Tolkemit - Tolkmicko - Teil 3 Das Deutsche Haus in Tolkemit
- HUB - das Ende 1945 Gemessen an der Zahl der erwachsenen Einwohner besaß
Tolkemit die beachtliche Anzahl von 11 Gaststätten. Jede dieser
Gaststätten hatte ihre eigenen Gäste. So gab es klare Abgrenzungen,
wohin die Schiffer und Fischer gingen, die Handwerker, die
Ziegeleiarbeiter oder wo der Ausspann der Kirchenbesucher aus
Conradswalde und Neuendorf stattfand. Es ist schon beachtlich, dass alle
Gaststätten ihr Auskommen hatten.
Bild 38: Partie am Marktplatz - aus einem anderen Blickwinkel, ca. 1910 Mit dem Eisenbahnanschluss durch die Haffuferbahn (HUB) im Jahre 1901 kamen noch mehr Hotelgäste nach Tolkemit Bild 39: Diese Ansichtskarte vom Haffuferbahnhof entstand etwa um 1919 Bild 40: Auf dieser Tolkemiter Karte sieht man den Haffuferbahnhof und zwei Wagen der Haffuferbahn. Die Bahnstrecke verläuft von Elbing nach Frauenburg und Braunsberg am Frischen Haff. Da das Fahrgastaufkommen in der heutigen Zeit sehr gering ist, fährt jetzt statt einer Lok mit mehreren Waggons nur noch ein Schienenbus und ab und zu ein Nostalgiezug.
Nach dem Tode von Eduard Berlin führte Anna Berlin mit
ihrer Schwester den Betrieb weiter. Besonderen Zuspruch fanden Hotel und
Gastwirtschaft in den Sommermonaten, wenn die Menschen aus dem
Binnenland kamen, um mit dem Dampfer weiter nach dem Ostseebad Kahlberg
zu fahren Bild 43: Der Kahlberg-Dampfer "Tolkemit" verlässt den Tolkemiter Hafen Zusätzlich gab es weiteren Auftrieb, wenn Kaiser
Wilhelm II. mit seiner Familie nach Cadinen kam. In Tolkemit ging dann
das Wach-Bataillon in Quartier. Im "Deutschen Haus" war zu
dieser Zeit Hochbetrieb. Die Offiziere des Bataillons und das
Bahnpersonal des Kaiserzuges, der auf einem Abstellgleis des Tolkemiter
Bahnhofs stand, kamen hier zum Essen. Mit dem Ende des Sommers waren
dann die guten Geschäfte wieder vorbei. Die Konkurrenz in Tolkemit
wuchs. Andere Gastwirtschaften eröffneten und die immer schwierigere
Geschäftslage zwang Anna Berlin im Juli 1914 das "Deutsche
Haus" zu verkaufen. Wegen des Krieges wurde das Haus dann
geschlossen und alle Fenster mit Brettern vernagelt. Bild 44: Das "Deutsche Haus" nach dem Umbau vor dem
Zweiten Weltkrieg In dem neuen Stockwerk entstand ein Saal, in dem
besondere Veranstaltungen stattfinden konnten (Schlacht- und
Bockbierfeste, u. ä.). Der Besitzer Gustav Pillukat, der auch
Stadtverordneter war, baute in das Haus auch ein "Ratsstübchen"
ein, wo man auch den großen "Tolkemiter Aal" an der Decke
bewundern konnte. Hier vergnügte sich der Rat der Stadt, wenn er nach
getaner Arbeit aus dem gegenüber liegenden Rathaus kam.
Bild 45: Der Riesenaal und das Tolkemiter Bier Hans-Jürgen Schuch schrieb dazu: "Nach einer Sage
wurden die Fischer der am Frischen Haff gelegenen Hafenstadt Tolkemit
von einem Riesenaal geschädigt, bis er zu viel Tolkemiter Bier trank,
einging und an die Kette gelegt wurde."
Es handelte sich um das in Tolkemit gebraute Bier mit dem Namen
"Brüllkater."
Leider verstarb Gustav Pillukat früh und hinterließ
eine Witwe und drei Söhne. Mit ihren Schwestern führte Frau Pillukat
das "Deutsche Haus" weiter. Das Hotel und die Gaststätte
erfreuten sich steigender Beliebtheit. Hier war oft über mehrere Monate
im Sommer das Hauptquartier der Altertumsforscher um Prof. Ehrlich aus
Elbing, wenn sie auf der "alten Burg", mit ihren Ausgrabungen
die vielfältigen Spuren der Frühgermanen verfolgten. Im Zuge der
beginnenden Motorisierung entstand an der rechten Seite zur Kirchenstraße
eine Zapfstelle für Auto-Kraftstoff. Es war die einzige Tankstelle in
weitem Unkreis. Das Ende 1945 Am 25. Januar 1945 begann das langsame Ende des alten Tolkemit. Die Russen kamen über die Chaussee von Neukirch-Höhe in die Stadt. Vierzehn Tage dauerte der Kampf um Tolkemit. Da die Russen mit ihrem Durchbruch zum Haff die deutschen Truppen vom Westen abgeschnitten hatten, versuchten diese entlang der Haffküste den Gürtel zu sprengen. Mitten in den Kampfhandlungen lag Tolkemit. Zuerst waren nur wenige Tolkemiter über das Eis geflohen. Nachdem die Stadt abermals den Besitzer gewechselt hatte, gingen weitere Tolkemiter am 7. Februar in Richtung Wiek und dann über das Haff auf die Nehrung. Sie folgten den abziehenden deutschen Soldaten. Es sollten für längere Zeit die letzten Menschen sein, die Tolkemit verlassen konnten. Die Verbleibenden erlebten ein wahres Märtyrium. 1946/47 wurden die letzten Deutschen aus Tolkemit vertrieben.
Wie fast alle Gebäude rund um das alte Rathaus am Markt, ging auch das "Deutsche Haus" in Tolkemit bei den Kriegshandlungen Ende Januar 1945 verloren. Wie durch ein Wunder blieb die Pfarrkirche St. Jakobus fast unbeschädigt. 1945 ist aus dem deutschen Tolkemit das polnische Tolkmicko geworden. In Tolkemit wurden überwiegend Menschen angesiedelt, die ebenfalls von den Russen von der polnischen Ostgrenze vertrieben wurden. Textnachweis: Bildnachweis: Copyright Christa Mühleisen |