Cadinen -Teil 6

Cadiner Ziegelei




Bild 113: Blick über das Gut auf das Frische Haff

Die reichen Tonlager um Cadinen und an einem großen Teil der Haffküste entlang hatten längst ihre praktische Ausnutzung erfahren. Es waren große Ziegeleien entstanden und der Vertrieb von Cadiner Kacheln und Ziegeln (Backsteinen) reichte weit über die örtlichen Bezirke hinaus. Nach der Übernahme des Gutes durch den Kaiser wurde auch die Ziegelei modernisiert und vom bisherigen Handstrichbetrieb,  wie er im Osten bei vielen Gutsziegeleien üblich war,  auf maschinelle Fertigung umgestellt, um ausreichendes Material für die neuen Cadiner Arbeiterwohnungen zu liefern. 



Bild 114: Transportbahn in der zur Kaiserlichen Herrschaft Cadinen gehörigen Ziegelei (um 1900)

Sie wurde von der AG für Feld- und Kleinbahnen-Bedarf vorm. Orenstein & Koppel, Berlin - Königsberg i. P. geliefert. Die Kipploren wurden von einem Pferd gezogen und vom Tonlager zur Ziegelei transportiert.




Bild 115:  Transportbahn der  Ziegelei (um 1900)

Die hier abgebildeten kleinen Wagen, die wohl zum Transport der Majolika-Ziegel von und zu den Brennöfen dienten, wurden ausschließlich von Hand bewegt.




Bild 116: Hier sieht man die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Cadiner Ziegelei




Bild 117: Frauen bei der Arbeit in der Ziegelei




Bild 118: Vorderansicht der Ziegelei - Auf der weißen Tafel steht "Glückauf 1699"




Bild 119: Rückseite der Ziegelei mit einer Rampe




Bild 120: Geschäftspost der Königlichen Ziegelei mit der Siegelmarke der Königlichen Verwaltung der Herrschaft Cadinen 

Vor 1938 hatte die Ziegelei 2 Ringöfen, von denen der eine 140 000 Ziegelsteine und der andere 180 000 fasste. Zwei Ziegelpressen mit Kollergang produzierten täglich 24 000 und 17 000 Steine, zwei Dachpfannenpressen lieferten täglich 6000 Stück. 15 Trockenschuppen waren vorhanden 1938 wurde die Ziegelpresse I mit Keller' scher Vollautomatik und eine Trocknerei für 60 000 Rohlinge nach dem System Keller eingerichtet.

1943 lagen schon mehrere Ziegeleien still. In Cadinen wurde eine 3. Pfannenpresse eingebaut und die Trocknerei erweitert. Dadurch stieg die Jahresproduktion auf 10 Millionen Einheiten. Absatzgebiet war vor 1939 hauptsächlich Königsberg, Pillau, Elbing, das Oberland und Braunsberg. Während des Krieges gingen viele Lieferungen nach Danzig und Gotenhafen (Gdingen).

1938 wurde der Ziegeleihafen, der rasch verschlickte, und jedes 2. Jahr ausgebaggert werden musste, zum wehrwirtschaftlichen Hafen erklärt. Dadurch erhielt Cadinen Erleichterung in der Instanthaltung des Hafens. In der Vollsaison waren in der Ziegelei 120 Leute beschäftigt, darunter 25 Frauen und Mädchen. Sie kamen zu 80% aus Tolkemit, die anderen aus Lenzen, Baumgart und Cadinen.

Die Sowjetrussen bauten 1945 die Maschinen aus.




Bild 121: Cadiner Ziegel (40er Jahre) heute noch zu sehen an einem Gebäude in Cadinen

(Sammlung von Herrn Artur Nowicki)




Bild 122: Lageplan von Cadinen (1914)

Am linken Bildrand sind die Gebäude der Majolikawerkstatt zu sehen

(Sammlung von Herrn Artur Nowicki)


Cadiner Majolika - 1

Was ist Majolika? "Majolika" bezeichnet italienische, mit farbiger oder weißdeckender Glasur überzogene Keramik des 15.-17. Jahrhunderts. Der Name leitet sich ab von "Mallorca". Von dort kam maurische Keramik im Mittelalter nach Italien. Im 19. Jahrhundert wurde dieses Kunsthandwerk wieder entdeckt und auch in Deutschland verbreitet. 



Bild 123: Das Kaiserpaar in Cadinen (23.08.1902)

Auf dieser Ansichtskarte ist eine Motorlokomotive der Feldbahn der Majolika-Manufaktur Cadinen zu sehen. Sie wurde 1902 von der Motorenfabrik Oberursel AG gebaut und am 6. Juni 1902 Sr. Majestät Kaiser Wilhelm II. in Cadinen vorgeführt. Die Lok erhielt eine Prämierung des Kaisers. Im gleichen Jahr lieferte Oberursel eine zweite Lok nach Cadinen. Beide Motorenlokomotiven waren zweiachsig, hatten Stangenantrieb und leisteten 3 PS.



