Zweimal Rache in Blau

Bollermann haut auf die volle Lohntüte: "Nu wird erstmal fuffzehn jemacht  mit die vielen Schauchen. Wir haun ab zum Kostiemball inne "Ostbahn"! Welutzke zögert: "Als was willst aber jehn? Schornsteinfejer oder Fatzkedomino?"

Beim Maskenverleiher ist die Wahl schwer - Beduinenscheich, Leibhusar, Spreewaldamme - bis Welutzke sich einen Schnurrbart anheftet und  einen Helm probiert. "Mensch," schreit Bollermann, "haben uns die 
Polypen nicht ewig jeärjert? Nu jehn wir als Schiens und ärjern andre!" Bald stehen sie in Helm, Waffenrock und weißen Handschuhen vor dem Spiegel. Dann zahlen sie und poltern davon.

Sie ziehen in all ihre Kneipen und erschrecken Wirte und Gäste, bis sie die Bärte lüften und erkannt werden. So halten sie ihr Kostümfest ohne Ostbahn. Als sie spät am Krantor vorüberschwanken, wird die Fähre 
gerade für die Nacht vertäut.

"Kick", knurrt Welutzke, "da ist Paul, was wir so oft haben freijehalten,und nie nich hat jen Schorfkreet sich revangschiert! Ob wir ihm  'n bißchen unterducken?" Bollermann verneint: "Einfach mit muß der! Laß mir man machen!" Paul späht unbehaglich nach den Behelmten.

"He," knarrt Bollemann, "sind Sie Paul von der Krantorfähre?"  Der speilzahnt: "Denken Se vleicht, ich bin de Klosettfrau vom  Kohlenmarcht?" "Werden Sie nich obsternatsch! Is 'ne Anzeige da: Sie haben im Dienst Schnaps getrunken und Leute beleidigt!" Da platzt Paulchen: "Ei und ihr?! Seid ja blau wie de Veilchen und quasselt mir auch an!"

"Kommen Sie mit zur Wache!" "Mööönsch!" droht Paulund schielt zum  Wassereimer. "Sie sind verhaftet!", sagt Bollermann, erhält aber einen  Stoß vor die Brust. "Widerstand jejen die Staatsjewalt," droht  Welutzke, "kost 'Schießstang'!" "Besoffen im Dienst kost' aber dem blauen Rock und die Hurratüt!"

Es nutzt ihm nichts. Sie führen ihn ab. Am Buttertor zögern sie, als sei noch etwas zu erledigen. "'Ne aasje Hitz'!" klagt Bollermann, den  Schweiß trocknend. "Bei 5 Grad unter Null?" höhnt Paul, dann aber
begreift er: "Hm, 'n kiehles Helles bei Mutter Senger wär' woll nicht schlecht?" Welutzke unterstützt ihn: "'N paar Machandel auch nich!" So kehren sie ein, und es wird recht gemütlich, bis bei der Wärme
erst Welutzke, dann auch Bollermann einnickt, wobei der Schnurrbart abfällt.

Paulchen reißt die Äuglein auf und erkennt sie endlich. Dann zieht er  Welutzke sacht den Säbel aus der Scheide, packt Bollermanns Helm und schleicht durch die Hintertür zum Polizeirevier. Da legt er beides
dem verhaßten Schien auf den Tisch: "Hab' ich am Bollwerk jefunden. Bei die olle Senger zischten schon vor'ne Stund zwei von Ihre Brieder ein Machandelchen nach'm andern. Vleicht daß unterdes einer von 
'nem Lustmörder erwircht is worden, oder daß er sich de Schusterkugel im brausenden Wasser hat jekiehlt und is abjeblubbert...?"

"Sie gehen mit!" entscheidet der Wachhabende und gibt ihm zwei  Beamte mit. Als die Schutzleute in der Kneipe die schnarchenden  Kollegen erblicken, winken sie ab: "Sie können gehen!" Aber der  Krantorfährenkapitän stemmt die Arme in die Seiten: "Bei unsereinem wird 'ne Fress' jezogen, wenn er bloß mal am Proppen hat jerochen, und so'n Säbelfranz stinkt vor Fuselorjum aus alle Knopplöcher!"

Dann zieht er ab, doppelte Rache gallig genießend.

(Meyer, Hans Bernhard:Westpreußenjahrbuch 1953,
hrsgg. von der Landsmannschaft Westpreußen,
Leer in Ostfriesland: Verlag Rautenberg & Möckel
mehrere Abbildungen, 164 Seiten.
-Christa Mühleisen-