in historischen Ansichtskarten


Tolkemit - Tolkmicko - Teil 1

Stadtgründung und Schifffahrt


Die Stadt Tolkemit liegt etwa in der Mitte zwischen den beiden Städten Elbing und Braunsberg direkt am Frischen Haff und gehörte zum westpreußischen Landkreis Elbing, der von 1920 bis 1939 der Provinz Ostpreußen zugeordnet war. Nach 1945 erhielt die Stadt von der polnischen Verwaltung den Namen "Tolkmicko."




Bild 1: Elbing und seine Landschaft - ein Federzeichnung von Ernst Kossol




Bild 2: Alte Lithografie von Tolkemit mit Stempel vom 13.8.1899 und folgenden Motiven: Hafen, Panorama mit Blick zum Haff und rechts eine Abbildung der St. Jakobuskirche.




Bild 3: Blick auf Tolkemit und das Frische Haff

Wann Tolkemit begründet ist, lässt sich nicht genau sagen. Dass eine Ansiedlung hier in der Preußenzeit schon bestand, darauf deutet nicht nur der Name, der altpreußischen Ursprungs ist, sondern darauf weisen auch die zahlreichen Funde aus vorgeschichtlicher Zeit hin, die bei Tolkemit gemacht worden sind, vor allem aber der Burgwall, die Tolkemita, die südöstlich der heutigen Stadt liegt.

Die Stadt Tolkemit erhielt ihre Handfeste (Gründungsurkunde), die leider nicht mehr erhalten ist, etwa um 1296, als Ludwig von Schippe, der der Stadt ihre Handfeste ausgestellt hat, zunächst Komtur von Elbing und späterhin Landmeister von Preußen war. 1351 wird in einer Erneuerung der Handfeste Tolkemit das Stadtrecht eingeräumt und ihnen kulmisches Recht und 100 Hufen Land gegeben. Als Zeugen nennt diese für die Stadt Tolkemit so bedeutungsvolle Urkunde u. a. den Großkomtur Winrich von Kniprode (1352-1382). Ihm verdankte Tolkemit auch das Wappen mit Eichenstaude und Blättern, das später durch ein schwarzes Kreuz über den Eichenblättern ergänzt wurde. Am 25. Mai 1359 verlieh der Elbinger Komtur Ortolf von Trier den Bürgern von Tolkemit und den Einsassen von Neuendorf Fischereigerechtigkeit auf dem Frischen Haff. 1444 wurde eine neue und erweiterte Handfeste durch den Hochmeister des Ordens ausgestellt.

Die ersten Befestigungen der Stadt bestanden aus hölzernen Palisaden, die im Mittelalter durch eine Stadtmauer mit Wehrtürmen ersetzt wurden. Später trug man die Mauer und auch andere Gebäude, wie das sogenannte Schloss auf dem Amtsberg wieder ab und verwendete die Steine zum Bau von Häusern. Nur Reste der Stadtmauer und ein Turm sind als Zeitzeugen erhalten geblieben.



Bild 4: Blick auf Tolkemit
- Totalansicht von Osten (handkoloriert)


Bild 5: Diese Aufnahme entstand etwa 1936.

Mit dem deutschen Orden kam auch der katholische Glaube in das Land. In Tolkemit wurde 1344 eine Holzkirche erbaut, die aber bald durch eine Kirche aus Stein ersetzt wurde. Sie wurde am 26. Oktober 1376 von Heinrich Soerbaum, dem Bischof des Ermlandes dem siegreichen Kreuz und zu Ehren der Jungfrau Maria und dem Apostel Jakobus geweiht. Da die Zahl der katholischen Gläubigen ständig stieg, entschloss man sich im Jahre 1900 zu einer Vergrößerung der Pfarrkirche St. Jakobus zur Kreuzform.


