Alte Mühlen im Preußenwald

Unweit der Stelle, wo die Liebe den Schloßsee in Richtung Marienwerder verläßt, liegt die vielbesuchte und malerisch gelegene Waldarbeitersiedlung Waldkathen. Verfolgen wir nun das Liebetal weiter, so erreichen wir nacheinander die Alte Walkmühle, die Neue Walkmühle und zuletzt die Schornsteinmühle. Jeder dieser Ortsteile der Gemeinde hatte seine Eigenart und sein Eigenleben. Zu einer dörflichen Gemeinschaft ist es in dem Gebiet des früheren Königswaldes, nach 1918 "Preußenwald" genannt, nie gekommen. Es fehlte die Mitte in Form einer Kirche oder einer Schule, es war eben nichts Gemeinsames vorhanden. Die Entfernungen zwischen den Siedlungen betrugen einen bis drei Kilometer. Dieses verträumte Waldtal mit seinem Begleitwald ist einer der landschaftlich  reizvollsten Winkel gewesen. Der Artenreichtum in der Tier- und Pflanzenwelt ist so mannigfaltig, wie er sonst nur selten vorkommt. Im Frühjahr bedecken farbige Teppiche von Leberblümchen, Anemonen, Seidelbast, Lungenkraut, Lärchensporn und vielem anderen den Boden der üppigen Eichen - und Hainbuchenwälder. Mitten durch diese hügelige Waldlandschaft plätscherte der Liebefluß mit seinem kristallklaren Wasser, seinen Bachforellen, Aalquappen und Krebsen. Krebse aus der Liebe waren eine besondere Delikatesse. Kein Wunder, daß das Liebetal und der herrliche Wald vom Frühjahr bis zur Laubverfärbung das Ziel vieler naturverbundener Menschen waren. Dazu boten die beiden Walkmühlen als erstklassige Gaststätten alles, was das Herz begehrte.

Die drei Mühlen im Preußenwald nutzten die Wasserkraft der Liebe, die dank der Wasserreserven aus Sorgen- und Schloßsee auch im Sommer genügend Wasser hatte.

Etwa 1919 schenkte die Stadt Riesenburg  (nicht der Staat) den Königswald/Preußenwald der Familie von Hindenburg und 1923 hat die Stadt als Zeichen dauernder Dankbarkeit dem Generalfeldmarschall Paul von Beneckendorff und von Hindenburg das Ehrenbürgerrecht verliehen.



Waldkathen




1. Waldkathen im Sommer
 Rechts am Steg war die Anlegestelle für den Fischerkahn.

In der Landkarte von 1921 sind in der Siedlung sechs Gebäude eingezeichnet. Das Alter der Siedlung und auch deren Einwohnerzahl ist leider nicht genau zu ermitteln. Aus den Unterlagen der katholischen Pfarrgemeinde in Riesenburg geht hervor, daß die Waldkathen bereits in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bestanden haben. Dort tauchte auch die polnisch-prussische Bezeichnung "Liszki" auf. Vermutlich wurde die Siedlung schon im Mittelalter gegründet. Der Name "Liszki" stammt aus dem Prussischen. So wurde zur Ordenszeit ein prussischer Marktflecken bezeichnet. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde angenommen, daß gerade in dem Bereich der Waldkathen der legendäre Fluchtstollen lag, der vom  Riesenburger Schloß unter dem Schloßsee verlief. Heute befinden sich an dieser Stelle nur noch größere Schuttansammlungen und beiderseits der Liebe die Überbleibsel der ehemaligen Brücke und einige verwilderte Apfelbäume. 




2. Die Liebe und Bäume des Prußenwaldes
zwischen dem Schloßsee rechts und Waldkathen links gelegen.





3. Waldkathen im Winter 1942
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Vorne sieht man die Liebe, einen Nebenfluß der Weichsel, die von rechts, vom Schloßsee kommend, in Richtung Marienwerder weiterfließt. Im Hintergrund stehen die Bäume des Preußenwaldes. 1978 war es unmöglich, die Siedlung auf dem Landweg zu erreichen. Da es geregnet hatte, waren die Wege total verschlammt, so daß man sie nicht benutzen konnte.

