1. Teil: Aufbau der Komnickwerke




Bild 1: "Die Komnickwerke" waren neben Schichau der größte industrielle Betrieb Ostdeutschlands. Ihr Gründer und Inhaber war Kommerzienrat Dr. Ing. eh. Franz Komnick.


Bild 2: Franz Komnick (1857-1938) 

Die Komnicks sind eine alte Familie des Ordenslandes. Schon auf den alten Königsberger Stadtplänen des 17. Jahrhunderts ist auf dem Hinter-Rossgarten ein "Komnick-Krug" eingezeichnet. Im Kreise Heiligenbeil heißt ein Gut bei Zinten "Komnicken", und im Kreise Mohrungen findet sich auf der Karte ein "Komnick-See." Wie und wann die Vorfahren Franz Komnicks in die Weichselniederungen gekommen sind, ist nicht nachweisbar, aber es sind mindestens 250 Jahre her. Es sind jedenfalls ganze Generationen gewesen, die dort in der Gegend von Tiegenhof meistens das wichtige und ehrsame Schmiedehandwerk mit der üblichen kleinen Landwirtschaft betrieben haben. 

Franz Komnick wurde am 27. November 1857 in dem westpreußischen  Dorf  Trappenfelde/Kreis Marienburg (Großes Werder) geboren. Seine Eltern waren der selbständige Huf- und Waffenschmiedemeister Friedrich Wilhelm Komnick, dem außer Werkstatt und Land auch noch eine Gastwirtschaft gehörte  und Renate-Henriette geb. Kutzner. Seine Mutter entstammte einer Handwerkerfamilie. Ihr Vater war der Rad- und Stellmachermeister Georg Friedrich Kutzner aus Klein Lichtenau (Großes Werder) bei Danzig.

Der Vater Ferdinand Schichau's war Gelbgießermeister in Elbing, der Vater August Ventzki's Stellmachermeister in Schlobitten - alle drei entstammten demnach guten Handwerkskreisen und bekamen als traditionelles Erbe des Vaterhauses die Wertschätzung solider und tüchtiger Handarbeit mit. Aber noch etwas anderes war nach dem Bericht vieler Zeitgenossen an Friedrich Wilhelm Komnick auffallend: er galt nicht als Schmiedemeister schlechthin, sondern war ein sehr kluger und sehr gerecht denkender und "wissender" Mann, von dem sich die Bauern ringsumher Rat holten. Und was für einen Dorfhandwerker der damaligen Zeit ganz besonders auffallend war: er besaß eine große Anzahl wertvoller Bücher, vor allem Geschichtswerke. Dieses Streben nach Bildung mag der Atmosphäre, in der Franz Komnick aufwuchs, von vornherein etwas Besonderes gegeben haben.
 
Der alten Überlieferung seiner Familie folgend, erlernte Franz Komnick nach Beendigung der Schulzeit das Schmiedehandwerk, das gerade in jenen Jahren einen recht guten Boden hatte. Es war die Zeit, in der die alten Holzpflüge mit Eisenscharen in der ganzen Niederung durch die reinen Eisenpflüge verdrängt wurden. Weil diese Pflüge meist in der Dorfschmiede gebaut wurden, so hatte eine Reihe tüchtiger Schmiedemeister ihr schönes Auskommen. Nach der Lehrzeit ging Franz Komnick für 9 Jahre als Geselle auf Wanderschaft. Seine verschiedenen Arbeitsstationen waren u. a. die "Hannoversche Maschinenbau - Aktiengesellschaft, vorm. Georg Eggestorff " in Hannover-Linden (später Hanomag). Dort arbeitete er auch am Bau von großen stationären Dampfmaschinen mit.  In Düsseldorf lernte er bei der Lokomotivenfabrik "Hohenzollern Aktiengesellschaft" den Lokomotivbau gründlich kennen. Weitere große Firmen, bei denen er arbeitete, waren die Lokomotivenfabrik "Borsig" in Berlin und die dortige Maschinenfabrik, die "Aktiengesellschaft H. F. Eckert", bei der er sich im landwirtschaftlichen Maschinenfach ausbildete. Berufsbegleitend besuchte er Abendkurse für Maschinenbau.

