6. Teil: Bankrott, Neubeginn, 2. Weltkrieg (1939 - 1945)






Bild 88: Briefkopf der Automobilfabrik Komnick AG von 1930


Bild 89: Horizontal-Bohrwerke in der Automobilfabrik Komnick




Bild 90: Revolverautomaten zur Massenherstellung von kleinen Maschinenteilen in der Automobilfabrik




Bild 91: Die Kontrollabteilung in der Automobilfabrik Komnick


Anlässlich des 70. Geburtstages von Dr. Ing. eh. Franz Komnick, am 27. November 1927, verkündete die Stadt Elbing den Beschluss, eine Straße an der Maschinenfabrik nach ihm zu benennen.



Bild 92: Die Maschinenfabrik Ecke Komnick-/Herrenstraße

Die schlechte Wirtschaftslage in Deutschland führte auch bei der Maschinenfabrik von 1924-1929 zu Verlusten. Bei der Automobilfabrikation war die Auftragslage gut, wenn auch die Jahresproduktion von 500-600 Fahrzeugen auf die Dauer zu gering war. Eine Steigerung der Produktion und eine damit verbundene Kostensenkung wäre nur durch eine Umstellung von Handarbeit auf Fließbandfertigung möglich gewesen. Fast 2.000 Beschäftigte standen auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise in den Diensten der Komnick-Werke. Die Firma wurde hart getroffen, hatte doch Franz Komnick seine Gewinne jahrelang immer wieder in sein Unternehmen investiert und dabei die Bildung finanzieller Rücklagen fast völlig außer acht gelassen. Trotz der gewaltigen finanziellen Einbußen versuchte Komnick, den Entwicklungsstand seiner Nutzfahrzeuge stets auf höchstem Niveau zu halten. So wurde etwa der Sechszylindermotor überarbeitet und leistete nun 90/100 PS bei 1.600 U/min. Auf dem Komnick-Stand während der DAMA 1928 war dieser Motor, eingebaut in einen Bus und einen LKW, die einzig echte Neuheit.



Bild 93: Komnick-Omnibusse in Taschkent (Usbekistan, UdSSR), ca. 1928


Das Jahr 1929 bescherte allen LKW-Typen Luftbereifung, geschlossene Fahrerhäuser und serienmäßig Vierradbremsen. Trotz aller Anstrengungen auf technischem Gebiet verschlechterte sich die Lage bei Komnick in finanzieller Hinsicht zusehends, so daß 300 Arbeiter entlassen werden mussten. 

Staatliche Kredite oder Bürgschaften sollten in dieser Region die Wirtschaft unterstützen.  In die Automobilfabrik wurden deshalb von Berlin aus Wirtschaftsprüfer entsandt. Auf Grund ihrer, in wochenlanger Arbeit erstatteten Rentabilitätsgutachten schien um die Jahreswende 1929/30 alles in Ordnung zu sein. Franz Komnick konnte danach in absehbarer Zeit mit einem größeren Staatskredit oder vom Staate garantierten Kredit rechnen; der Garant sollte die Preußische Staatsbank sein. Dieser Kredit über 667 000 Reichsmark wurde ganz plötzlich ohne nähere erläuternde Angaben in der 2. Märzhälfte 1930 zurückgezogen oder angehalten. Dadurch musste das Werk natürlich sofort in große Schwierigkeiten geraten.

Am 2. April 1930 wurde ein Antrag auf Einleitung eines Konkursverfahrens gestellt. Leider wurde durch die finanziellen Verflechtungen und Verpflichtungen auch die Maschinenfabrik in den Konkurs hineingezogen. Später stellte es sich heraus, dass allein schon die großen Vorräte an Roh-, Halb- und Fertigmaterial und sonstige verwertbare Lagerbestände zur Deckung aller Verpflichtungen ausgereicht hätten . Auf einen Vergleich wären wohl die meisten Gläubiger eingegangen, da die Firma überall großes Vertrauen genoss.

Es war der schwerste Schlag, der Franz Komnick treffen konnte. Wie es seiner ganzen Art entsprach, ging es ihm dabei weniger um seine eigene Person und seine persönlichen Verluste, als um die Fabriken, die er in Elbing in 33 Jahren langer Arbeit mit unendlicher Mühe und rastlosem Fleiß aufgebaut hatte. Es war ihm sehr bitter, dass nun plötzlich alle Räder stillstanden. Dazu kam das Gefühl, dass ein solches Ende eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. 

Es ist nach dem Verlust sämtlicher Akten und nach dem Tode der Beteiligten heute nicht mehr mit Sicherheit festzustellen, welche Gründe Berlin veranlassten, nach dem positiven Abschluss aller Betriebsprüfungen die Automobilfabrik plötzlich als "nicht lebensfähig" zu erklären.

Man wollte schon etwas für die ost- und  westpreußische Großindustrie tun, aber man wollte gewissermaßen der Einfachheit halber nur ein Werk halten und es mit Millionen-Mitteln  als staatlichen Betrieb aufziehen, und zwar die Elbinger Schichau-Werke. Die beiden anderen Eisen-Großbetriebe, die an die 100 Jahre alte Königsberger "Union-Gießerei" und Komnick mussten eben geopfert werden. Sie mussten dann reif dafür sein, irgendwie mit dem Staatsbetrieb Schichau vereinigt zu werden.

Die Ferdinand-Schichau-Werft in Elbing kaufte dann auch von der Maschinenfabrik den Produktionszweig "Kalksandsteinwerke" auf und firmierte mit diesem Teil dann als Maschinenfabrik Komnick GmbH.


