherrschte und ein charakteristisches Wahrzeichen der malerischen Haffküste zwischen Elbing und Frauenburg bildete.

Beim nächsten Bild handelt es sich um eine Architekturzeichnung zur Vorlage beim Kaiser, mit interessanten Bildunterschriften:



Bild 74: Winter in Cadinen




Bild 75: Vergrößerung der Unterschriften von obiger Architekturzeichnung.

Genehmigt  9/X  1912     W i l h e l m       Kickton

Bildrückseite: Gehört zur Kirche in Cadinen  Geh. Regierungsrat und Baurath Kickton  Posen, Hardenberg Nr. 8 
Hu. D. 2296 Lfd. Nr. 125   Originalgröße (ohne Rahmen) 21 x 27 cm,  Foto: R. Wolf 05.08.1990.
(Haus Doorn)




Bild 76: Kupfertiefdruck-Karte ( 5.8.1919)  von  Willibald Zehr, Elbing

Zur Grundsteinlegung war der Kaiser extra angereist, da die Kirche für ihn sehr wichtig war. Die nach den Plänen und unter der Oberleitung des Geheimen Baurats Kickton in Berlin im Jahre 1913 begonnene Ausführung des Bauwerks konnte trotz der ungünstigen Zeitverhältnisse im Frühjahr 1916 zum Abschluss gebracht werden. Nach den Wünschen des allerhöchsten Bauherrn ist die Kirche im Charakter der heimischen Ordensbaukunst als reicher Backsteinbau gestaltet worden, deren bezeichnende Merkmale sie zeigte:



Bild 77


Geschlossene, die Umgebung beherrschende Masse, wuchtiger Turm, straffe Gliederungen, wirkungsvoll verteilter Fries- und Blendenschmuck, Verwendung glasierter Steine in wechselnden Mustern zur Belebung der Flächen, zierliches Fenstermaßwerk in tief eingeschnittenen geputzten Leibungen; im Innern reiche aus schlanken Diensten sich entwickelnde Gewölbe mit fein profiliertem Rippenwerk und zierlichen Einzelheiten an Kapitälen und Kragsteinen.



Bild 78




Bild 79: Die Cadiner Glocke

Die große Glocke der Kirche des Kaiserlichen Gutes in Cadinen -Ton c, Gewicht 2700 kg -, wurde von der Hofglockengießerei Franz Schilling Söhne in Apolda (Thüringen) hergestellt. Die Abbildung (Postkarte) stammt aus einem Buch, das zum 100-jährigen Bestehen der Hofglockengießerei im Jahr 1926 herausgegeben wurde. Franz Schilling Söhne in Apolda lieferten von 1826-1926 über 10 000 große Kirchenglocken aus Bronze in alle Welt. Darunter befinden sich die bedeutendsten Geläute Deutschlands. Sie gossen u. a. auch die Glocken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin.   


Die Grundrissanordnung ergab sich zwanglos aus der Lage der Kirche zum Dorf. An ein dreijochiges Langschiff, dem sich ein, Taufkapelle und Vorhalle enthaltendes niedriges Seitenschiff sowie der die Logen für die Majestäten und das Gefolge enthaltende Turm angliederten, schloss sich östlich der flachgeschlossene Altarraum mit Sakristei an.
 



Bild 80: Sommer 1922, Kupfertiefdruck-Karte von Willibald Zehr, Elbing.
Rechts sieht man die  Logen für die Majestäten und das Gefolge.


In diese Kirche kam außer schmückendes Majolika auch ein prächtiger neogotischer Altar. Er ist ein ganz besonderes Kunstwerk. Der aufgeklappte linke Altarflügel zeigt die Kreuzabnahme und der rechte Flügel, wie Jesus am Kreuz die Mutter tröstet. Es handelt sich um einen Schnitzaltar wie aus Dürers Zeiten.




Bild 81: Ausschnitt aus obiger Ansichtskarte




Bild 82: Blick auf die Orgel (Willibald Zehr Elbing)




Bild 83: Treppenaufgang und verzierte Kassettendecke mit Kerzenleuchter (Willibald Zehr, Elbing)




Bild 84: Blick zum Altar mit bestuhltem Innenraum (1942)

Den Abschluss gegen das umgebende Gelände bildete eine aus Granitfindlingen hergestellte Futtermauer mit Plattform, die einen weiten Rundblick auf das Haff und die umgebenden Höhen bot. Die Umfassungsmauern der Kirche sind aus Steinen großen Formats mit kräftiger Fugung hergestellt und mit schwarz glasierten Köpfen gemustert worden, die Portale wurden mit gelb und grün glasierten, die Giebel mit schwarz glasierten Schichten durchsetzt. Besonders reichen Schmuck hatte die Nische über dem zu den Logen führenden Turmportal in Form eines dekorativen Terrakottamaßwerks auf eingebranntem blaugrauen Grunde mit einem das Bogenfeld füllenden Wappen aus Majolika erhalten.




Bild 85: Der Haupteingang zur Kirche

Die Fußböden haben durchweg einen Belag von roten, mit eingepresstem Ornament verzierten Platten erhalten, deren Flächen durch glasierte Schichten in Felde geteilt wurden und besonders im Altarraum reiche farbige Muster bildeten. Hervorzuheben ist, dass sämtliches Steinmaterial einschließlich der Glasuren und der Fußbodenplatten in der Kaiserlichen Ziegelei und Majolikafabrik hergestellt worden ist. Besonders bemerkenswert ist ein dreiteiliges Maßwerk im Treppenraum, welches auf Anregung des Kaisers aus gebranntem Ton hergestellt ist, wie überhaupt das Interesse des Hohen Bauherrn sich auch während des Krieges auf alle Einzelheiten der Bauausführung erstreckte. 




Bild 86


Allerdings musste dann kriegsbedingt die Einweihung immer wieder verschoben werden, da der Kaiser anderes zu tun hatte. Deshalb wurde die Kirche erst nach dem Ersten Weltkrieg (1920) und nun doch in Abwesenheit des Bauherrn eingeweiht werden. Zu dieser Zeit befand er sich nämlich schon in seinem niederländischen Exil in Amerongen. 




Am 10. August 1943 heirateten Margot geborene Liedtke und Rudolf Wolf in der Cadiner Kirche (Bild 87). Sie wurden vom Berliner Domprediger Doehring getraut. Der Geistliche war nämlich nach Cadinen gekommen, um die jüngste Tochter von Louis Ferdinand und Kira von Preußen zu taufen. Margot Liedtke war in Cadinen gut bekannt, denn ihr Vater gehörte zu den ersten Mitarbeitern der vom deutschen Kaiser Wilhelm II. gegründeten Cadiner Majolika und war zuletzt als Obermaler tätig. 

Die Kirche war 1945 nur gering beschädigt und wurde leider 1957 abgerissen. Zum Glück ist der Altar erhalten geblieben. Er erhielt vor einigen Jahren in der Nordwestecke des nördlichen Kirchenschiffes von St. Nikolai in Elbing einen guten Platz.



Das Hochzeitsfoto vor dem Cadiner Altar in St. Nikolai in Elbing, am Freitag, dem 20. Juni 2003, anlässlich der Diamantenen Hochzeit von Margot und Rudolf Wolf (Bild 88).




Bild 89: Der Cadiner Altar in der Nikolaikirche in Elbing


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Copyright Christa Mühleisen