Elbinger Straßenbahnen von Christa Mühleisen
Die Elbinger
Straßenbahn gehört zu den ältesten in Deutschland. Nachdem im Jahre
1891 in Berlin die erste elektrische Straßenbahn eröffnet wurde,
erkannte man in vielen Städten, so auch in Elbing, die Wichtigkeit der
Straßenbahn bei der Erschließung der Stadt.
Wie
fortschrittlich Elbing damals war, sieht man daran, daß in
verschiedenen ähnlich großen Städten damals noch Pferde zwischen den
Schienen trabten. Graudenz z. Beispiel baute 1896 noch eine Pferdebahn.
Im
Dezember 1894 erwarb die Union-Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin die
dem Ingenieur von Kreyfeld am 9. November 1892 erteilte Konzession zum
Bau und Betrieb einer Straßenbahn in Elbing und erhielt ihrerseits
eine Konzession zum Bau und Betrieb von fünf Linien bis zum Ende des
Jahres 1944. Danach sollte der Betrieb dann auf die Stadt übergehen.
Die Verpflichtung zum Bau erstreckte sich zuerst auf 2 Linien.
Die
erste der beiden eingleisigen Linien führte vom Staatsbahnhof über die
Preußisch- Holländer Chaussee (später Tannenbergallee),
Johannisstraße, Äußerer und Innerer Mühlendamm,
Friedrich-Wilhelm-Platz, Schmiedegasse, Alter Markt zum
Dampferanlegeplatz an der Leegebrücke.
Bild Nr.1: Diese Karte von der Holländer Chaussee wurde am 12.9.1917
gestempelt Im Hintergrund sieht man die Kirche zu den
Heiligen-Drei-Königen.
Bild Nr. 2: Äußerer Mühlendamm mit der St. Annen Kirche im Hintergrund. Hier
fährt ein Wagen der Linie 1. Die Karte wurde am 29.7.1904 in Elbing
gestempelt . An dem rechten Gebäude sieht man eine Reklametafel der
Möbelabrik F. Roschkowski.
Bild Nr. 3: Diese handkolorierte Karte vom Friedrich-Wilhelm-Platz wurde am
20.10.1914 gestempelt und nach Berlin geschickt.
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Nr. 4: Tw 1 zum Staatsbahnhof, erreicht um 1920 den
Friedrich-Wilhelm-Platz. Diese Karte wurde aber erst im Jahre 1927
verschickt.
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Nr. 5: Am Alten Markt mit dem Markttor
Die
zweite Linie begann am Friedrich-Wilhelm-Platz, führte auf der gleichen
Trasse zum Alten Markt, durch das Markttor, die Schichaustraße bis zur
Ecke Sternstraße (später Hochstraße) als vorläufigem Endpunkt.
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Nr. 6: Hier verkehrt der Straßenbahnzug Tw 36 auf dem
Friedrich-Wilhelm-Platz. Im Hintergrund sieht man die Bürger-Ressource
mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal davor.
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Nr. 7: Der Triebwagen zum Staatsbahnhof fährt etwa um 1920 durch das
Markttor
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Nr. 8: Das Königliche Gymnasium in der Königsbergerstraße im Jahre
1905
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Nr. 9: Vor dem Königlichen Gymnasium, dem späteren Staatlichen
Gymnasium, in der Königsberger Straße fährt, in der Zeit vor
dem Ersten Weltkrieg, Triebwagen Nr. 15 in Richtung Innenstadt.
Diese
beiden Linien wurden vom Regierungspräsidenten in Danzig bis 1. Oktober
1945 genehmigt.
Das Elektrizitätswerk der Straßenbahn in der Hospitalstr. 4 (Baubeginn
März 1895) war mit zwei stehenden Verbunddampfmaschinen der Firma
Schichau ausgerüstet. Die Kessel stammten ebenfalls aus der Produktion
der Schichauwerke.
Am 23. November 1895 wurde der planmäßige Betrieb auf der 3,89 km langen Strecke Bahnhof - Alter Markt aufgenommen, nachdem am Vortage der
Eröffnungswagen mit hohen Persönlichkeiten besetzt, in der Weiche
Hospitalstraße entgleiste. Mutig wurde aber trotzdem mit zwei weiteren
Wagen lustig hin und her gefahren. Haltestellen gab es keine. Angehalten
wurde nach Belieben auf Wunsch des Fahrgastes. Erst ab 1913 gab es feste
Haltestellen, an die sich die Elbinger nur schwer gewöhnen konnten.
