Westpreußische Unternehmer - von Christa Mühleisen -


1. Loeser & Wolff  Cigarren       

   

Mitten durch die Stadt verläuft die Reichsstraße 1, hier vorbei an der größten Zigarrenfabrik Europas, Loeser & Wolff, in Richtung Königsberg. Im Hintergrund steht an der rechten Straßenseite das Gebäude des Staatlichen Gymnasiums. (Schuch, Hans-Jürgen: Elbing in alten Ansichtskarten, Würzburg: Flechsig Verlag 1988, 95 Seiten)

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1. Loeser & Wolff (von Christa Mühleisen)

Die Zigarrenfabrik von Loeser & Wolff war eine der ersten industriellen Unternehmungen nicht nur in Elbing, sondern im Osten des Deutschen Reiches überhaupt, wo noch am Ende des 19. Jahrhunderts nur wenig Industrie vorhanden war.

Die Gründung der Stammfirma in Berlin erfolgte am 1. Juli 1865 durch Bernhard Loeser und Karl Wolff, die in dem sogenannten Ochsenkopf am Alexanderplatz ein Zigarren-Handelsgeschäft errichteten. Karl Wolff 
widmete sich dem Kleinhandel, während Bernhard Loeser auf Reisen ging, um Großkunden zu gewinnen und dadurch den Absatz zu vergrößen.

Auf einer seiner Reisen kam er auch nach Elbing, wo er am 20. Januar 1874 als Teilhaber in eine kleine Zigarrenfabrik eintrat, die Jean Kohlweck gehörte und danach "Kohlweck & Loeser" hieß. Er benötigte eine Produktionsstätte für die Berliner Firma, die inzwischen 5 Filialen hatte, um die Waren selbst herstellen zu können. Diese Fabrik in der Königsberger Straße (später Loeserstraße) hatte als Arbeitsfläche ca.
300 qm und beschäftigte 39 Mitarbeiter. Noch im gleichen Jahr (1874)  wurde der erste Neubau errichtet. 4 Jahre später kaufte Bernhard Loeser die Fabrik und nahm den Namen seines Berliner Teilhabers in den 
Elbinger Firmennamen auf. Seitdem hieß das Werk "Zigarrenfabrik Loeser & Wolff".

In dem jungen 20jährigen Franz Wilhelm Pamperin, den Bernhard Loeser bei seinem Eintritt vorfand, hatte er einen Mitarbeiter, der in mehr als 50jähriger Leitung die Fabrik zu einem Unternehmen von Weltruf machte.

Ende 1905 beschäftigte die Firma in Elbing etwa 3000 Personen. Mehr Arbeitskräfte gab es in Elbing nicht. Es wurden überwiegend junge Mädchen und Frauen beschäftigt. Als der Lehrlingsbedarf 1885 nicht 
mehr gedeckt werden konnte, wurde ein Zweigbetrieb in Braunsberg errichtet, 1906 ein weiterer in Marienburg und 1910 ein Betrieb in Pr. Stargard, also 3 Fabriken in Westpreußen und eine in Ostpreußen. In Bremen bestand bereits 1896 ein kleinerer Betrieb. 

1907 waren in sämtlichen Betrieben 3869 Personen beschäftigt, davon in Elbing 3280. Im Kriegsjahr 1916, vor Gründung der Deutschen Tabakhandelsgesellschaft in Bremen und der allg. Tabakbewirtschaftung,
arbeiteten bei Loeser & Wolff 4983 Personen, allein in Elbing 3740. Im Geschäftsjahr 1915/16 wurden in den 4 Fabriken 194 500 000 Zigarren hergestellt. Die höchste Wochenproduktion war mit 4 Millionen erreicht,
gegenüber 26 700 im Jahre 1874. Als Bernh. Loeser starb, produzierten in seinen Betrieben mehr als 3000 Arbeiter und Arbeiterinnen etwa 2000 000 Zigarren in der Woche.



