Teil  5 - andere Betriebe

Seit 1890 befand sich auf dem Grundstück Rossgarten Nr. 17 die Schweizer- und Tilsiterkäserei Krieg. Leonhard Krieg ist der Begründer dieses Tiegenhöfer Unternehmens gewesen, nachdem er schon 1874 die Molkerei in Gr. Mausdorf innegehabt hatte. Bis dahin hatte sich auf dem Rossgartengrundstück die Posthalterei mit ihren Pferdestallungen befunden. Diese Gebäude pachtete nun Leonhard Krieg, erwarb sie 1892 und errichtete einen Mustermolkerei- und Käsereibetrieb mit Käsespeicher und der ersten Kühlanlage des Ostens.



Bild Nr. 47: Rechnung der Schweizer- und Tilsiterkäserei Leonhard Krieg aus dem Jahr 1908 über Tilsiter Fettkäse. Dem Briefkopf ist zu entnehmen, das die Firma Krieg über das größte Käselager Nord- und Mitteldeutschlands verfügte und eigene Landwirtschaften in Orlofferfelde und Fürstenau besaß.

Die Gebäude des großen Unternehmens, zu dem vor dem 1. Weltkrieg die Molkereien Jungfer, Neulanghorst, Fürstenau und Scharpau, teils gepachtet, teils als Eigentum gehörten, sind nach einem Großfeuer im Jahre 1902 neu aufgebaut worden. In den Jahren 1912 bis 1914 wurden in allen Krieg' schen Betrieben täglich in der Sommerzeit bis zu 50000 Liter Milch verarbeitet und ca. 6000 Schweine versorgt,  bei einer Belegschaft von 60 Mann. Nach dem Kriege geschah eine Umstellung des ganzen Betriebes. So wurde 1924 die Käserei in Tiegenhof stillgelegt und eine Käseschmelzerei neuester Art eingerichtet. Die Molkerei Scharpau war schon 1918 käuflich erworben worden, 1931 erfolgte der Ankauf der Tiegenhagener Molkerei, seit 1929 hatte man  die zu Zeyersvorderkampen gepachtet, und Ende der 30er Jahre verarbeitete eine  Belegschaft von 40 Menschen  täglich in der Sommerzeit bis 17 000 Liter Milch, versorgte  1500 Schweine und arbeitete in der Schmelzerei zu Tiegenhof, deren Erzeugnisse sich neben dem Schweizer- und Tilsiterkäse der Krieg' schen Landmolkereien eines besonders guten Rufes im ganzen Danziger Heimatlande erfreuten. 

Im Gebäude der früheren Molkerei Krieg ist jetzt ein Museum untergebracht. Viele alte Bilder, Ackergeräte aus Urgroßmutters Zeiten, sowie Küchengeräte, sogar einen schönen alten Schlitten mit Kutschbock gibt es da zu sehen.

Das starke Eigenleben, dass dieses Gebiet zwischen Weichsel und Nogat seit seiner Besiedlung durch die Mennoniten geführt hat, findet in dem für diese Verhältnisse sehr frühzeitigen Entstehen einer Zeitung seinen Niederschlag. So ist es seit dem Jahre 1866 der "Tiegenhöfer Telegraph", der den hiesigen Einwohnern Nachrichten aus Stadt und Land übermittelte und gleichfalls als Inseratenblatt zum lebhaften Vermittler von Kauf und Verkauf wurde. Diese Zeitung wurde dann abgelöst von dem Werder-Boten, dessen Fortbestehen allerdings an seiner demokratischen Einstellung scheiterte. Im Jahre 1883 begründete dann Herr A. G. Kinder das Tiegenhöfer Wochenblatt. Neben dieser Zeitung entstand noch im Jahre 1898 in Neuteich die Neuteicher Zeitung.

Zuletzt soll noch über das jüngste Industrieunternehmen Tiegenhofs berichtet werden, die Ölmühle. Sie ist die Nachfolgerin der einst im Jahre 1781 auf demselben Gelände neben dem unterm 2. Oktober 1716 urkundlich erwähnten "Großen Kruge" von Michael Hamm errichteten Bieressigbrauerei. Michael Hamms Erben haben das Werk ihres Vaters im 19. Jahrhundert immer mehr vergrößert, fügten auch eine Bierbrauerei hinzu und wurden mit eigenem Wasserfahrzeug zu den bedeutenden Essiglieferanten des ganzen Weichsel-Nogat-Deltagebietes, der Stadt Danzig und auch ihrer Vororte.

Das Jahr 1920, das die Trennung vom deutschen Mutterland brachte, bedeutete für das fast 150 Jahre alte Unternehmen den Tod, das Absatzgebiet war fast völlig genommen, die einsetzende Inflation gab den Rest. Da brachte das Jahr 1924 eine Erlösung mit der Guldenwährung, und 270 Landwirte des Kreises gründeten zu Tiegenhof eine Rapsverwertungsgenossenschaft, die "Tiegenhöfer Ölmühle G.m.b.H.". Das Unternehmen machte leider Konkurs und kam in private Hände.