Der inzwischen 73-jährige Franz Komnick resignierte nicht. Er war aus anderem Holze geschnitzt. In ihm lebte die Zähigkeit der alten Bauerngeschlechter aus der Elbinger Niederung. Mit Hilfe seines Sohnes Dipl.-Ing. Hans Komnick konnte er im Jahr 1931 einen neuen Anfang wagen. Die Familiengesellschaft F. Komnick & Söhne GmbH wurde gegründet. In den alten Hallen des ehemaligen Elbinger Flugplatzes wurden Fahrzeuge aller Art repariert und wieder Dampfmaschinen, Schrotmühlen und Rohölmotoren hergestellt. Außerdem wurde wieder mit der Autoproduktion begonnen. Von den Behörden war es besonders das Reichspost-Ministerium, das dem neuen Unternehmen auf Grund der früheren guten Erfahrungen eine weitgehende Unterstützung zuteil werden ließ: Omnibusse, Telegrafen-Bautruppwagen und Schlepper wurden laufend zur Grundüberholung eingeliefert. Schwer war besonders die Beschaffung der Ersatzteile, denn die Autofabrik war mittlerweile mit allem Zubehör von der Lastwagenfabrik Büssing erworben worden, die damit auch über das große Lager von Ersatzteilen verfügte. 

Sohn Otto Komnick leitete nach dem Neubeginn das Werk II. In Zusammenarbeit mit der Firma Krupp in Essen wurden LKW- und Omnibus-Spezialaufbauten, LKW-Pritschen, Kühler und landwirtschaftliche Erntemaschinen hergestellt.

Im Jahre 1934 musste der alte Flugplatz geräumt werden, da der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden sollte. Glücklicherweise konnte die Firma wieder auf das von der Stadt Elbing zurückgekaufte Gelände der alten Maschinenfabrik zurückkehren.

Aufgrund der Zusammenarbeit mit Krupp hatten Komnick & Söhne als deren Zulieferer die LKW-Werksvertretung übernommen. Im PKW-Bereich hatten sie die gleichzeitige Vertretung von BMW, Ford, Hans-Loyd und Fiat. So etwas wäre auf dem heutigen PKW-Markt undenkbar. 1939 wurde Komnick zur VW-Hauptwerkstatt für Ost- und Westpreußen ernannt. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war die Wehrmacht der größte Auftraggeber für die Marke VW.

Am 1. Dezember 1938 starb Franz Komnick im Alter von 81 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Seine Leiche wurde in dem mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen Musikzimmer aufgebahrt, an dessen Wand sein von Meisterhand geschaffenes Bild in Lebensgröße herabblickte. Die Belegschaft nahm Abschied von ihrem Seniorchef, indem sie am Sarge vorbeizog. Am Vormittag des 4. Dezember, einem grauen Wintertage, wurde der Sarg vom Fischervorberg den langen Weg durch die Stadt hinaus zum Friedhof der Gemeinde zu den Heiligen Drei Königen überführt. Da auch die gesamte Belegschaft folgte, war es ein so langer Zug, wie ihn Elbing wohl seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte. Dort auf der Höhe des schön gelegenen Friedhofes, wo schon zwei seiner Kinder ruhten, fand Franz Komnick seine letzte Ruhestätte.  Seine Gattin starb sechs Jahre später am 16. Januar 1945. Beiden blieb es erspart, den Untergang des Unternehmens und der Heimat im Zweiten Weltkrieg mitzuerleben.



Bild 94:  Grabstein von Franz Komnick

Auf dem ehemaligen Friedhof der Drei-Königen Gemeinde am Baumschulenweg hat man ein Lapidarium errichtet auf dessen Gedenktafel in deutscher und polnischer Sprache steht: "zum Gedenken der in Elbing bis 1945 verstorbenen Bürger." Der einzige Stein, der noch direkt auf der alten Grabstelle am Südrand des Friedhofes steht, ist der von Dr. Ing. e.h. Kommerzienrat Franz Komnick.

Bis zum 23. Januar 1945 wurde bei Komnick gearbeitet. Viele Mitarbeiter mussten direkt von ihrem Arbeitsplatz in Richtung Westen fliehen. Der letzte Lastkraftwagen der Komnickwerke, ein geschlossener Lieferwagen der Molkerei H. Schroeter, der in Elbing die Filialen bis Kriegsende belieferte, ging mit dem inzwischen verstorbenen Chauffeur Matthies Ende Januar 1945 von Elbing nach Schwerin auf die Flucht. Mit ihm fuhren Mitarbeiter der Firma H. Schroeter in den rettenden Westen. Von Schwerin ging es, kurz bevor die Russen kamen, weiter in die Lüneburger Heide nach Oldenstadt. Der alte Komnick brauchte auf 100 km 56 Liter Benzin und wurde im Krieg auf Holzgas umgestellt.  

Wenn kein anderer Wagen wegen des damaligen nassen Tankholzes mehr lief, der Komnick sprang immer an und schleppte von Schwerin drei andere größere Fahrzeuge der Molkerei H. Schroeter in die Lüneburger Heide. Birkenholz wurde oftmals im Walde geschlagen und sofort in den Tankkessel geschüttet. Wenn manchmal das Wasser aus dem Holzgaskocher tropfte, die Komnickmaschine lief trotzdem. Als es dann 1946/47 keine Reifen in dieser ausgefallenen Größe mehr gab, hatte auch für den Veteranen der Komnick-Werke im rettenden Westen die Abschiedsstunde geschlagen. 

Mit Einnahme der Stadt Elbing durch die Rote Armee im Januar/Februar 1945 endete die wechselvolle Geschichte der Firma Komnick in Elbing. 

Leider gibt es in unseren Museen keine Maschinen und Fahrzeuge der Firma Komnick zu sehen. Nur ein Sammler in Mecklenburg hat noch einen Schlepper von 1925, mit dem er noch gelegentlich fährt.

7. Teil oder Index


 Copyright Christa Mühleisen