Die polnische Kirche zu Riesenburg

 
von Christa Mühleisen




Bild 1: Die kleine Kirche nach einem Gemälde des Riesenburger Gymnasiallehrers und Malers Georg Glaubig (geb. 1936)


Baugeschichte

Sie war die zweite Kirche der Stadt und wurde früher "Bernhardinerkirche" oder "Kirche unter dem Schloß,"  "kleine Landkirche" oder auch "polnische Kirche" genannt, weil in ihr in polnischer Sprache gepredigt wurde. 

Sie gehörte einstmals zum Schloßbereich  und liegt außerhalb der früheren Stadtmauer in der Nähe der Pfarrkirche "uff die Freiheit an die Mauer der Stadt Riesenburg," wie es 1685 heißt. Das Kirchengebäude, das nur einen Kirchenraum zeigt, trägt noch ziemlich unverändert die alten, im Rohbaue auf Feldsteinen ruhenden Außenformen, die namentlich an den beiden Giebelseiten schön gegliedert sind. Dem Westgiebel ist ein feiner, 2,79 m breiter Glockenturm vorgelegt. Die kleine Vorhalle an der Südseite hat neben neuen Anbauten noch mittelalterliche Bauteile. Sie sowie die Sakristei wurden im Jahre 1830 gründlich in Stand gesetzt und  die Kirche innen und außen neu geweißt. Die Kosten beliefen sich auf rund 325 Thaler, wovon der Patron 66 Thaler, die Gemeinde 159 Thaler und die Stadtgemeinde 100 Thaler trugen.



Bild 2: Riesenburg von Süden gesehen unterhalb der Marienwerder Straße, ungefähr dort, wo Lücks Grundstück und der Schloßsee zusammentreffen. Links im Hintergrund sieht man die Landkirche und rechts die große evangelische Kirche.

Kirchengeräte

In der "Geschichte der Stadt Riesenburg"  (1928) berichtet  Dr. K. J. Kaufmann, Stadtarchiv - Direktor von Danzig folgendes: "Vom Innern, dessen Decke eine Bretterdecke mit wenig bedeutenden Wandmalereien abschließt, ist nur ein Beichtstuhl aus dem Jahr 1723, zwei Zinnleuchter, 1725 von Michael Nur, und eine Zinnkanne, 1727 gestiftet, erwähnenswert".  

Die Orgel

1734 hatte die Kirche als Orgel nur ein ganz abgenütztes, unbrauchbares Positiv. Später wurde durch Geschenke ein neues erworben und abermals später eine kleine Orgel mit einem Manuale und ohne Pedale eingebaut, die aber 1891 ganz unbrauchbar geworden waren, so daß ihr Ton nach sachverständigem Urteile "entsetzenerregend" klang. Nun beschloß der Kirchenrat der kleinen Kirche am 9. August 1891 eine neue Orgel zu beschaffen und schloß mit Genehmigung des Konsistoriums am 15. und 21. November 1891 mit dem Orgelbauer Terletzki in Allenstein einen Vertrag, nach dem er den Neubau für 1850 Mark und 66 Mark Nebenkosten übernahm. Die Kosten mußte die Gemeinde tragen, da der Patron der Stadtkirche, der Fiskus, nicht verpflichtet war. Das Konsistorium genehmigte aber die Verwendung eines Kapitals von 1000 Mark, das der Gutsbesitzer von Frantzius für die kleine Kirche gestiftet hatte. Die neue Orgel, die ein Manual und Pedal und 8 Register hatte, war im Juli 1895 fertig.



Bild 3: Riesenburg mit Blick auf die Polnische Kirche und den Schloß-See (30.8.1909)


"Über die Vorgeschichte der Kirche in bischöflicher Zeit sind wir auf Vermutungen angewiesen, die aber Anspruch auf große Wahrscheinlichkeit, ja beinahe Gewißheit erheben dürfen", schreibt Kaufmann in seinem Buch. 