Bild 124: Motorlokomotive der Feldbahn in Cadinen von der Motorenfabrik Oberursel AG 

(Sammlung von Herrn Artur Nowicki)

Dass es in Cadinen zu einer Majolika-Manufaktur kam, ist einem Zufall zu verdanken: ein gemaltes Kaiserliches Wappen, das Wilhelm II. zum Zeichen des Besitzwechsels über einer großen Scheune des Gutshofes anbringen ließ, war vom Regen alsbald abgewaschen worden. Der kaiserliche Generalbevollmächtigte, Landrat Rüdiger von Etzdorf, holte sich Rat bei dem Bildhauer Ludwig Manzel, den er in Italien kennen gelernt hatte. Manzel, der in Italien Kunstwerke aus Majolika eingehend studiert hatte, schlug vor, das Wappen in glasiertem farbigem Ton auszuführen. Wilhelm war damit einverstanden und dann mit dem von der Tonwarenfabrik March angefertigten Wappen auch so zufrieden, dass er sich entschloss, in Cadinen eine Majolika-Werkstätte zu gründen.

Bohrungen ergaben ein großflächiges Tonlager von 60 Metern Höhe. Die Untersuchungen des Tones durch die Königl. Porzellanmanufaktur Berlin und das Materialprüfungsamt, bestätigten die Voraussagen, dass der Cadiner Ton zur Erzeugung hochwertiger Keramiken geeignet war. Auf Veranlassung des Kaisers, der die Vorarbeiten mit großem Interesse verfolgte, entstanden die Terrakotta- und Majolika-Werkstätten - letztere wurde 1905 eröffnet - deren Erzeugnisse sich von den üblichen fabrikmäßigen Keramiken unterscheiden sollten.  




Bild 125: Die Majolika mit Direktionsgebäude

Wilhelm II. war für die Cadiner Manufaktur in jeder Beziehung der maßgebende Mann: als Eigentümer, Organisator und Finanzier des Unternehmens, als künstlerisch ambitionierter Laie, der sich auf Reisen nach Motiven für die Gestaltung der Produkte umsah und angesehene Maler und Bildhauer mit Entwurfsarbeiten beauftragte. Das Produktionsprogramm unterlag im Lauf der Jahrzehnte manchem Wandel.

Im Frühjahr 1907 wurden zum ersten Mal Cadiner Erzeugnisse im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus in Berlin ausgestellt und verkauft. Das Bestreben der künstlerischen Leitung ging in erster Linie dahin, sich - wenigstens in der Anfangszeit - an antike Muster anzulehnen und diese möglichst getreu nachzubilden. Gelegentlich wurden auch religiöse Motive gestaltet, man begann aber auch, Teller und Schalen herzustellen, die vorerst mehr zum Schmuck als zum Gebrauch gedacht sind. Vorher waren unter dem kaiserlichen Einfluss zunächst Nachbildungen griechisch-etruskischer Vasen und Schalen entstanden. Dabei kam die naturrote Brennfarbe des Cadiner Tones diesen Keramiken sehr entgegen, die dann den Originalstücken entsprechend eine Bemalung mit Schwarz und Weiß erhielten.




Bild 126: Griechische Vase aus Haus Doorn (Niederlande)

Diesen Nachbildungen folgten solche der altitalienischen Majoliken der Renaissance, u.a. Reliefs nach Luca della Robbia und Originalen von Donatello und Rosellino. Wandteller und Vasen aus der gleichen Zeit vervollständigten das Programm, wobei es sich um mit Handmalerei dekorierte Stücke handelte, die für viele Jahre die Cadiner Produktion bestimmten.

Was ein anderes Unternehmen dieser Art sich wohl kaum hätte leisten können, zumal die Vielfalt der Entwürfe bei anfänglich relativ geringen Stückzahlen erhebliche Kosten verursachte, war die Tatsache, dass Künstler von Rang und Namen herangezogen wurden. Einige Namen mögen stellvertretend auch für andere stehen:

Cuno von Uechtritz (1856-1908), Ludwig Manzel (1858-1936) sowie Paul Heydel (geb. 1854), der sich in hervorragender Weise um die Majolika-Technik in Cadinen verdient machte.