Alte Walkmühle

Die Alte Walkmühle war eine friderizianische Gründung für das Walken von Militärtuch. Sie war später das einzige Sägewerk im Preußenwald und betrieb eine Gaststätte mit Landwirtschaft. Die Fischgerichte, besonders Aal in Gelee waren einmalig, auch die Waffeln, die Frau Mohnwitz gebacken hat, waren eine Köstlichkeit.



4. Gruß aus der Alten Walkmühle bei Riesenburg (27.5.10)




5. Restaurationsgarten (Ausschnittvergrößerung)




6. Schneidemühle (Ausschnittvergrößerung)




7. Mahlmühle (Ausschnittvergrößerung)



 8. Auf dieser Ansichtskarte (29.7.1912) sind die Schneidemühle und das Wald-Etablissement "Alte Walkmühle" zu sehen.

Da von der Liebe Wasser für die Turbine benötigt wurde, um Strom für das  Holzsägewerk, die Mahlmühle, das Restaurant und private Einrichtungen zu erzeugen, lagen der Garten und die Liegewiese auf einer kleinen Insel, die auf beiden Seiten von der Liebe eingeschlossen war. Man hörte nur das leise, angenehme Plätschern der Wellen. Der letzte Eigentümer war Fritz Mohnwitz. Im Jahr 1976 war von der ganzen Anlage nichts mehr zu erkennen. 




9. Alte Walkmühle
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Dieser Anblick bot sich, wenn man von Waldkathen oder vom Bahnhof Gunthen kam. Links im Bild die Schleuse, im Hintergrund das Sägewerk. Jetzt sieht man nur noch Wasser, Geröll und mit Strauchwerk überwucherte Landschaft.




10. Alte Walkmühle - Blick vom Garten zum Lokal




11. Alte Walkmühle -
Dieser Anblick bot sich, wenn man von der Chaussee Riesenburg - Marienwerder kam. Von diesem schönen Ausflugsort ist nichts übriggeblieben.



Neue Walkmühle

Auch die Neue Walkmühle war eine friderizianische Gründung für das Walken von Militärtuch. Die ursprüngliche Anlage brannte ab. 1927 wurde in die Walkanlage eine moderne Zwillingsturbine eingebaut. Hiervon sowie von den übrigen Anlagen ist nichts geblieben. Die Steinbrücke in der Mitte der Liebe ist gesprengt worden. Seit neuester Zeit  gibt es allerdings wieder ein Wasserkraftwerk. Es ist mit moderner Technik ausgestattet. Die Anlage wird heute als "Liebefluß-Stauwerk an der Neuen Mühle"  bezeichnet. 



12. Diese handkolorierte Ansichtskarte von der Neuen Walkmühle wurde am 22.8.1912 in Riesenburg gestempelt und nach Danzig geschickt.




13. Nach dieser Ansichtskarte von der Neuen Walkmühle (23.6.1942) entstand das folgende Gemälde von Heinz-Walter Stetten. 




14. Das Kurhaus Neue Walkmühle, die Perle des Preußenwaldes,
Anfang der dreißiger Jahre nach dem Umbau. Heute erinnert nichts mehr an die Neue Walkmühle. 

In der Neuen Walkmühle befand sich ein Restaurationsbetrieb mit Kurort-Charakter. Die Besitzer seit Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Familie Holzt und dann später die Familie Prott. Dieser Erholungsort befand sich 6 km von Riesenburg entfernt. Das Anwesen, wenn auch seit der Jahrhundertwende bewirtschaftet, erlangte seine wirtschaftliche Blüte erst gegen Ende der 20er Jahre. Anfang der 30er Jahre wurde das Restaurant zu einem Hotel mit 30 Zimmern und 60 Betten erweitert. Diese Erholungsstätte war über die Grenzen Riesenburgs hinaus bekannt. Gäste aus der westpreußischen Region und hauptsächlich aus Danzig sorgten sogar in den Wintermonaten für ausgebuchte Zimmer. An Wochenenden und Feiertagen konnte man 2000 bis 3000 Tanzlustige bei den hier so beliebten Tanzveranstaltungen sehen.