Wir erfahren nämlich 1412, daß Bischof Johann I. (1378-1409) eine Kapelle in der Vorstadt des Schlosses (in suburbio castri nostri Resinburg) mit dem Titel der heiligen Jungfrau Maria erbaute und dabei einen Kirchhof zur Beerdigung seiner Beamten und Schloßdiener anlegte. Diese Kapelle ist jedenfalls dieselbe, in der er am 15. September 1402 für die Seelen seiner Eltern einen Altar- oder Pfarrbenefiz stiftete, und für den er seinen Neffen Johann auf Vorschlag seiner Brüder, denen er das Vorschlagsrecht eingeräumt hatte, berief. Für den Altar, den er der heiligen Maria, Johannes Evangelist und allen Heiligen widmete, setzte er 15 Mark von dem Zinse von Bandtken, das seine Neffen, die genannten Brüder des Altaristen Johann, als Lehen von ihm hatten, aus. (Bandtken ist ein Ort im Kreis Marienwerder) 

Unter dem folgenden Bischof Johannes II. wurde die Unabhängigkeit der Kirche von der Pfarrkirche und ihr Zubehör zum Schloß nochmals ausdrücklich festgelegt. Da sich aber der Pfarrer der Pfarrkirche in seinen Gebühren und anderen Pfarr-Rechten geschädigt sah und um Abhilfe bat, wurde ihm der Zins von einer Hufe Land, die Bischof Johannes I. der Kirche verliehen hatte, erlassen. Auch wurde weiterhin bestimmt, daß in der Kapelle Hochamt mit Gesang nur an den Festtagen, die tägliche Messe erst nach der Frühmesse in der Pfarrkirche und Predigten nicht an Tagen wo das in der Pfarrkirche geschehe, gehalten werden durften.

Dieser fast mit dem Beginn der Kapelle einsetzende Streit über die Abgrenzung der Tätigkeit der beiden Geistlichen und die damit verbundenen Einkünfte ist charakteristisch und spielt in den ganzen nächsten Jahrhunderten fort bis ins 19. Jahrhundert  hinein. Erst 1822 wurde durch reinliche Trennung der beiden Gebiete dem unliebsamen Zustand ein dauerndes Ende bereitet.

Welcher Tatsache die an der einen Seite der Decke befindliche Inschrift zu Grunde liegt, der zufolge die Kirche anfangs den Bernhardinern gehört habe (regula Bernhardi hic cultus fundamina jecit), läßt sich nicht mehr feststellen. Sicherlich war sie nicht von Anfang an diesem Orden zugedacht, da sich sonst etwas in der Urkunde von 1412 finden würde.  

Der Kirchhof

Das die 1412 urkundlich feststehende Kapelle, die schon im 16. Jahrhundert "kleine" oder "polnische" genannte Kirche ist, beweist außer der Lagebeschreibung in der Urkunde auch der von Anfang an bei ihr angelegte Kirchhof, der als alter Kirchhof noch 1803 erwähnt wird. Auf ihm wurde mit Genehmigung der Regierung vom Magistrate am 4. Juli 1803 der südliche Teil an den Tabaksfabrikanten Nissel gegen ein Einkaufsgeld von 5 Thalern und jährlichem Erbzins von 3 Thalern vererbpachtet. Bei der Zwangsversteigerung dieses Grundstückes wurde dieser Teil wieder vom Kirchenvorstande erworben und am 1. August 1840 von Neuem an den Brennereibesitzer Johann Ulbrich für 1 Thaler 20 Groschen Erbzins vererbpachtet. Doch verzichtete dieser zu Gunsten der Kirchengemeinde, der der Platz erhalten bleiben sollte, am 24. April 1843 auf sein Recht. Im Jahre 1830 wurde der östliche Teil des Kirchhofs mit einem Staketenzaun versehen.  


Bei der Zerstörung der Vorstadt im Jahre 1520 muß die Kirche wohl sehr gelitten haben, so daß sie lange Zeit wüst lag und aus diesem Grund bei der Kirchenvisitation im Jahre 1543 überhaupt nicht erwähnt wurde, während es 1576 heißt: "die polnische ist notdürftig erbauet, ihre Kirchenväter sollen zusehen das auch dieselbe im Wesentlichen Bau erhalten werde".

