Cadinen -Teil
6 Die reichen Tonlager um
Cadinen und an einem großen Teil der Haffküste entlang hatten längst
ihre praktische Ausnutzung erfahren. Es waren große Ziegeleien
entstanden und der Vertrieb von Cadiner Kacheln und Ziegeln
(Backsteinen) reichte weit über die örtlichen Bezirke hinaus. Nach der
Übernahme des Gutes durch den Kaiser wurde auch die Ziegelei
modernisiert und vom bisherigen Handstrichbetrieb, wie er im Osten
bei vielen Gutsziegeleien üblich war, auf maschinelle Fertigung
umgestellt, um ausreichendes Material für die neuen Cadiner
Arbeiterwohnungen zu liefern. Sie
wurde von der AG für Feld- und
Kleinbahnen-Bedarf vorm. Orenstein & Koppel, Berlin - Königsberg i.
P. geliefert. Die
Kipploren wurden von einem Pferd gezogen und vom Tonlager zur Ziegelei
transportiert.
Die
hier abgebildeten kleinen Wagen, die wohl zum Transport der
Majolika-Ziegel von und zu den Brennöfen dienten, wurden
ausschließlich von Hand bewegt. Vor 1938 hatte die
Ziegelei 2 Ringöfen, von denen der eine 140 000 Ziegelsteine und der
andere 180 000 fasste. Zwei Ziegelpressen mit Kollergang produzierten
täglich 24 000 und 17 000 Steine, zwei Dachpfannenpressen lieferten
täglich 6000 Stück. 15 Trockenschuppen waren vorhanden 1938 wurde die
Ziegelpresse I mit Keller' scher Vollautomatik und eine Trocknerei für
60 000 Rohlinge nach dem System Keller eingerichtet.
(Sammlung von Herrn Artur Nowicki) Was
ist Majolika? "Majolika" bezeichnet italienische, mit farbiger oder
weißdeckender Glasur überzogene Keramik des 15.-17. Jahrhunderts. Der
Name leitet sich ab von "Mallorca". Von dort kam maurische
Keramik im Mittelalter nach Italien. Im 19. Jahrhundert wurde dieses
Kunsthandwerk wieder entdeckt und auch in Deutschland verbreitet. Bild
123: Das Kaiserpaar in Cadinen (23.08.1902) Auf dieser
Ansichtskarte ist eine Motorlokomotive der Feldbahn der
Majolika-Manufaktur Cadinen zu sehen. Sie wurde 1902 von der
Motorenfabrik Oberursel AG gebaut und am 6. Juni 1902 Sr. Majestät
Kaiser Wilhelm II. in Cadinen vorgeführt. Die Lok erhielt eine
Prämierung des Kaisers. Im gleichen Jahr lieferte Oberursel eine zweite
Lok nach Cadinen. Beide Motorenlokomotiven waren zweiachsig, hatten
Stangenantrieb und leisteten 3 PS. Dass es in Cadinen zu
einer Majolika-Manufaktur kam, ist einem Zufall zu verdanken: ein
gemaltes Kaiserliches Wappen, das Wilhelm II. zum Zeichen des
Besitzwechsels über einer großen Scheune des Gutshofes anbringen
ließ, war vom Regen alsbald abgewaschen worden. Der kaiserliche
Generalbevollmächtigte, Landrat Rüdiger von Etzdorf, holte sich Rat
bei dem Bildhauer Ludwig Manzel, den er in Italien kennen gelernt hatte.