Im Alter von 26 Jahren kehrte Franz Komnick in die Heimat zurück und machte sich als Schmiedemeister selbständig, in dem er mit 3 Gesellen und 2 Lehrlingen im Kreis Marienburg in dem Landstädtchen Ladekopp bei Neuteich (Großes Werder)  eine kleine Maschinenwerkstatt in gemieteten Räumen errichtete. Auch dieser frühe Drang zur Selbständigkeit ist bei zukünftigen Industriepionieren bemerkenswert: Ferdinand Schichau hatte dereinst ebenfalls in jungen Jahren einen eigenen Betrieb gegründet, und August Ventzki machte sich mit 27 Jahren selbständig.

Der junge Schmiedemeister fand auch bald eine Lebensgefährtin in seiner um sechs Jahre jüngeren Verwandten Emma Pohlmann, deren Vater gleichfalls Schmiedemeister war. Am 13. Mai 1884 war die Hochzeit; ihr folgten 54 Jahre einer sehr harmonischen Ehe, in der sich die beiden Ehepartner in vorbildlicher Kameradschaft auf das glücklichste ergänzten.
     
Zum ersten Male machte Franz Komnick im Jahre 1888 von sich reden. Der Palmsonntag dieses Jahres brachte den Weichsel- und Nogat-Niederungen durch den Bruch der Dämme eine derart schwere Hochwasserkatastrophe, wie sie seit langen Zeiten nicht erlebt worden war. Bis an den Fuß der Elbinger Höhe spülten die Wassermassen. Das hohe Wasser in den Straßen von Marienburg, die Züge der flüchtenden Bewohner aus den Dörfern und die Kähne inmitten der Stadt gehören zu den  frühesten Kindheitserinnerungen von Walter Grosse, der darüber berichtet hat. Diese Katastrophe gab dem Ladekopper Schmied Gelegenheit, zum ersten Mal sein Können und Wissen in der Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen. Er konstruierte eine verhältnismäßig leicht zu bauende und zugleich sehr leistungsfähige Kreiselpumpe zum Ausschöpfen des Wassers aus den überfluteten, wertvollen Kulturflächen. 

 



Bild 3: "Aus den Tagen der Wassersnoth"

Dieser Holzstich nach einer Zeichnung von O. Gerlach aus der Gartenlaube von 1888 zeigt das nordwestliche Überschwemmungsgebiet von Elbing. 

Dadurch wurde die damalige königliche Regierung zu Danzig auf ihn aufmerksam, denn das Schöpfwerk arbeitete gut und beförderte große Wassermengen aus dem überschwemmten Gebiet. Er erhielt den Auftrag, um die unter Wasser stehenden Landstriche wieder trocken zu legen, soviel Schöpfwerke fertig zu stellen, wie ihm dies mit seinen  beschränkten Einrichtungen nur irgend möglich sei. Zwölf Wasserhebewerke wurden in jener Notzeit von ihm fertig gestellt und in den verschiedensten Teilen des überschwemmten Gebietes in Betrieb genommen. Damit wurde erreicht, daß die vielen Quadratmeilen des Überschwemmungsgebietes noch vor Eintritt der wärmeren Jahreszeit trocken gelegt und die Malariafiebergefahr beseitigt werden konnte.

Da die Schmiede in Ladekopp aber nicht mehr ausbaufähig war, sah sich Franz Komnick nach einem neuen Wirkungskreis um. Er fand ihn 1890/91 gemeinsam mit einem Teilhaber in einer Maschinenreparaturwerkstatt in Neustadt bei Pinne in der Provinz Posen. Diesen Betrieb erweiterten sie bald um eine Eisengießerei. Sie bauten landwirtschaftliche Maschinen und Dampfkessel. Aus der Schmiede wurde schließlich eine kleine Fabrik mit 150 Mitarbeitern. Auch hier wurden die Wasserhebewerke, die sich Herr Komnick inzwischen hatte patentieren lassen, weiter gebaut, desgleichen Lokomobile, Dampfdreschmaschinen und nicht zuletzt große Dampfpflug - Apparate nach dem Zweimaschinensystem, bestehend aus je 2 großen 100 PS-Lokomotiven und den dazugehörigen Pfluggeräten.