Bei einem großen Brande im Jahre 1722 brannte die Kirche aus und wurde im Jahre darauf mit Unterstützung des Königs Friedrich Wilhelm I. wieder hergestellt.
Gleichzeitig wurde eine Sakristei angebaut.


Bild 4: Das polnische Kirchlein hat einen  wunderbaren, reichgegliederten Giebel, der einst das  Lieblingsmotiv des jungen Riesenburger Künstlers Helfried Albrecht war. Rechts sieht man die im Jahre 1830 angebaute Sakristei. Es wäre auch sehr interessant zu wissen, was die 4 runden Öffnungen im Giebel, die wie riesige Augen aussehen, die einen zu beobachten scheinen und die kleinen Türmchen zu bedeuten haben, von denen jedes in eine andere Himmelsrichtung zeigt. Doch darüber ist in den Fachbüchern leider nichts zu finden. 


Im Jahre 1800 sollte auf Befehl der Kriegs- und Domänenkammer auf dem Boden der Kirche ein Pulvermagazin für die Leibschwadron des Dragoner-Regiments Graf von Hertzberg eingerichtet werden, weil das Gebäude außerhalb der Stadt läge und weniger Entzündungsgefahren ausgesetzt sei, da es nicht geheizt werde. Auf die Beschwerde des Geistlichen an die Regierung hin lehnte diese es ab, wegen der Gefahr für die Kirche und Stadt, die Erlaubnis zu geben und ließ sich auch durch den Einwand der Kammer, daß es sich nur um geringe Mengen von Patronen handle, nicht von ihrem Standpunkte abbringen, da sie nicht die Verantwortung übernehmen könne und 1791 in Deutsch-Eylau, wo dasselbe Regiment sein Pulver im Kirchturme unterbringen wollte, die Genehmigung auch versagt worden sei. 

Im Jahre 1807 wurde die Kirche gleich der Pfarrkirche vorübergehend als Lazarett von den Franzosen in Anspruch genommen, aber schon nach einigen Wochen der Gemeinde wieder zurückgegeben.

Einkünfte der Kirche und des Kaplans

Die polnische Kirche hatte nur geringe eigene Einkünfte, denn der Dezem, die Haupteinnahme der Kirche floß in die Pfarrkirche, die davon auch die baulichen Ausgaben bestritt, und der polnischen Kirche fielen nur die Einnahmen aus dem Klingelbeutel und aus Geschenken, also ganz unsichere zu.

Als 1786 die Stadtkirche die Verwaltung der Kirchenrechnung der kleinen Kirche übernehmen sollte, machte sie es, da die Kirche kein Vermögen, nur 8 Thaler Einkünfte und 14 Thaler Ausgaben habe, und außerdem viele Ausbesserungen erfordere, davon abhängig, daß ein Bankenzins eingeführt werde, und zwar von der Hufe 6 Groschen, von jedem Instmanne, Hirten, Hofmanne, Ratteyer, Schäfer und Fischer 6 Groschen, von Knechten und Mägden je 3 Groschen erhoben würden. Die Kammer genehmigte das in der Form, daß jeder Manns- und Frauensitz je 3 Groschen geben sollte. 1789 wurden Instleute, Knechte und Mägde von den Zahlungen befreit.

(Ein Ratteyer war ein Landarbeiter, der als Kutscher/Gespannführer vorwiegend bei der Transport- und Pflugarbeit eingesetzt und zugleich für die Versorgung und Pflege der Zugtiere, meist Pferde und Ochsen,  zuständig war).

Gehalt des Kaplans und Pfarrhufen

Seit 1543 bestand die Haupteinnahme des Kaplans in einem Geldgehalte von anfangs 30 Mark, das dann 1576 auf 60 Mark, 1754 auf 100 Gulden gestiegen war, ferner in der Nutznießung der Erträge von 4 Wachsmuther Hufen, von denen es in einer Riesenburger Amtsrechnung von 1618/19 heißt: 