Etwa um 1939 umfasste die Belegschaft 40 Arbeiter und Angestellte. Die Tiegenhöfer Ölmühle ist in dieser Zeit  zu einem bedeutenden Industrieunternehmen des ganzen Freistaates geworden, nachdem in Danzig bei der Amada - Unida eine besondere Härtungsanlage erbaut worden ist, die das Rüböl härtet und damit zur Margarineherstellung tauglich macht. Nun waren sämtliche ausländischen Fette, wie Kokos- und Palmkernöl, zur Margarineherstellung überflüssig geworden. Die Tiegenhöfer Ölmühle war der Fettlieferant für Danzigs Margarinefabriken. 



 Bild Nr. 48: Zuckerfabrik (15.12.1942 nach Stettin geschickt)

Links ist die Hellwigsche Mühle zu sehen, deren Besitzer im Volksmund der "Achtkantige Müller" hieß. Die Mühle ist kurz nach dem 1. Weltkrieg abgebrochen worden. Dahinter liegt die Zuckerfabrik. Nach der Gründung des Freistaates Danzig war die Fabrik nicht mehr zu halten, zumal die Neuteicher Fabrik zum Anbaugebiet der Zuckerrübe günstiger lag. Sie fiel ebenso wie die Mühle den wirtschaftlichen Verhältnissen in Folge der neuen Grenzziehung zum Opfer. Die Stadt Tiegenhof übernahm die Gebäude und das Gelände. Im Verwaltungsgebäude entstanden Wohnungen u. a. für den Direktor des Realgymnasiums, ins Hauptgebäude zog nach Umbau die Mädchenschule ein, die bis dahin im Hause Loepp im Schlossgrund untergebracht war. Das andere Gelände der Fabrik diente zum Wohnungsbau, u. a. entstand die Badowskistraße dort.



Bild Nr. 49: Mit folgenden Motiven: An der Stobbebrücke, Speicher an der Tiege, Schwäne auf der Tiege und das Haus der Jugend "Am Schwarzen Wall". Es wurde 1935 im Stil eines westpreußischen Vorlaubenhauses erbaut. (4.8.1941)



Bild Nr. 50:  Alte Speicher an der Tiege (Ausschnitt von oben)

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Tiegenhof zu Polen und erhielt den Namen "Nowy Dwor Gdanski".

Textnachweis:

Backhaus, Peter: Danziger Getränke-Spezialitäten - Stobbe Machandel. Barsbüttel: Im Selbstverlag P. Backhaus, 2000, 78 Seiten, S. 7, 29-32, 36, 41-48, 54-56+61 .

Flink, Erwin: Das Große Werder - Rückblick und Erinnerungen, 176 Seiten, S. 170, 176.

Geschichte des Kreises Großes Werder, erarb. v. Danziger Lehrerbund, hrsg. von Siegfried Rosenberg, Danziger Verlagsgesellschaft Paul Rosenberg 1939, 232 Seiten, S. 107-109.

Jeglin, Günter: Tiegenhof und der Kreis Großes Werder in Bildern, hrsg. von der Stadt Tiegenhof - Kreis Großes Werder, gemeinnütziger Verein e.V., S. 67, 68, 71, 89, 116, 126.

Lockemann, Dr. Theodor: "Elbing", aus der Reihe "Deutschlands Städtebau", hrsg. vom Magistrat von Elbing, Berlin - Halensee: DARI-Verlag, 1926, 200 Seiten, S. 185.

Tiegenhöfer Nachrichten - Das Weichsel-Nogat-Delta, hrsg. v. Gemeinnützigen  Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder e.V. 1997

Westpreussen-Jahrbuch Band 17, hrsg. von der Landsmannschaft Westpreussen. Münster (Westf.): Verlag C. J. Fahle, 1967, 160 Seiten, S. 23-28.



Bildnachweis:

Backhaus, Peter: Danziger Getränke-Spezialitäten - Stobbe Machandel. Barsbüttel: Im Selbstverlag P. Backhaus, 2000, 78 Seiten, Bild Nr. 25, 26, 33-39,  

Geschichte des Kreises Großes Werder, erarb. v. Danziger Lehrerbund, hrsg. von Siegfried Rosenberg, Danziger Verlagsgesellschaft Paul Rosenberg ca.1988, 232 Seiten, Bild Nr. 17.

Heimatkarte von Ostpreußen und der Freien Stadt Danzig, Celle: Verlag Schadinsky, Bild Nr. 1.

Heinrich Stobbe KG., Oldenburg (Oldb.), Faltblatt, Nr. 41 + 42.

Klein, Simon: Bild 2, 3, 5, 7, 20, 22, 30, 31, 48-50. 

Lockemann, Dr. Theodor: "Elbing", aus der Reihe "Deutschlands Städtebau", hrsg. vom Magistrat von Elbing, Berlin - Halensee: DARI-Verlag, 1926, 200 Seiten, Bild Nr. 16.

Mühleisen, Christa: Bild 4, 6, 8-15, 18, 19, 21, 23, 24, 28, 32, 40, 43, 44-47.

Pudor, Carl: "Elbing und Umgebung" aus der Reihe "Reisebücher von Anno dazumal", Reprint von 1910. Leer: Verlag Gerhard Rautenberg , 1989, 218 Seiten, Bild Nr. 27.

Pudor, Carl: "Führer durch Elbing und Umgebung, hrsg. vom Verkehrsverein Elbing, 82 Seiten, o. J., Bild Nr. 29.

 

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