Bild 6: Diese Karte wurde am 26.8.1903 gestempelt. Links sieht man das Innere der katholischen Pfarrkirche St. Jakobus und rechts das Kaiserliche Postamt




Bild 7: Das Innere der katholischen Pfarrkirche St. Jakobus mit dem Hochaltar


Bis 1466 war Tolkemit eine deutsche Ordensstadt und von 1466 - 1772 eine Starostei. In der Zeit von 1508 - 1569 gehörte Tolkemit zum Bistum Ermland. Die Reformation konnte sich deshalb so nicht auf die Stadt ausbreiten. Erst im 18. Jahrhundert entstand eine kleine evangelische Gemeinde. Sie erhielt 1887 an der Stelle des früheren Fischertores eine eigene Kirche mit dem Namen "Zum Kripplein Jesus".



Bild 8: Tolkemit um 1750: links ist die Jakobuskirche zu sehen und rechts die Starostei

Es folgten sehr bewegte Zeiten. Immer wieder zogen fremde Heerscharen am Haff entlang. Sie plünderten und brandschatzten die Stadt, die ohne wirksame Verteidigung war. Im 16. und 17. Jahrhundert besetzten zuerst die Polen und dann die Schweden die Stadt, bevor sie nach der 1. polnischen Teilung 1772 an Preußen gelangte. Die Starostei wurde daraufhin in ein königliches Domänenamt umgewandelt. Die Preußen holten Glaubensverfolgte aus Österreich, Holland, Frankreich und der Schweiz ins Land, um einen Ausgleich für die durch mehrere Epidemien stark reduzierte Bevölkerung zu schaffen. 

Zu Tolkemit gehörten die Vorwerke Kickelhof, Rückenau und Dünhöfen und die Dörfer Neukirch-Höhe, Conradswalde, Hütte, Haselau, Maibaum und Klakendorf.



Bild 9: Ansichtskarte von Neukirch, Kr. Elbing (16.08.1907)

Nach dem Anschluss an Preußen begann für Tolkemit eine langsame, aber stetige positive Entwicklung.

Eine bedeutende Rolle spielte seit den frühesten Zeiten in Tolkemit der Fischfang und die Frachtschifffahrt. Die Tolkemiter waren als kühne Seefahrer bekannt, die mit ihren kleinen Fahrzeugen, Schoner (mit 2 Masten) und Lommen (mit nur einem Mast) benannt, weite Fahrten unternahmen. 1862 wurde mit dem Bau des Hafens begonnen, der 1883 erweitert wurde. Das hatte einen großen Aufschwung der Frachtschifffahrt mit den Tolkemiter Lommen zur Folge, die auf den ortsansässigen Werften gebaut wurden.



Bild 10: Blick auf die Werft (19.9.1917)


Die Tolkemiter Lomme hatte einen breiten flachen Rumpf, der große Räume zur Aufnahme der Ladung enthielt, mit einem breiten entenbrustartigen Bug.  Der Rumpf war in Klinkerbauweise ausgeführt, d. h. die Planken waren schindelförmig übereinander gefügt. Die Schwerter an den Bordwänden zu beiden Seiten verstärkten noch den Eindruck einer Ente. Mit ihrer Hilfe  konnte der Kurs während der Fahrt stabilisiert werden. Die Lommen waren mit Gaffelsegel, Fock und Klüver getakelt. Sie transportierten Frachten vom Hafen Tolkemit über das Frische Haff zu den größeren Häfen Königsberg, Pillau, Peyse und zu kleineren Häfen an der Haffküste, sowie über die Flüsse und Kanäle nach Elbing und Danzig. Geladen wurden in der Hauptsache die heimischen Erzeugnisse und industriellen Produkte.