"Ist eine polnische Landkirche zur Riesenburgk darzu sind 4 Huben, welche der kirchen zur Wachsmuth gehörigk geschlagen, weil die Kirche dasselbst verfallen." Ursprünglich sollen diese Landhufen dem Pfarrer von Riesenburg gehört haben. Dazu kam nach der Visitation von 1576 noch ein Garten von 6 Ruten Breite mitten in Wachsmuth gelegen, ein Krautgarten in der Stadt, ein Gärtlein über dem Löbenitz (Schloß-See) und ein Stück Acker auf einem Freigute. Dazu mußte jeder Bauer des Kirchspiels ihm ein Fuder Holz anfahren. Später erhielt er an allen Fischtagen vom Amte ein Gericht Fische und im 18. Jahrhundert wöchentlich 4 Gerichte. Die Lage der 4 Pfarrhufen in Wachsmuth war äußerst ungünstig, da die Kapläne ungenügendes Gespann und Inventar hatten. Infolgedessen konnten sie ihr Pfarrgut nicht genügend warten, obwohl sie mehr als gut von ihrem Studium davon abgehalten wurden.

Der 1588 verstorbene Kaplan Georg Lindenau hatte deshalb den Rat gebeten, die Hufe für ihn und seine Nachfolger zu verpachten. Die Felder aber waren ganz verwachsen und verödet und mußten erst wieder gerodet und vom Morast befreit werden, so daß in den ersten Jahren nur 20 Mark und in den letzten Jahren 30 Mark an Miete erzielt werden konnte. 1599 lief der alte Pachtvertrag aus und  der jährliche Pachtzins wurde auf 45 Mark heraufgesetzt. Der neue Vertrag wurde am 10. Januar 1600 vom Regenten Markgrafen Georg Friedrich bestätigt. Am 20. April 1814 entschloß sich der damalige Geistliche mit Zustimmung der Regierung, die ganzen Hufen zu vererbpachten und zwar für ein Einkaufsgeld von 1000 Thalern und jährlichen Kanon von 50 Thalern. Später fielen die Hufen aus unbekannten Gründen wieder an die Kirche zurück, die sie dann am 6. Juli 1869 abermals an den Besitzer Zeriver für eine jährliche Rente von 100 Thaler verkaufte.

Ab 1754 bekam der Kaplan für die ihm zustehenden Brautage bis zu 20 Thaler aus der städtischen Braukasse, bis es zu Streitigkeiten kam, als die Mälzenbrauergrundstücksbesitzer  1850 ihre Braugerechtigkeit verkauften und die Zahlungen einstellten.    

Neben diesen Geldeinnahmen hatte der Kaplan noch die Erträgnisse der Stolgebühren  und der ihm zustehenden Kalende von den Dörfern.

Stolgebühren waren Abgaben an den Pfarrer für Amtshandlungen, bei denen ein Geistlicher die Stola trägt, bes. Tauf-, Trauungs- und Begräbnisgebühren. Sie wurden erst im 18. Jahrhundert festgelegt und betrugen für eine Taufe 30 Groschen, eine Danksagung 12 Groschen, eine Leiche in der Stadt 30 Groschen, für ein 3maliges Aufgebot 36 Groschen, für eine Trauung 1 Thaler, für eine Abdankung 1 Thaler und für eine Leichenpredigt 2 Thaler. Die im Jahre 1832 bald nach der für die Pfarrkirche herausgekommene neue Stoltaxe, in der die adligen Höfe als zur Gemeinde des 2. Pfarrers gehörig angesehen und der Billigkeit entsprechend ebenso hoch wie ein städtischer Kaufmann mit 400 Thalern angesetzt wurden, stufte die Gebühren wie dort nach 4 Klassen ab. 1. Instleute und Knechte; 2. Ackerbürger und Bauern; 3. Besitzer oder Pächter von Polken, Popowken, Görkenhöfchen, Wiedzierken; 4. Besitzer oder Pächter von Kl. Sonnenberg, Schrammen, Grasnitz, Solainen, Kaltenhof, Rahnenberg, Schornsteinmühle und Wachsmuth.

Die Kalende wurde dem Kaplane von den Ortschaften und Gütern als Naturalabgabe statt des Geldes gegeben. Über den Ursprung dieser Abgabe gibt es keine Quellen. 