Die Nutzfläche in Elbing wurde im Lauf der Jahrzente von 300 qm auf 24 400 qm erweitert und mit neuen Fabrikanlagen versehen. Das große Frontgebäude an der Königsberger Straße entstand 1883. Der noch zu
Lebzeiten Loesers begonnene sehr große Tabakspeicher für die Schiffsladungen aus allen Tabakanbaugebieten der Welt wurde vollendet. 

Loesers Schwiegersohn, Oberregierungs- u. Baurat Alfred Sommerguth, übernahm die Oberleitung der Firma. Weitere Neubauten wurden errichtet. 1909 bekam die Hauptfabrik in Elbing einen Anschluß an das
Gleis der Haffuferbahn. Die Berliner Lagerräume erhielten ebenfalls einen Gleisanschluß an den Schlesischen Bahnhof, so daß einer direkten Verbindung nichts mehr im Wege stand.

Das Areal der Elbinger Fabrik erstreckte sich zwischen Prediger-, Königsberger und großer Ziegelscheunstraße (ab 1899 Loeserstraße,nach 1933 Zigarrenmacherstraße). Ursache für diese gewaltige Expansion war die preiswert gelieferte Qualität, Zigarren in allen Preislagen und Geschmacksrichtungen. Es gab mehr als 120 eigene Verkaufsniederlassungen in Berlin, Elbing und in ganz Deutschland.

1921 wurde eine Rauchtabakfabrikation eingerichtet, die Firma in eine GmbH umgewandelt und beide bisher selbständigen Firmen, das Berliner Stammhaus und die Produktionsbetriebe mit Sitz in Berlin vereinigt. Das Zweigwerk in Pr. Stargard wurde nach Kriegsende polnisch.

Als die Firma 50 Jahre alt war (1924), leitete das Hauptwerk immer noch der ehemalige Lehrling Pamperin aus Berlin. Der inzwischen 70jährige Fabrikdirektor erhielt eine lebenslängliche Anstellung. Walter E. Beyer wurde später alleiniger Firmeninhaber.

Die Firma Loeser & Wolff zeichnete sich durch soziale Haltung gegenüber den Beschäftigten und der Allgemeinheit aus. Loeser hatte schon in den Anfangsjahren Arbeiterinnen und Arbeiter prämiert, 1884
eine Altersversorgungskasse gegründet um im Dienst seiner Firma alt oder arbeitsunfähig gewordene Betriebsangehörige vor Not zu schützen. Beiträge erhob er nicht.  Als die staatliche Invaliditäts- und Altersversicherung 1889 eingeführt wurde, übernahm Loeser den Gesamtbetrag. Die Betriebskrankenkasse
war vorbildlich. Sie gewährte bis zu einem Jahr Unterstützung und stellte mehrere Ärzte zur freien Auswahl. Neben der Berufsgenossenschaft gab es die firmeneigene Unfallversicherung, eine Fabriksterbekasse, eine
Fortbildungsschule, eine Fabrikküche und eine Fabriksparkasse, die Sparguthaben mit 8% verzinste.



Loeser & Wolff war die größte Zigarrenfabrik Europas. 1880 zeigte Loeser die Elbinger Zigarren auf der Weltausstellung in Melbourne, wo sie mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurden. Auch in den nächsten Jahren gewann die Firma mehrmals die goldene Staatsmedaille. Im Jahr 1895 wurde Bernhard Loeser zum Königlichen Kommerzienrat ernannt.



Im Winter 1922/23 mußte der Betrieb einige Monate schließen und auch in den Jahren danach gab es Probleme, aber dann ging es wieder aufwärts. Für Elbing war die Fabrik stets ein Segen. Sie wuchs durch den
immer größer werdenden Absatz und mit der Elbinger Eisenindustrie, die viele Menschen nach Elbing zog. 

Von den Loesermädchen sprachen alle. Beeindruckend war, wenn sich zum Feierabend die Fabriktore öffneten und die vielen tausend Frauen, meist lachend und fröhlich, heimwärts gingen.

Alle großen Gebäude von Loeser & Wolff in der Königsberger Straße stehen jetzt leer. Die dort nach 1945 produzierende Textilfabrik "Truso" gibt es nicht mehr.

