Ernst Kossol - ein Elbinger Künstler
 von Christa Mühleisen

Während die Vorfahren väterlicherseits aus Ostpreußen stammten, führte Ernst Kossol seine Abkunft von der mütterlichen Seite her auf die Elbinger Niederung zurück. Er selbst  wurde am 21. Februar 1901 als Sohn eines Lokomotivführers in Osnabrück und seine Frau (Elsa geb. Oehmke) in Freiburg i. Br. geboren. Mit 4 Jahren kam er nach Elbing, wohin seine Eltern von Osnabrück über Marienburg zogen, und blieb dort bis zur Vertreibung. Sein Aufenthalt in der damals vorübergehend mit dem ganzen Regierungsbezirk  Marienwerder verwaltungsmäßig zu Ostpreußen geschlagenen Stadt dauerte also vier Jahrzehnte und war für die Entwicklung seiner künstlerischen Begabung bestimmend. In Elbing besuchte er die Volks-, Mittel und Oberrealschule und kam im Jahre 1916 zum Elbinger Bildhauer Otto Römer, der in der Traubenstraße wohnte, in die Holzbildhauerlehre.  Der deutsche Osten wurde für ihn die zweite wirkliche Heimat.  Als Bildhauergehilfe war er dann in verschiedenen Möbelwerkstätten tätig, zeichnete und malte aber schon damals, soweit es seine Freizeit zuließ.

Im Jahre 1919 lernte er den Kunstmaler Alexander Harder, einen Schüler von  Paul Emil Gabel (1876-1938) kennen. Dieser Bekanntschaft, die sich im Laufe der Zeit zu einer Freundschaft entwickelt hat, verdankt es Ernst Kossol, daß er sich fortan ganz der Malerei widmete. Beide studierten ein Jahr als Schüler von Professor Carl Albrecht an der Königsberger Kunstakademie.
Während Prof. Carl Albrecht 1927 für 10 Jahre nach Amerika ging, verbrachte Ernst Kossol ein Jahr in der Reichshauptstadt Berlin, wo er erfolgreich ausstellte und im Rheinland.  Anschließend war Kossol als freischaffender Künstler in Elbing tätig. Nachdem er schon 1924 die "Heldentafeln" für die Heilige Drei-Königskirche in Eichenholz geschnitzt hatte, war er weithin bekannt geworden. Das Jahr 1931 brachte dann den ersten wirklich großen Erfolg auf der Jubiläumsausstellung des Königsberger Kunstvereins. 



Blick auf Elbing, Federzeichnung von Ernst Kossol

Von diesen Jahren an ging es sichtlich weiter aufwärts. Ständig gab es neue Aufträge, zu denen die zahlreichen Kunstausstellungen in der Hansabuchhandlung kamen. Professor Dr. Ehrlich war ein besonderer Förderer Kossols. Auch von der Stadt Elbing erhielt Ernst Kossol zahlreiche Aufträge. So mußte er eine Reihe von Kopien von alten Gemälden aus dem Staatlichen Gymnasium herstellen. Für die städtischen Kunstsammlungen wurden viele seiner Werke angekauft. Fast alle öffentlichen Gebäude Elbings waren mit den Bildern Kossols geschmückt. So befand sich auch das Ölgemälde des alten "Rabchen" in städtischem Besitz. Es hing einmal in den Stadtwerken und zum anderen im neuen "Hotel Rabchen" an der Ecke Georgendamm/Johannisstraße, das im Kriege zerstört wurde.



"Das alte Rabchen" an der Ecke Johannisstraße/Georgendamm mit der Annenkirche im Hintergrund, nach einem Ölgemälde von Ernst Kossol, Zeven

1941 - 1942 wurde seine künstlerische Tätigkeit durch den Wehrdienst unterbrochen. Nach der Flucht kam er nach Zeven (Niedersachsen) und nahm dort seine Arbeit als Maler, Graphiker und Holzbildhauer wieder auf. Schwere Jahre folgten, aber sein Können hat sich durchgesetzt.

Auch in Zeven hat Kossol wieder vieles geschaffen, wie die Kunstausstellung 1973 dort bewies.
Zur Zeit der Ausstellung war Ernst Kossol 72 Jahre und malte noch fast täglich. Hier wurde vieles gezeigt, was er nach 1945 in Zeven neu geschaffen hat. Die meisten seiner Werke waren verkäuflich und bestens geeignet, manches Elbinger Heim in der Fremde würdig zu schmücken. Was aus den Kunstwerken von Ernst Kossol immer noch herausstrahlt, ist seine Liebe zur Natur, zu den Lebewesen und zur Heimat.