Eine sehr wichtige Person für die Cadiner Majolika-Manufaktur war Wilhelm Dietrich. Er wurde am 11. Februar 1889 in Lichte (Thüringen) geboren. Schon während der Schulzeit besuchte Dietrich die keramische Fachschule in Lichte, die von Prof. Louis Hutschenreuther geleitet wurde, der Dietrich sehr förderte. Über Dresden, wo er von seinem Onkel, der ebenfalls Maler war, in seinem Fach ausgebildet wurde, kam er nach Berlin zu Paul Heydel. Als dessen Meisterschüler arbeitete Dietrich an Aufträgen, die Heydel für Cadinen erhalten hatte und kam auf diesem Weg 1908 nach Cadinen. Das war zu der Zeit, als die Terrakotten in italienischer Manier hergestellt wurden.




Bild 127: Büste Kaiser Wilhelm II., Terrakotta, Entwurf Prof. Manzel (Haus Doorn)




Bild 128: Plakette mit Frauenkopf, um 1910, Entwurf von Ludwig Manzel - Ausstellung Lüneburg 2003




Bild 129: Relief "Mädchenkopf mit Rosen" um 1904, Entwurf Ludwig Manzel - Ausstellung in Lüneburg 2003




Bild 130 a: Blaue Dame, Entwurf Ludwig Manzel,  Abschiedsgeschenk der Gemeinde Lenzen an den scheidenden Pastor Schieweck im Jahr 1929.




Bild 130 b: Blaue Dame, Entwurf Ludwig Manzel




Bild 131: Wandteller von Paul Heydel (Pferdewagen) - Ausstellung in Lüneburg 2003




Bild 132: Frauenportrait nach einem Entwurf von Reinhold Karl Felderhoff - Ausstellung Lüneburg 2003


Cadiner Baukeramik

Hier konnte sich ein Mäzenatentum beweisen, das durch das Interesse und die stets offene Hand des Kaisers für seine Werkstätten auch auf dem Gebiet der Baukeramik Früchte trug. Die ersten Versuche auf baukeramischem Gebiet wurden in Cadinen selbst gemacht. Jeder Baukeramikentwurf war ein Unikat. Es folgen einige Beispiele für Cadiner Baukeramik.




Bild 133: Kaiser-Friedrich-Bad in Wiesbaden, ursprünglich Kassenhalle, heute Windfang, Cadiner Baukeramik 1913

1908 erschien Wilhelm II. zur Eröffnung einer neuen Berliner U-Bahnstrecke und besichtigte den neunen U-Bahnhof Kaiserhof, dessen Decken- und Wandverkleidungen und übriger keramischer Schmuck aus Cadinen stammte. Von einem solchen kaiserlichen Besuch versprachen sich clevere Geschäftsleute von den Weinstuben Kempinski und von dem bekannten Kaufhaus Wertheim in der Leipziger Straße einen schönen Werbeeffekt auch für ihre Unternehmen. Deshalb bestellten sich für ihre Neubauten Keramik in Cadinen und prompt kam der Kaiser auch hier zur Eröffnung, womit er gleichzeitig auch seiner Manufaktur wieder einen werbewirksamen Dienst erwies. Zusammen mit dem U-Bahnhof Kaiserhof (später Ernst Thälmann-Platz) erhielten 1908 auch der U-Bahnhof Reichskanzlei-Platz (heute Theodor Heuß-Platz) Keramik-Schmuck. 1913 folgte der U-Bahnhof Kloster-Straße.



Bild 134: Kacheln im Berliner U-Bahnhof Klosterstraße, Ausgang Stadthaus. Dasselbe Fliesenbild gibt es auch in der Villa Kretschmar in Berlin-Wannsee - Entwurf Paul Heydel 1907.

Die Brückentorbauten der Weichselbrücken in Dirschau und Münsterwalde (1909) wurden mit farbigen Kachelbordüren und Terrakotta-Reliefplaketten ausgeschmückt.



Bild 135: Neue Brücke in Dirschau 

Das Weinhaus Kempinski gab seinem nobel geschmückten Speisesaal den Namen "Cadiner Saal" (1910) und Wertheim ließ ebenfalls 1910 einen Innenhof zum "Cadiner Hof" gestalten. 



Bild 136: Der Cadiner Saal im Weinhaus Kempinski - erbaut von den Architekten Hart, Berlin und Lesser

Leider wurde während des 2. Weltkrieges vieles vernichtet. Zerstört wurde nicht nur der Trausaal der Synagoge in der Fasanenstraße in Berlin, ein Geschenk der Jüdischen Gemeinde aus dem Jahr 1912, die 1938 der "Reichskristallnacht" zum Opfer fiel.

Nur der U-Bahnhof Theodor Heuß-Platz weist heute noch Cadiner Baukeramik auf. In Wiesbaden ist noch die frühere Kassenhalle (jetzt Windfang) des 1913 errichteten Kaiser-Friedrich-Bades mit Cadiner Baukeramik erhalten.


Teil 7 oder Index

Copyright Christa Mühleisen