15. Neue Walkmühle (ca. 1925) mit Garten und Musikpavillon.

Im Jahre 1939 wurde eine Freilichtbühne errichtet. Mit Shakespeares "Sommernachtstraum", aufgeführt von einer Elbinger Schauspieltruppe, wurde die Freilichtbühne eröffnet. Es wurden dabei 4500 Eintrittskarten verkauft. Zur Erholungsstätte gehörte auch eine herrliche Gartenanlage.  Gegenwärtig findet man nur noch  mit Gestrüpp zugewachsene Ruinenreste der einst so schmucken Erholungsstätte.



16. Diese Ansichtskarte (14.7.1931) mit der kleinen Brücke bei der Neuen Walkmühle diente als Vorlage für das folgende Gemälde von Heinz-Walter Stetten.




17. Neue Walkmühle (ca. 1932), nach einem Gemälde von Heinz-Walter Stetten
  Die kleine Brücke, die hauptsächlich aus Birkenstämmen bestand, führte vom Garten über die Liebe zum Preußenwald. 


Schornsteinmühle

Ungefähr sechs Kilometer von Riesenburg im Preußenwald und an der Liebe lag eine Wassermühle mit großem Schornstein, der dem Mühlengut den Namen Schornsteinmühle gab. 

18. Das Gutshaus Schornsteinmühle

Die deutsche Namensgebung stammt aus einer Zeit, als bei einem Großfeuer  das Wohnhaus vernichtet wurde, die Mühle aber verschont blieb und auch der zwischen Haus und Mühle festgemauerte riesige Schornstein aller Hitze standhielt. Die Schornsteinmühle war eine Mahl- und Schrotmühle mit 450 Morgen Ackerland, das sich seit ca. 1722 im Besitz der Familie Holzt befand. Der Gutsbetrieb hatte durch die Mühle und das später eingebaute Elektrizitätserzeugungswerk eine wesentliche Einnahmequelle. Dank seiner günstigen Lage, von drei Seiten mit Wald umgeben, hatte Schornsteinmühle ein ideales Jagdgebiet. Für das Großvieh war die Liebe Tränke und Schwemme zugleich und auch das Wassergeflügel konnte hier prächtig gedeihen. 



19. Schornsteinmühle - Waldpartie mit Schleuse.

Da das Gefälle des Flusses aufgrund der geringen Reliefenergie dieser Landschaft klein war, durften die vom Wiesenbauamt in Rosenberg festgelegten Staumarken nicht überstaut werden, sonst gab es Proteste vom Oberlieger. Aber trotz des relativ geringen Gefälles wurden die drei Liebe-Mühlen im Preußenwald als Stromlieferanten an das Westpreußische Überlandwerk angeschlossen. Das Vorwerk mit Mühle besteht heute nicht mehr, den Krieg überstand nur die Staustufe des Liebeflusses. 1976 waren nur noch Reste der zerstören Schleuse vorhanden.
Noch heute kann man die Reste einer alten aus Kopfsteinpflaster bestehenden Zufahrtstraße erkennen. Hier wurde ein Wasserkraftwerk und eine Brücke über den Fluß gebaut. Der Fluß wurde im Staubereich des Kraftwerkes wesentlich ausgebaggert. In der Nähe wurde ein Wanderparkplatz und ein Campingplatz eingerichtet.

Textnachweis:

Heimat-Kurier, Heimatzeitung für den ehem. Kr. Rosenberg/Wpr., hrsg. von K.- H. Damrow, Hannover: Nov./Dez. 1984, S. 50.
Müsse, Alfred: Der Kreis Rosenberg - ein westpreußisches Heimatbuch, Detmold, Verlag Hermann Bösmann 1963, mehr. Abb., 633 Seiten, S. 514-517.
Pilewski, Piotr: "Die Geheimnisse des Marienwerder Forstes" im
Heimat-Kurier, Heimatzeitung für den ehem. Kr. Rosenberg/Wpr., hrsg. von K.- H. Damrow, Hannover: Jan./Febr. 2004, S. 69-72.
Zebrowski, Werner: "Erinnerungen an Riesenburg vor 1945," viele Abb, 96 Seiten, S. 78-84.

Bildnachweis:

Zebrowski, Werner: "Erinnerungen an Riesenburg vor 1945," viele Abb, 96 Seiten, Abb. 1-3 und 9-11, 14, 15, 17-19.
Die Ansichtskarten Nr. 4-8, 12, 13+16 sind aus der Sammlung von Christa Mühleisen.


22.08.05 - a