Die Tätigkeit des Kaplans

Sie war anfangs nicht klar umgrenzt. Er war Kaplan in der Stadtkirche, den sich 1541 der Pfarrer von seinem Einkommen halten mußte, und er scheint nach einer noch aus der bischöflichen Zeit überkommenen Auffassung von Anfang der Geistliche des nichtbürgerlichen, weil polnischen Bestandteiles der Bevölkerung gewesen zu sein und daneben gewohnheitsmäßig die Filialkirche in Dakau und die übrigen anfänglich zur Pfarrkirche eingepfarrten Ortschaften der Landgemeinde verwaltet zu haben.

Im 18. Jahrhundert hieß er in den Berufungsbriefen "Kaplan" und "polnischer Pfarrer" der Stadtgemeinde, der zur polnischen Kirche gehörigen Landgemeinde und der Gemeinde zu Dakau. Es sollten zu seiner Gemeinde gehören  diejenigen Einwohner von Riesenburg , die weder "eximiniert" noch Bürger waren, die Amtsdörfer Wachsmuth, Wiedzirken, Bartelowken, die Walkmühle und Wolfskate, Liebenthal, Dakau, Laskowitz, Scheipnitz, Gunthen außerdem Förster, Vorwerk Rahnenberg und die zur Stadtjurisdiktion gehörigen Dörfer und Vorwerke Gr. Sonnenberg, Popowken, die adligen und kölmischen Güter, aber ohne den jeweiligen Hof, der zum Kirchspiele des ersten Pfarrers gehörte und ihm die Kalende gab.
Im 19. Jahrhundert waren es die Dörfer Gr. Sonnenberg, Erbpachtvorwerk Polken und Popowken, Gunthen, Scheipnitz, Wachsmuth, Vorwerke Bartelhof, Görkenhöfchen, Gonske, Halbersdorf, Kaltenhof, Piontken, Rahnenberg, Schornsteinmühle, Wachsmuth, die Waldkaten, Alte und Neue Walkmühle, Schatullgut Wiedzirken, Ziegelacker, die adligen Güter Grasnitz, Orkusch, Schrammen, Solainen und Klein Sonnenberg.


In Scheipnitz, einem alten Preußendorfe, bestand schon sehr früh eine Kirche. Bereits 1303 wird "dominus Conradus" als Pfarrer erwähnt. Im Kriege zwischen Orden und Polen 1414 brannte diese Kirche ab und ist nicht mehr aufgebaut worden. Während von der Kirche jede Spur verlorengegangen ist, hat sich der Kirchhof erhalten. Erwähnenswert ist eine Kirchhofsglocke, die vor mehr als 100 Jahren dem Spital in Riesenburg abgekauft worden sein soll. Früher soll die Glocke einen Glockenstuhl gehabt haben,  aber seit 1869 hängt sie noch in dem Geäst einer alten Linde, ähnlich wie bei der katholischen Kirche in Freystadt. (nachzulesen im Heimatkurier Jan./Febr. 1996)

In Wachsmuth wird zwar in der Handfeste von 1371 keine Kirche erwähnt, aber 1420 tritt der Wachsmuther Pfarrer als Zeuge auf. Wie auch schon gesagt waren dort 4 Hufen Kirchenland, die später dem Riesenburger Pfarrer gehören sollten, weil von der Wachsmuther Kirche nur noch ein altes Gemäuer war. Nach Angaben sollen die Ruinen der Kirche nebst Turm erst im Jahre 1845 abgerissen worden sein. Sie standen auf der später als Turmplatz benutzten Stätte neben der Dorfstraße an der Abzweigung des Weges nach Gr. Gilwe. Zahlreiche Brocken mittelalterlichen Backsteinmauerwerks sind die einzigen Überbleibsel des ehemaligen Gotteshauses.

Anfänglich war der Pfarrer der kleinen Kirche verpflichtet, in polnischer Sprache zu predigen. Die Zeiten änderten sich aber. Im Jahre 1788 beantragte die Gemeinde Wachsmuth, daß sie zur deutschen Kirche in Riesenburg, der Pfarrkirche, geschlagen werde, weil sie ganz deutsch sei und polnisch nicht verstehe , was auch genehmigt wurde.