( Elbinger Nachrichten, Münster: Juli 1999 )
(
Lockemann, Theodor: Elbing. Mit einem Vorwort v. Oberbürgermeister Dr. Merten -Deutschlands Städtebau-, hrsgg. vom Magistrat von Elbing, mit zahlreichen Abbildungen, Berlin-Halensee, Deutscher Architektur- und Industrieverlag, 1926, 200 Seiten.)

(Schuch, Hans-Jürgen: Elbing: aus der Geschichte der Ordens- und Hansestadt, zahlreiche Abb., -Ostdeutsche Städtebilder-,
Berlin/Bonn: Westkreuzverlag, 1989, 168 Seiten.)




2. a) Schichau-Werft

 

2.SMS Elbing (Seiner Majestät Schiff Elbing)

Die SMS Elbing sollte eigentlich von der Danziger Schichauwerft für die russische Marine gebaut werden. Bei der Kielweihe (eine russische Sitte) erhielt der Kreuzer zuerst den Namen "Admiral Newelski". Das Schiff war noch nicht fertig, als im August 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach. Das hatte zur Folge, daß das Schiff als Feindbesitz beschlagnahmt wurde. Am 21.11.1914 lief die "SMS Elbing" (ehemals  "Admiral Newelski") in Danzig vom Stapel.


Wegen Geschütztechnischer Probleme erfolgte der 1. Einsatz erst am 4.9.1915. In den Jahren 1915 und 1916 nahm die "SMS Elbing" an mehreren Einsätzen in der Nord- und Ostsee teil.

In der Skagerrakschlacht ereilte die "SMS Elbing" ihr Schicksal. Die Kreuzer "Elbing", "Hamburg", "Stuttgart" und "Rostock" wurden am 31.5.1916 von britischen Zerstörern angegriffen. Die Elbing wurde am Abend gegen 19 Uhr getroffen. Es waren 4 Tote und 12 Verwundete zu beklagen.

Bei einem Durchbruchsversuch in der Nacht vom 31.5. auf den 1.6.1916 kollidierte die" Elbing" mit der "Posen". Es kam zu einem Wassereinbruch mit Ausfall sämtlicher Maschinen. Die "Elbing" bekam Schlagseite, konnte aber  noch langsam fahren. In der Nacht übernahm das Schichau-Torpedoboot S-53, 
das zu Hilfe geeilt war, 477 Mann von der Besatzung des Kreuzers.  Fregattenkapitän Madlung blieb mit 2 Offizieren einer Sprengtruppe an Bord und ließ gegen 3 Uhr morgens die "SMS Elbing" versenken.

Der Pangritz Kurier Nr. 2, Juni 2002, S. 34

 

3. b) F. Schichau Maschinen und Lokomotivfabrik, Eisengießerei und Schiffswerft, Elbing


4. Orgelbauanstalt Terletzki – Wittek (zusammengestellt von Christa Mühleisen)

Das Haus in der Wilhelmstr. 56 wurde etwa um 1390 in Ziegelbauweise erbaut. Es ist eines der wenigen Häuser in der Altstadt, das nicht mit dem Giebel zur Straßenfront stand, ein sogenanntes Querhaus.

Das zweite Gebäude stand in der Spieringstr. 12/13. Besonders im 19. Jahrhundert wurden noch einige Häuser ohne Giebel dazu gebaut, z.B. an der Stelle des im Jahre 1877 abgebrannten Rathauses am Alten Markt, sowie die umgebauten großen Kaufhäuser (Dyck – Jakoby – Lublinski – Löwenthal).