Bild 11: Eine Federzeichnung von Moritz Graf von Schall - Riaucour

Am 18. und 19. April 1903 wurden mehrere Tolkemiter Schiffe, die nach Rügen fuhren, Opfer eines Sturmes. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte Tolkemit noch 120 Schiffe, bis 1925 aber waren beinahe 2/3 davon entweder verkauft worden oder waren verfallen. In der Mitte der 20er Jahren hatte Tolkemit also nur noch 25 Schoner, 15 Lommen und 3 Kurkähne, welche letztere davon ihren Namen haben, dass sie hauptsächlich auf dem Kurischen Haff in Gebrauch waren. Sie haben eine besondere Form, die sie weithin leicht erkennbar macht. Viel Beschäftigung fanden die Tolkemiter Schiffer durch das "Steinzangen". Weit draußen vor der Küste hoben sie mit speziellen Zangen die schweren Steine aus dem Meer, die von den Hafenbauämtern gut bezahlt wurden. Der Tolkemiter Hafen wurde auch mit diesen Steinen gebaut. In Küstennähe  mussten  sie aber zum Wellenbrechen liegen bleiben.

Zuletzt waren noch mehr als 50 Lommen und Schoner in Tolkemit beheimatet. Der größte Teil davon wurde 1945 zerstört oder von den Russen als Kriegsbeute nach Königsberg gebracht.



Bild 12:  Blick auf Hafen und Stadt - im Hintergrund die St. Jakobuskirche




Bild 13: Hafen mit Blick auf die Stadt




Bild 14: Lommen im Tolkemiter Hafen, dem einst größten Segelbinnenhafen Europas. 




Bild 15: Fischerboote vor der Ausfahrt

Neben der Fischerei blühten besonders drei Erwerbszweige in Tolkemit: Die Störkocherei, die Kaviarbereitung und die Fischräucherei. Der Tolkemiter Kaviar hatte einstmals sogar einen bedeutenden Ruf. Im Anfang des 19. Jahrhunderts   gab es in Tolkemit vier Stör- und Räucherbuden. Die in Cadinen bestehende Störbude wurde von Tolkemit aus bewirtschaftet. Das Rohmaterial wurde von der Weichsel und der Danziger Nehrung bezogen. Außerdem wurde in Tolkemit  mit Fischernetzen gehandelt.




Bild 16: Ein Fischer bei der Netzpflege auf dem Trockenplatz vor dem Hafen


Von den Handwerken wurden besonders Töpferei und Böttcherei betrieben. Ihre Erzeugnisse genossen einen besonders guten Ruf in Altpreußen. Jedes dieser Gewerke hatte 30 bis 40 Meister. Die wohl stärkste Arbeitsgruppe in der Bevölkerung stellten die Ziegeleiarbeiter mit zeitweise mehreren Hundert Frauen und Männern, die bei den Ziegeleien in Cadinen, Panklau, Succase und Reimannsfelde beschäftigt waren. Von besonderer Bedeutung war seit jeher die Landwirtschaft. Viele kleine Familienbetriebe beschäftigten mehr als 700 Personen. Zu erwähnen sind auch noch die Schiffswerft und das Sägewerk, die Amtsmühle und die Marmeladenfabrik.

1920 führte der verlorene 1. Weltkrieg Tolkemit zu einer schweren  wirtschaftlichen und kulturellen Krise. Nach einer langsamen Erholung folgte ein erneuter Niedergang durch die Weltwirtschaftskrise mit großer Arbeitslosigkeit und Armut. Ab 1933 stabilisierte sich die Lage und die Arbeitslosigkeit ließ nach.

Wie auf dem folgenden Briefumschlag zu sehen ist, gab es in den 40er Jahren in Tolkemit zwei Niederlassungen des "Hamburger Kaffee-Lagers": Am Markt Nr. 1 und Hinterhaken 5. Inhaber war Kurt Jorzig.



Bild 17: Geschäftspost des Hamburger Kaffee-Lagers von Tolkemit nach Elbing (7.8.1944)

Es folgen weitere alte Ansichten von Tolkemit:




Bild 18: Das 1901 erbaute Krankenhaus (etwa um 1905)




Bild 19: Die Elbing-Straße oder Elbinger Straße - oberer Teil um 1908




Bild 20: Frauenburgerstraße um 1910




Bild 21: Alte Giebel- und Vortreppenhäuser der Turmstraße (11.10.1941)

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