Im Jahr 1896 wurde der Betrieb bis zur Sternstraße aufgenommen. Im Juni
1897 übernahm die Elbinger Straßenbahn m.b.H. im Einverständnis mit
dem Magistrat die Rechte und Pflichten aus bestimmten Verträgen
der Union-Elektrizitäts-Gesellschaft, die diese abstoßen wollte.
Die neue Linie Alter Markt - Vogelsang wurde im Mai 1897 mit
stündlichem Verkehr eröffnet. Die Linienlänge betrug jetzt
10,05 km. Für diese neue Linie waren 6 Triebwagen mit stärkerer
Leistung angeschafft worden. Der Wagenpark war jetzt insgesamt auf 16
Triebwagen angestiegen. Die bisherige zweite Linie wurde bis zum
Hauptbahnhof verlängert.
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Nr. 10: Diese Karte vom Restaurant und Kaffee Waldschlößchen bei
Elbing wurde am 4.7.1917 nach Berlin geschickt.
Die
Linie zum Vogelsang war leider sehr unrentabel, obwohl die beiden neuen
offenen Ausflugswagen bei der Bevölkerug sehr beliebt waren. Ins
Elbinger Naherholungsgebiet fuhr man normalerweise nur am
Wochenende oder in den Ferien, aber nicht unter der Woche. So mußte der
Bau zweier neuer Linien aus finanziellen Gründen leider aufgegeben
werden.
Das inzwischen an die "Gesellschaft für elektrische Unternehmen
Berlin" übergegangene Unternehmen benötigte viele Erneuerungen. Dabei ging die Zahl der Fahrgäste
ständig zurück.
Im Jahre 1916 besuchte Kaiser Wilhelm II. überraschend die
Schichauwerft. Für die Fahrt vom Bahnhof benutzte er mit großer
Begleitung die Straßenbahn.
Bild Nr.
11: Diese Karte wurde am 24.7.1916 gestempelt.
Der
verlorene Krieg trug auch nicht gerade zum Aufschwung bei. Im Februar
1922 streikte das Fahrpersonal, weil Löhne und Fahrpreise mit der
Inflation nicht mitgehen konnten. Die Verluste wuchsen enorm und die
Gesellschaft verkaufte das Bahnunternehmen vorzeitig am 1. Juli 1922 an
die Stadt Elbing. Die Elbinger Straßenbahn mbH wurde als Abteilung in
die Stadtwerke eingegliedert.
Nach der Übernahme durch die Stadt wurden erhebliche Mittel investiert:
über 1000 000 RM. Es wurden nach und nach 29 große, geschlossene Wagen
von der Waggonfabrik Steinfurt in Königsberg/Pr. geliefert. Die gesamte
Gleisanlage baute man für moderne, schwere Wagen um, die jetzt auch mit
höherer Geschwindigkeit fahren konnten. Teilweise wurde die Strecke zweigleisig ausgebaut.
Anstelle der früheren Stoßverbindungen mit Laschen trat vielfach die
Verschweißung der Schienenstöße nach dem Thermitverfahren.
Bild
Nr. 12: Dieser Triebwagen vor dem Gebäude der Städtischen
Elektrizitäts-Verwaltung hat oben eine Werbeaufschrift der Brauerei
Englisch Brunnen in Elbing.
Ab
April 1927 verkehrte die Linie 2 von der Pädagogischen Akademie -
Hindenburgstraße - Georgendamm - Johannisstraße - Innerer Mühlendamm
- Friedrich Wilhelm Platz - Poststraße - Hl. Leichnamstraße -
Ziesestraße - Paulikirchstraße bis Alte Welt.
Im Frühjahr 1928 wurde dann auch der Betrieb auf der Linie 3: Am Elbing
- Wilhelmstraße - Alter Markt - Schmiedestraße - Friedrich Wilhelm
Platz - Innerer Mühlendamm - Äußerer Mühlendamm - Bergstraße -
Jahnstraße - Wittenfelder Straße bis Sanssouci aufgenommen. Somit
verkehrte die Straßenbahn auf 15,6 km Streckenlänge, davon waren 1,6
km zweigleisig.