Als dann nach 1790 die Kirche der polnischen Predigten wegen nur noch höchstens von 12  bis 20 Personen besucht wurde,  genehmigte die Regierung, daß wenigstens alle 14 Tage deutsch gepredigt werde. Nachdem die polnisch sprechende Kirchen
gemeinde immer kleiner geworden war und nur noch an den hohen Festtagen polnischer Gottesdienst gehalten wurde, verfügte die Behörde im Jahre 1811 die Schließung des Gottesdienstes in der polnischen Kirche, lehnte aber gleichzeitig den Gemeindeantrag auf Abhaltung deutscher Gottesdienste in der Kirche ab, um eine Zersplitterung zu verhüten. Beide Pfarrer sollten in der Pfarrkirche  an Vor- und Nachmittagen predigen. Später wurde auf Wunsch der Stadtverordneten und der Landgemeinde erlaubt, daß an jedem ersten Sonntag im Monat Gottesdienst und sonstige kleine Amtshandlungen wie Trauungen usw. in der Landkirche gehalten werden durften. Seit 1898 wird nur an den hohen Festtagen in beiden Kirchen Gottesdienst gehalten. 


Die polnische Kirche hatte außer dem Deckengemälde auch ein sehr schönes Altarbild, das den Gebetskampf des Herrn im Garten Gethsemane darstellte. Es übte einen so starken Einfluß auf den späteren Riesenburger Pastor Heinz Mundt aus, daß es neben schweren seelischen Erlebnissen der Anlaß für ihn war, Theologie zu studieren. Pastor Mundt hat in dem Buch "Der Kreis Rosenburg" von Alfred Müsse über die Stadt Riesenburg und auch über die polnische Kirche berichtet.

Die Geistlichen

Die wenig klarumgrenzte Stellung gab Anlaß zu langjährigen oft persönlich recht zugespitzten Kämpfen mit dem Stadtpfarrer und fand ihre endgültigen Lösung erst im Jahre 1822, indem dem ersten Prediger die ganze Stadt- und dem zweiten die ganze Landgemeinde überwiesen wurden, eine Trennung, die 1898 doch wieder, wenn auch in fest umgrenzter Form, zu einer teilweisen Wiederherstellung des anfänglichen Zustandes führte, indem der zweite Geistliche nicht nur Landpfarrer, sondern auch zweiter Pfarrer an der Stadtkirche sein sollte.

Am 13. März wurde Pfarrer Karl Martin Labes gewählt. Die Regierung wollte eine genaue Teilung der Amtstätigkeit der beiden Geistlichen in der Weise, daß dem ersten die Stadt, dem zweiten das Land zufalle. Dafür sollte der erste Geistliche die städtischen Brautage, der zweite die ländlichen Kalende erhalten. Um den Ausfall der Einkünfte des zweiten Geistlichen infolge des Verlustes der Brautage zu ersetzen, erwirkte die Regierung eine Kabinettsorder, die dem zweiten Geistlichen eine jährliche Zulage von 50 Thalern aus der Staatskasse zusicherte. Durch Übergang des Labes zur ersten Pfarrstelle wurde  Pfarrer Franz Leyde am 8. April 1832 in die zweite Pfarrstelle eingeführt, nachdem ihn die Regierung am 27. März bestätigt hatte. Er verließ die Stelle schon zum 1. April 1835 und fand in Johann Gottlieb Eduard Tieffenbach aus Elbing einen Nachfolger, der aber schon am 4. Juni 1839 die Stelle wieder aufgab.  Der nächste Kandidat, Rudolf Pfeil, wurde am 22. Juni 1840 in sein Amt eingeführt und bekleidete diese Stelle 50 Jahre lang. Er legte sie erst am 1. Juli 1890 im Alter von 81 Jahren nieder. Es folgten am 28. Mai 1891 der Kandidat Finger und am 18. Dezember 1892 Vikar Otto Hermann Maey von Hütte. Dieser starb am 21. Februar 1927. 

Etwa von 1928 bis kurz vor Kriegsende predigte in der polnischen Kirche Pfarrer Kuptsch.  Dann wurde er doch noch zum Militärdienst eingezogen und in dieser Zeit von Pfarrer Harder vertreten.