Nach den drei in Ladekopp geborenen Söhnen Bruno, Erich und Otto erblickten in Neustadt die zwei Töchter Elise und Charlotte das Licht der Welt. Später kamen noch Sohn Hans (geb. 1901) und zwei weitere Töchter dazu. Eine der Töchter starb schon im frühesten Kindesalter.

Aber für dauernd vermochte auch Neustadt Franz Komnick nicht zu fesseln; auch hier war wohl industriell und kaufmännisch die Grenze des Möglichen erreicht worden, zumal statt der geplanten Vollbahn nur eine kleine Stichbahn gebaut wurde.

Nach 9-jähriger erfolgreicher Tätigkeit verkaufte er seine Fabrik, um sich an der Umwandlung der Fabrik des verstorbenen Herrn Rudolf Wermcke in eine Aktiengesellschaft zu beteiligen und die Leitung derselben unter der Firma "Ostdeutsche Maschinenfabrik vorm. R. Wermcke Heiligenbeil A.G." zu übernehmen. Unstimmigkeiten mit dem Aufsichtsrat veranlassten ihn, aber nach einem einjährigen Intermezzo dort auszuscheiden. Dann ergriff Franz Komnick die Gelegenheit, als die "Hotopsche Maschinenfabrik" in Elbing 1898 zum Verkauf stand, diese zu erwerben. Hotop beschäftigte bei der Übernahme durch Komnick 40 Mitarbeiter.

Die Übernahme der Fabrik fiel in eine wirtschaftlich sehr günstige Zeit. Es waren die Jahre der höchsten Blüte des Deutschen Reiches. Handel und Wandel erlebten einen Aufstieg, den niemand erwartet hatte. Unter der tatkräftigen neuen Leitung nahm die Maschinenfabrik "F. Komnick, vormals Hotop," sehr bald einen starken Aufschwung. Neben den Bedarf der Provinz, wie Dreschmaschinen, Häckselmaschinen, Schrotmühlen, usw. trat die Fabrikation von Dampfkesseln. 

Für die Elbinger, Marienburger und Danziger Niederung wurde eine ganze Anzahl neuzeitlicher und sehr leistungsfähiger Entwässerungsanlagen mit starken Zentrifugalpumpen und Dampfmaschinenantrieb gebaut, die allmählich die alten Windmühlen-Schöpfwerke ersetzten. Ebenso arbeiteten große Pumpwerke mit bei der Entwässerung der Haffkampen, beispielsweise in Cadinen.

Fortsetzung folgt unten.

 



Bild 4: Reklame von 1902



Bild 5: Reklame von 1902 

Fortsetzung von oben:


Bei der Lieferung von vollständigen maschinellen Anlagen zur Herstellung von Sandmauersteinen nahmen die Komnick-Werke eine führende Stellung ein. Der deutsche Chemiker und Zementtechniker Dr. Michaelis hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts festgestellt, dass Kalksandmörtel unter Einwirkung von hochgespanntem Dampf binnen weniger Stunden zu einem harten, natürlichem Sandstein ähnlichen Gebilde umgewandelt werden kann. Er nahm ein Patent auf diese Erfindung, wusste aber nichts rechtes damit anzufangen und ließ es wieder verfallen. Später tauchten noch einige andere Erfinder auf, die es versuchten, aus einer Kalksandmasse Mauersteine durch Einwirkung von Hitze herzustellen . Man kam aber über Laboratoriumsversuche nicht hinaus.

Erst Herrn Kommerzienrat Komnick gelang es, brauchbare Spezialmaschinen herzustellen und die Kalksandsteinindustrie lebensfähig zu gestalten.

Im Jahre 1898/99 wurde die erste Kalksandsteinfabrik in Königsberg in Preußen von ihm erbaut, die zugleich die erste in der Welt war, Kalksandsteine in einwandfreier Beschaffenheit fabrikmäßig herstellen zu können. Mit ihr ist der Sandstein-Ziegelindustrie der Weg zur Entwicklung geebnet worden.  Franz Komnick baute selbsttätig arbeitende Drehtisch - Mauersteinpressen von hoher Leistungsfähigkeit. Das größte Modell vermochte 6000 bis 7000 Kalksandsteine in der Stunde zu erzeugen. Dazu kamen die sonstigen Maschinen für eine Kalksandsteinziegelei, z. B. Härtekessel bis zu 28 m Länge, deren Transport manchmal Schwierigkeiten machte, und Dampfmaschinen zum Antrieb  der ganzen Anlage. 