Für die Feststellung der Erbauungszeit dieses gotischen Hauses gibt das Portal in der Vorhalle des Domes in Frauenburg einen Anhaltspunkt, das 1388 entstanden ist. Dieses Portal hat dem Portal des Hauses Wilhelmstraße 56 als Vorbild gedient, das als vereinfachte Nachbildung zu bezeichnen ist. Anhand der „Wiesenregister“ und dem „Verzeichnis der Eigentümer der städtischen Grundstücke“ konnte man die Eigentümer des Hauses bis 1421 zurückverfolgen. Unter den Namen der Eigentümer: Rote – Braun – Bryn – Greff – Schön – Black – Zabel – Wartenberg, befindet sich auch von 1650 – 1700 der Name des Bürgermeisters Roßkopf.

In dem Haus in der Wilhelmstr. 56, das noch den Bauten des ehemaligen Dominikanerklosters zugesprochen wurde, gründete im Jahre 1857 August Terletzki die weit über die Heimatstadt Elbing hinaus berühmte und älteste Orgelbauanstalt Nordostdeutschlands. Sein größtes Werk war wohl die Orgel für die Marienkirche in Danzig. Die entfernteste ging bis Manila. Durch solide und künstlerische Arbeit erwarb sich Terletzki einen guten Ruf.

Da sein Sohn und Erbe, der das Werk seines Vaters fortsetzen sollte, starb, sah sich Terletzki gezwungen, sich nach einem Nachfolger umzusehen, dem er sein Werk anvertrauen konnte. Er fand ihn in seinem ehemaligen Schüler Eduard Wittek, der in Graudenz eine eigene Orgelbauanstalt betrieb.

1893 übernahm er das Unternehmen von Terletzki. Einen besseren Nachfolger konnte Terletzki kaum bekommen. Witteks Werke waren nicht nur in kleinen Städten und Dörfern zu finden, sondern auch in Danzig, Thorn, Allenstein und Tilsit, um nur einige zu nennen. Auch die Orgel in der Aula der späteren Heinrich von Plauen Schule, dem heutigen Rathaus, stammte aus der Werkstatt Wittek. 1914 ging sogar eine Orgel nach Irkutsk in Sibirien. Der 1. Weltkrieg und die Inflation machten dem Unternehmen große Schwierigkeiten, trotzdem ging es wieder bergauf.

1906 wurde Wittek zum Hoflieferanten des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen ernannt. 1916 sprach Kaiser Wilhelm II. ihm seine persönliche Anerkennung für die Orgel in der neu erbauten Cadiner Kirche aus. 1925 feierte er mit seinen Mitarbeitern die Fertigstellung der 500. Orgel.

Nach dem Tode von Eduard Wittek, der im Jahre 1927 im 71. Lebensjahr verstarb, er fand seine letzte Ruhestätte auf dem St. Marienfriedhof, konnten bis Kriegsausbruch noch 34 neue Werke abgeliefert werden. Außer den Neubauten und größeren Instandsetzungen waren jährlich 150 bis 200 Orgeln zu überprüfen, zu regulieren und zu stimmen, wozu fast ständig 2 Orgeltechniker unterwegs waren. Nach dem Tode von Eduard Wittek übernahm dessen Sohn Gerhard, der ebenfalls Orgelbaumeister war, das Unternehmen, welches er 18 Jahre bis zum Ende im Januar 1945 erfolgreich weiterführte. Die letzte Orgel, die er in Elbing baute, wurde kurz vor Kriegsausbruch ausgeliefert und kam in die Gutskirche des Freiherrn von der Goltz in Kreitzing bei Kolberg.

Als im Krieg der Neubau von Orgeln eingestellt werden mußte, wurde im Hause Wittek eine Uniformschneiderei eingerichtet.

Am 22.1.1945 mußte auch Gerhard Wittek die Heimat verlassen und kam nach Bayern, zuerst nach Eschenbach bei Bayreuth und später nach Würzburg-Zell, wo er ebenfalls noch viele Reparaturen unter erschwerten Bedingungen durchführte, da es kaum Material und Handwerkszeug gab.

Quellen:

Preuß, Hans: Orgelbauanstalt Wittek. In: Pangritz-Kurier Nr. 4, Dezember 1998, S. 18-20

Preuschoff, Günter: Bericht zum 100-jährigen Bestehen der Firma Wittek. In: Elbinger Nachrichten, 1957