Bild 5: Fahnenweihe durch Pfarrer Kuptsch vor dem Heldendenkmal unter Anwesenheit von Prinz August-Wilhelm, bei einem Großtreffen des "Stahlhelm" am 16.8.1929 in Riesenburg.

Die Bevölkerung der Stadt Riesenburg war bis zur Flucht im Januar 1945 überwiegend protestantisch. Erst nach dem Zusammenbruch und dem Zuzug polnischer Bürger katholischen Glaubens, änderten sich schlagartig die Glaubenszugehörigkeits-Verhältnisse der Einwohner Riesenburgs. Die noch verbliebenen deutschen Einwohner, überwiegend Protestanten, waren hoffnungslos in der Minderheit. Sie wurden von einigen polnischen Mitbewohnern als "Fremdgläubige" oder auch als "Katzenglaubensanhänger" bezeichnet. Die ersten evangelischen Gottesdienste fanden erst wieder in den Jahren 1947/48 statt. Sie wurden von deutschstämmigen oder auch von polnischen evangelischen Pastoren in der "kleinen Kirche" abgehalten. Die "kleine Kirche", die bereits von den Russen ausgeplündert worden war, befand sich in einem erbärmlichen Zustand. 


Bild 6: Die romantische kleine Landkirche aus dem Jahr 1412 mit Katzengang - Blick von "Am Stadtgraben" in Richtung Seestraße, Krankenhaus, (nach einem Gemälde von Heinz-Walter Stetten). In dem eckigen Glockenturm, der einen Aufsatz wie eine Krone trägt, gibt es kein Glockengeläut.



Bild 7: Der Katzengang - Fußgänger-Verbindungsweg an der kleinen Kirche zwischen Am Stadtgraben, Seestraße und der Kleinen Kirchen-, Mauerstraße.


Bild 8: Blick vom Wasserturm auf den Wrangelplatz und die Stadtkirche.  Ansichtskarte nach einem Ölgemälde von Georg Glaubig. Links hinten sieht man die kleine polnische Kirche, vorne links sind die Geschäfte an der Westseite des Wrangelplatzes: Friseur Geisler, Bäckerei Gayko, Blumenfiliale Hertel, Friseursalon Halb, Spielwaren Hans Halb. Dann kommt die Kleine Kirchenstraße. In der Oberen Lindenstraße ist noch das Haus der Fleischerei Engel zu sehen.

Für eine Sanierung und den Unterhalt der "kleinen Kirche" fehlten nach dem Kriege die notwendigen Finanzmittel. Der Gottesdienst wurde in der unbeheizten Kirche nur in den Sommermonaten abgehalten. Zur kalten Jahreszeit fanden die Gottesdienste im spärlich beheizten Gemeindehaus am Kohlenberg statt.


Bild 9: Das Gemeindehaus Ecke Seestraße / Am Kohlenberg, gegenüber dem Krankenhaus von der Großen Kirchenstraße aus gesehen. Hier wohnten auch die Diakonissen-Gemeindeschwester Elisabeth sowie der Küster Neumann mit seiner Familie. Das Gemeindehaus hat den Krieg überstanden, ist aber Anfang 1988 ausgebrannt.

Der Gottesdienst wurde wurde nach Kriegsende von den  Pastoren in der vorgeschriebenen Amtssprache auf polnisch abgehalten, dann wurde die ganze Andacht in deutscher Sprache wiederholt. Diese zweisprachigen Gottesdienste waren bei Jugendlichen ziemlich unbeliebt. Deshalb wurden die Pastoren respektlos als "Dreistundenpfarrer" bezeichnet. 

Mit der Ausreisewelle der deutschen Bevölkerung im Zuge der Familienzusammenführung schrumpfte natürlich die kleine Gemeinde zusammen, so daß in der "kleinen Kirche" keine Andachten mehr stattfanden.