Bild 6: Innenansicht einer von Komnick erbauten Kalksandsteinfabrik mit vier Pressen und einer Tagesleistung von 160 000 Steinen.

Gerade der Bau vollständiger Einrichtungen für die Kalksandsteinwerke trug den Namen Komnick in alle Welt, während der Bau landwirtschaftlicher Maschinen mehr auf die heimatlichen Ostgebiete beschränkt blieb. Viele hundert Kalksandsteinfabriken sind in fast allen Ländern der Erde von der Firma Komnick errichtet worden. 

Sie hatte vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine Gesamtproduktion von jährlich etwa zwei Milliarden Steinen und lieferte u. a.  nach  New York, Südafrika, Holland, England, Dänemark, Belgien, Griechenland, Russland und nach Ungarn, wo eine besonders große Anlage die gesamten Bausteine für den Bau eines großen Vorortes von Budapest herstellte.

Die Ausfuhr von Anlagen nach Russland war so umfangreich, dass man aus Zollersparnisgründen in Jekaterinoslaw eine eigene Kesselschmiede mit einer Belegschaft von mehr als 300 Mann einrichtete. Insgesamt sind von der Maschinenfabrik an die tausend Fabrikanlagen geliefert worden. Davon sind ein Viertel nach Russland und etwa die Hälfte nach dem übrigen europäischen Ausland und nach Übersee geliefert worden.

In der neuerrichteten Kesselschmiede wurden Dampfmaschinen und Dampfkessel in allen Größen und für den höchsten Dampfdruck hergestellt. Es entstanden bis zu 600 Zentner schwere Erhärtungskessel für die Fabrikation von Kalksandsteinen und Schlackensteinen. Außerdem wurden auch Lokomotivkessel für Staatsbahnlokomotiven hergestellt. Täglich verließen früher  in Elbing Dampfkessel die Fabrik, um die Reise in die verschiedensten Weltteile anzutreten. Auch viele der alten, meist in Händen von Schweizern befindlichen Käsereien des Werders, die sich um die Jahrhundertwende vergrößerten, bezogen ihre Dampfmaschinen und Kesselanlagen von der Firma Komnick.


Bild 7: Reklame von 1910

Ähnliche Pressen wie zur Herstellung von Kalksandsteinen wurden zur Formung von "Ternolit," aus Asbestschiefer, konstruiert, der für Dachbedeckungszwecke, zum Bekleiden von Außen- und Innenwänden, zur Herstellung von großen Luftschiffhallen und für viele andere Zwecke genutzt wurde und für die Erzeugung von Ziegeln aus Schlacken für Bauzwecke.

Nahezu alle großen Hütten- und Stahlwerke wie Krupp, August Thyssen, die Borsigwerke, Bochumer Verein, Gelsenkirchener Bergwerksunion usw. verwendeten Komnicks neue Pressen für die Schlacken-Brikettierung. Sie konnten hierbei ihre anfallenden Gießereiabfälle verwenden. Auch hierfür wurden die kompletten Fabrikanlagen geliefert.

Für die gesteigerte Produktion boten die alten Baulichkeiten aus der Hotopschen Zeit nicht mehr genügend Raum. Ein Grundstück nach dem anderen musste zwangsläufig in das Firmengelände mit einbezogen werden. So nahm schließlich die Fabrik mit den dazugehörigen Wohnhäusern für Arbeiter, Beamte und Angestellte, den Sanitäts- und Fürsorgeeinrichtungen, usw., mitten in der Stadt zwischen Bahnhofstraße und Neustädtischer Wallstraße ein ganzes Viertel ein.


Die Komnickwerke bestanden aus drei großen Fabrikunternehmungen:

1.) Die Maschinenfabrik mit großer Eisengießerei und Dampfkesselfabrik.

2.) Die 1906 erbaute Automobilfabrik, die außer PKW, LKW, Omnibusse, Motorpflüge und Kraftschlepper herstellte

3.) Die Dampfpflug- und Dampfpflug-Lokomotivenfabrik ( = Dampfpflug-Lokomobile) auf dem ehemaligen Flugplatz.


Teil 2 oder Index

 Copyright Christa Mühleisen