Manzel, der in Italien Kunstwerke aus Majolika eingehend studiert hatte,
schlug vor, das Wappen in glasiertem farbigem Ton auszuführen. Wilhelm
war damit einverstanden und dann mit dem von der Tonwarenfabrik March
angefertigten Wappen auch so zufrieden, dass er sich entschloss, in
Cadinen eine Majolika-Werkstätte zu gründen. Bohrungen ergaben ein
großflächiges Tonlager von 60 Metern Höhe. Die Untersuchungen des
Tones durch die Königl. Porzellanmanufaktur Berlin und das
Materialprüfungsamt, bestätigten die Voraussagen, dass der Cadiner Ton
zur Erzeugung hochwertiger Keramiken geeignet war. Auf Veranlassung des
Kaisers, der die Vorarbeiten mit großem Interesse verfolgte, entstanden
die Terrakotta- und Majolika-Werkstätten - letztere wurde 1905
eröffnet - deren Erzeugnisse sich von den üblichen fabrikmäßigen
Keramiken unterscheiden sollten. Wilhelm II. war
für die Cadiner Manufaktur in jeder Beziehung der maßgebende Mann: als
Eigentümer, Organisator und Finanzier des Unternehmens, als
künstlerisch ambitionierter Laie, der sich auf Reisen nach Motiven für
die Gestaltung der Produkte umsah und angesehene Maler und Bildhauer mit
Entwurfsarbeiten beauftragte. Das Produktionsprogramm unterlag im Lauf
der Jahrzehnte manchem Wandel. Diesen Nachbildungen
folgten solche der altitalienischen Majoliken der Renaissance, u.a.
Reliefs nach Luca della Robbia und Originalen von Donatello und
Rosellino. Wandteller und Vasen aus der gleichen Zeit vervollständigten
das Programm, wobei es sich um mit Handmalerei dekorierte Stücke
handelte, die für viele Jahre die Cadiner Produktion bestimmten. Cadiner
Baukeramik Hier konnte sich ein
Mäzenatentum beweisen, das durch das Interesse und die stets offene
Hand des Kaisers für seine Werkstätten auch auf dem Gebiet der
Baukeramik Früchte trug. Die ersten Versuche auf baukeramischem Gebiet
wurden in Cadinen selbst gemacht. Jeder Baukeramikentwurf war ein
Unikat. Es folgen einige Beispiele für Cadiner Baukeramik. 1908 erschien Wilhelm II. zur Eröffnung einer neuen
Berliner U-Bahnstrecke und besichtigte den neunen U-Bahnhof Kaiserhof,
dessen Decken- und Wandverkleidungen und übriger keramischer Schmuck
aus Cadinen stammte. Von einem solchen kaiserlichen Besuch versprachen
sich clevere Geschäftsleute von den Weinstuben Kempinski und von dem
bekannten Kaufhaus Wertheim in der Leipziger Straße einen schönen
Werbeeffekt auch für ihre Unternehmen. Deshalb bestellten sich für
ihre Neubauten Keramik in Cadinen und prompt kam der Kaiser auch hier
zur Eröffnung, womit er gleichzeitig auch seiner Manufaktur wieder
einen werbewirksamen Dienst erwies. Zusammen mit dem U-Bahnhof Kaiserhof
(später Ernst Thälmann-Platz) erhielten 1908 auch der U-Bahnhof
Reichskanzlei-Platz (heute Theodor Heuß-Platz) Keramik-Schmuck. 1913
folgte der U-Bahnhof Kloster-Straße. Die Brückentorbauten der
Weichselbrücken in Dirschau und Münsterwalde (1909) wurden mit
farbigen Kachelbordüren und Terrakotta-Reliefplaketten ausgeschmückt. Das Weinhaus Kempinski gab seinem
nobel geschmückten Speisesaal den Namen "Cadiner Saal" (1910)
und Wertheim ließ ebenfalls 1910 einen Innenhof zum "Cadiner
Hof" gestalten. Leider wurde während des 2. Weltkrieges
vieles vernichtet. Zerstört wurde nicht nur der Trausaal der Synagoge
in der Fasanenstraße in Berlin, ein Geschenk der Jüdischen Gemeinde
aus dem Jahr 1912, die 1938 der "Reichskristallnacht" zum
Opfer fiel. Copyright Christa Mühleisen |