Evangelische Kirche in Kunzendorf, Kr. Marienburg, lav. Federzeichnung

Arnoldsdorfer Holzkirche im Kreis Briesen

Es waren alte Bauernhäuser zu sehen, Motive aus der Elbinger und der Danziger Niederung, das Haff mit der Haffküste, die Nehrung, Kurenkähne und auf fast allen Landschaftsbildern der Storch auf der Wiese oder auf dem Dach des Bauernhauses. Die Farbkompositionen erinnern in ihrer schlichten Leuchtkraft an die Farben unserer Heimat, wo der Himmel ein strahlenderes Blau zu haben schien und dadurch höher wirkte, während Ernst Kossols Blumenmotive und die dunklen Farben des Teufelsmoors und der Heide in brillantem Gegensatz dazu stehen.  "Alte und neue Heimat", könnte man sagen. 



Bekannte Elbinger Bauwerke und Sinnbilder

Einige Beispiele der Bilder sind: das wartende Land, Elbing 1237 - 1945 mit den Schichauwerken, dem Markttor, der Marienkirche, der Altstadt, dem Kamelhaus, dem Hafen und den Dampf- und Segelschiffen als das größte Gemälde der Ausstellung, ein Blick von der Niederung auf Elbing, Kurenkähne auf dem Haff, Blumenbilder, Skizzen aus der Studentenzeit, Reiseskizzen, Linoldrucke, die Heide bei Wilsede,  Fischerhaus in Narmeln, das alte Rabchen  in Elbing mit der Annenkirche im Hintergrund, die Enge Gasse in Elbing und die Herberge "zur Heimat" in Zeven.




Fischerhaus in Narmeln, lavierte Federzeichnung 



Fischerhaus in Narmeln nach einem Ölgemälde 



Die Enge Gasse (Kirchensteig) in Elbing, Pinselzeichnung

Alte Elbinger Hafenspeicher, rechts der Lampertspeicher

Tolkemiter Lommen im Elbinger Hafen vor den Gebäuden der Schichauwerft


Ernst Kossol war ein vielseitiger Künstler. Er handhabte den Zeichenstift ebenso, wie die Rötelkreide oder den mit vollsatten Ölfarben getränkten Pinsel. Die Holzbildhauerkunst wie auch die Aquarell- und Federzeichnung waren ihm gleichfalls vertraut. Aus seiner Elbinger Zeit stammt ein vielbeachteter Werbeprospekt, der auch seine Fähigkeiten als Gebrauchsgraphiker erkennen läßt.

Die "Kriegerehrung" der Kirche in Worpswede stammt von ihm. Eine graphische Arbeit an der landwirtschaftlichen Berufsschule des Kreises Bremervörde wurde ihm ebenfalls übertragen. Viele Elbinger haben Ernst Kossol im Laufe der vergangenen Jahrzehnte besucht und mancher hat von ihm ein Bild aus der Heimat erworben. Leider blieb sein wertvollster Besitz, ein Koffer mit Skizzen aus dem schönen Alt-Elbing mit vielen verwunschenen Ecken und Winkeln, an denen mancher achtlos vorüberging, in der Heimat zurück. Hätte er ihn gehabt, dann wäre in seinen letzten Lebensjahren gewiß noch manch schönes Bild aus Elbing und Umgebung entstanden.

Elbinger Nachrichten: Uelzen, November 1973, Text S. 3, Abb. S. 2 + 23.
Pudor, Fritz: Elbinger Malkunst seit 1740, Elbinger Hefte Nr. 28/29,
Essen: West-Verlag 1961, 111 Seiten, Text S. 100+101, Abb. S. 55.
Schuch, Hans-Jürgen: Elbing. Aus 750 Jahren Geschichte der Ordens-,
Hanse- und Industriestadt. Berlin/Bonn: Westkreuz-Verlag 1989,
168 Seiten, 2 Abbildungen S. 119.
Westpreußen-Jahrbuch 1955, hrsgg. von der Landsmannschaft Westpreußen,
Leer: Verlag Rautenberg & Möckel, mehrere Abb., 161 Seiten, Abb. S. 48
(oben und unten), S. 49 (unten), S. 96 (unten), S. 113 (unten).