Infolge dieser Verbesserungen stieg die Beförderungsziffer trotz der
15.000 Arbeitslosen in Elbing zwar auf 12 Millionen jährlich,
aber bis zum Jahre 1935 arbeitete der Betrieb mit Zuschüssen. Dann aber
stiegen die Einnahmen und das Unternehmen warf Gewinn ab. Im Jahre 1930
wurde die Straßenbahnlinien neu nummeriert:
Die Linie 1 fuhr vom Staatsbahnhof durch bis nach Vogelsang und auf der
Linie 3 wurde der unrentable Streckenabschnitt von der
Dampferanlegestelle am Elbingfluß bis zum Friedrich-Wilhelm-Platz
stillgelegt.
Bild
Nr. 13: Diese Karte vom Holländer Tor ist etwa um 1935
entstanden.
Bild
Nr. 14: Blick auf den Inneren Mühlendamm mit dem Land- und
Amtsgericht, etwa um 1935 (Abb. Elbinger Nachr. März
1973)
Vor
der Einmündung in den Friedrich-Wilhelm-Platz entstand die Aufnahme mit
Tw 51 auf Linie 1 zum Vogelsang, dahinter ein Tw auf Linie 2 zur
Pangritzstraße. In der Gegenrichtung fährt Tw 39 auf Linie 1 zum
Reichsbahnhof.
Bild Nr. 15: Diese Karte vom Wochenmarkt wurde am 29.8.1938 gestempelt.
Bei
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 wurde ein Teil der Beschäftigten
zum Wehrdienst eingezogen. Aus diesem Grund arbeiteten Frauen als
Wagenführerinnen und Schaffnerinnen und frühere Bedienstete, die schon
im Ruhestand waren, wurden zurückgeholt. 1944 wurden über
34.000.000 Fahrgäste gezählt. Bis zum Jahr 1939 hatte sich der
Fuhrpark auf 24 Triebwagen und 8 Beiwagen verringert. Damit konnte man
den erhöhten Bedarf aber nicht decken und bemühte sich, bei anderen
Straßenbahngesellschaften gebrauchte Fahrzeuge zu kaufen. 1940
konnten drei Triebwagen aus Hamborn , 1941 sechs Triebwagen aus
Heilbronn und drei aus Pirmasens und 1942 konnten drei Triebwagen aus
Remscheid erworben werden. Neun davon wurden in Elbing zu Beiwagen
umgebaut. Somit war der Wagenpark bis zum Januar 1945 auf 37
Fahrzeuge angestiegen.
Im Jahre 1940 wurde auch noch ein Trambusbetrieb eingerichtet, für den
drei Autobusse gekauft und zusätzlich eingesetzt wurden. Außerdem
verkehrten noch zwei private Buslinien.
Als am 23. Januar 1945 die ersten Panzer der Roten Armee von Osten
kommend gegen 18.00 Uhr Elbing erreichten, fanden sie eine Stadt vor,
die vom Kriege unberührt war. Viele Leute hasteten nach Feierabend
über die Straßen, Kinobesucher kamen aus den Lichtspielhäusern, Flüchtlingstrecks passierten die Straßen der Stadt und die
Straßenbahn fuhr planmäßig. Plötzlich war alles vorbei. Schüsse aus
den Panzerkanonen und Maschinengewehren peitschten durch die Straßen
Elbings, Personen und Fahrzeuge wurden von Panzerketten platt gewalzt.
Tote und Verwundete lagen auf den Straßen. Jeder versuchte sein Leben
zu retten. Und unsere Straßenbahn blieb, nachdem die Fahrgäste sie
verlassen hatten, da stehen, wo sie von den Ereignissen überrascht
wurde - mitten auf den Straßen.
Bild Nr. 16: Nach den Kämpfen: Eine umgeleitete Straßenbahn der Linie 1 in
der Poststraße mit Blickrichtung Königsberger Straße zwischen der
Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule (Oberschule für Mädchen, fr. Lyzeum)
und der ehemaligen Fabrik A. Neufeldt (rechts).
Bild Nr. 17: Nach den Kämpfen: Die Poststraße Richtung
Friedrich-Wilhelm-Platz, links die ehemalige Fabrik A. Neufeldt, rechts
das Lyzeum.