Kirche und  Umgebung waren mit der Zeit auch keine Erbauung für das Auge mehr. Die kleine Kirche wurde zu einem  Museum umfunktioniert, bis es etwa 1977 in den obersten Stock des Wasserturms verlegt wurde (ein Raum von ca. 2,5 m x 2,5 m). In der Zwischenzeit kann das Museumskirchlein aber wieder besichtigt werden. Die kleine Sammlung des Museums hat sich mittlerweile vergrößert. Hier befinden sich interessante fotografische Dokumentationen und Pressemitteilungen aus der Abstimmungszeit, Andenken aus dem Zweiten Weltkrieg, Versicherungsausweise der Reichsversicherungsanstalt, Uniformen und Orden. Außerdem werden landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, Imkerzubehör, alte Uhren und Münzen, sowie Ausstellungsgegenstände der örtlichen Hobbykünstler gezeigt.

Die Exponate wurden im vergangenen Jahr katalogisiert und gereinigt, die vorherigen Bestände um wertvolle Sammlungen erweitert und der Innenraum des Museums renoviert. Das Museum ist nur in den Sommermonaten Juli und August werktags geöffnet, in den Herbstmonaten September und Oktober leider nur noch freitags. Da die Kirche nicht beheizt werden kann, müssen manche der empfindlichen Exponate in den Wintermonaten ausgelagert werden.

Das Altarbild ist leider nicht mehr vorhanden. Es wurde gestohlen, aber das schöne Deckengemälde mit dem Motiv der Auferstehung existiert noch. Dabei fällt dem aufmerksamen Beobachter auf, daß das Schriftband, das um das Kruzifix geschlungen ist und über dem auferstandenen Christus schwebt, in polnischer Sprache verfaßt worden ist. 

Wer heute nach "Prabuty" (früher Riesenburg)  kommt, sollte es nicht versäumen, der polnischen Kirche einen Besuch abzustatten. Wer mehr darüber wissen möchte findet hier weitere Informationen: 

  Museumsanfang in Riesenburg / Prabuty  von Albert Lipskey,



Textnachweis:

dtv-Lexikon: München: Deutscher Taschenbuchverlag 1971, Ausgabe in 20 Bd., Bd. 17, S. 306

Heimat-Kurier, Heimatzeitung für den ehemaligen Kreis Rosenberg, hrsgg. von Karl-Heinz Damrow, Düsseldorf, Januar/Februar 1996, Text S. 48-51.

Kaufmann, Dr. K. J. (Stadtarchiv-Direktor in Danzig): "Geschichte der Stadt Riesenburg." Riesenburg/Wpr.: Verlag des Magistrats, 1928, S. 250-271. 

Mundt, Heinz (Pastor): "Unser geliebtes Riesenburg" in Müsse, Alfred: Der Kreis Rosenberg. Ein Westpreußisches Heimatbuch, Detmold: Verlag Hermann Bösmann 1963, 632 Seiten, mehr. Abb., Text S. 141.

Pustlauk, Herbert (Riesenburg): Die "Kleine Kirche" oder auch "Polnische Kirche" und die kleine evangelische Gemeinde nach dem II. Weltkrieg, im Heimat-Kurier,  Heimatzeitung für den ehemaligen Kreis Rosenberg, hrsgg. von Karl-Heinz Damrow, Düsseldorf, Sept./Oktober 2004, Text S. 54-57

Zebrowski, Werner: "Erinnerungen an Riesenburg vor 1945," viele Abb, 96 S., Abb. S. 60, 64 unten + 70 oben u. unten u. S. 74 oben (nach Gemälden von Georg Glaubig und Heinz-Walter Stetten), Text S. 22, 69, 70 + 74.

Bildnachweis:

Heimat-Kurier - Heimatzeitung für den ehemaligen Kreis Rosenberg/Wpr. hrsgg. von Karl-Heinz Damrow, Hannover Nov/Dez. 1985,  Bild 5.

Zebrowski, Werner: "Erinnerungen an Riesenburg vor 1945," viele Abb, 96 S., Bild 1, 2, 6, 7+9  (nach Gemälden von Georg Glaubig und Heinz-Walter Stetten).

Die Ansichtskarten (Nr. 3, 4+8) sind aus der Sammlung von Christa Mühleisen.

            13.10.04 (b)