Die Innenstadt wurde bei den Kämpfen und danach
durch Brandstiftungen und sinnlosen Abbruch fast völlig zerstört. Die
überlebende Bevölkerung wurde - sofern nicht rechtzeitig geflüchtet -
vertrieben.
Später siedelten sich in
der Stadt ohne Zentrum langsam Polen an. Auch sie erkannten die Wichtigkeit der
Straßenbahn als Verkehrsmittel. Am 6. Juni 1946 wurde der Betrieb auf
der Linie 1 wieder aufgenommen mit der Streckenführung von der Alten Welt -
Ziesestraße - Poststraße - Friedrich Wilhelmplatz und weiter auf
der Linienführung wie früher zum Bahnhof. Am 1. September 1946
folgte dann die Inbetriebnahme der Linie 2, die jetzt in Teichhof
anfing, auf der alten Streckenführung der früheren Linie 1 bis
zum Friedrich - Wilhelm - Platz und dann auf der früheren Linie 2 bis
zur Hochschule für Lehrerbildung fuhr. Zuletzt nahm die Linie 3 am 3.
April 1947 ihren Betrieb mit der gleichen Streckenführung wie vor 1945
wieder auf. Die alten deutschen Straßenbahnwagen sind dann noch bis zum
Jahre 1958 gelaufen. Sie wurden dann in der Zeit von 1958 - 1961
durch den Typ 5N, einen polnischen Nachbau der
Kriegs-Straßenbahn-Wagen, von der Firma Konstal aus Chorzow, dem
früheren Königshütte ersetzt.
Bild
Nr.18:
Hier handelt es sich um eine Nachkriegskarte, die im Jahre 1961
verschickt wurde. Im Hintergrund sieht man die Heinrich von
Plauen-Schule, die den Krieg überstanden hat. Im Vordergrund stehen
noch die Überreste des Hermann-Balk-Brunnens, leider ohne die Figur des
Elbinger Stadtgründers.
Bild Nr.
19: Zwei Veteranen aus vergangener Zeit (EN März 1973) Zwei
Veteranen aus vergangener Zeit. Die alten Straßenbahnwagen der Linie 2
kommen von der jetzt zur Fußgängerzone bestimmten Johannisstraße auf
den Inneren Mühlendamm. Hinter der Mühle im Hintergrund fehlt seit
Kriegsende die ausgebrannte und später von den Russen gesprengte St.
Annenkirche. Auch Haertel (früher links im Bild) gibt es nicht mehr. In
Fahrtrichtung der Straßenbahn kann man bis zum Landgericht und rechts
zur Heinrich von Plauen - Schule sehen. Sie ist heute Sitz des
polnischen Magistrats.
In den letzten Jahren hat sich vieles in Elbing verändert. Alte
Straßenbahnlinien wurden still- gelegt und neue wurden gebaut, aber
eines steht fest: eine
" Elektrische " wird es auch in Zukunft geben. Sie ist für
den Personenverkehr in der Stadt unverzichtbar.
Lockemann, Theodor:
Elbing, hrsgg. vom Magistrat von Elbing, Berlin-Halensee: DARI-Verlag
1926, viele Abb., 200 Seiten, Text und 1 Abb. S. 145. Bufe,
Siegfried: Straßenbahnen in West- und Ostpreußen, Stuttgart: Motorbuch
Verlag, viele Abb., 160 Seiten, Text S. 71-75, 77, 79. Elbinger
Nachrichten: Uelzen April 1973, S. 23: eine Abb. + Beschr. Elbinger
Nachrichten: Uelzen März 1973: eine Abb. Großjohann, Walter: 100
Jahre Elbinger Straßenbahn in den Elbinger Nachrichten:
Münster November 1995, Text S. 6-11. Krüger, Else: Elbing
1945/1946 - Ein Bericht aus schwerer Zeit, hrsgg. von Hans-Jürgen
Schuch, Elbinger Hefte Nr. 44, Münster: Truso-Verlag 1995, mehrere
Abb., 212 Seiten, 2 Abb. S. 63. Die Ansichtskarten Nr. 1-11, 13,
15 + 18 sind aus der Sammlung von Christa Mühleisen
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