Schloss Finckenstein im ehem. Kreis Rosenberg in Westpreußen - von Christa Mühleisen
- Dorf und
Schloss Finckenstein liegen
sechs Kilometer nördlich der Kreisstadt Rosenberg (Susz) in dem
westpreußischen Regierungsbezirk Marienwerder, der 1920 wieder mit
Ostpreußen vereinigt wurde. 28 Kilometer östlich von Marienwerder,
sind sie eingebettet in die leicht gewellte, seen- und waldreiche
Landschaft zwischen dem breiten Stromtal der Weichsel und dem
Höhengebiet des Oberlandes von Osterode.
Teil 1: Geschichte Teil 1 und
Architektur Bild 2: Gartenfassade von Osten,
Farblithographie von Alexander Duncker 1866 Die Geschichte der
Begüterung und des Dorfes Finckenstein reicht bis in die Ordenszeit
zurück. Sie wird zuerst unter dem Namen "Hawirsdorf" 1339 urkundlich
erwähnt und gehörte damals zum Bistum Pomesanien mit Sitz in
Marienwerder. Pomesanien wurde in das 1525 durch Herzog Albrecht
neugeschaffene Herzogtum Preußen einbezogen. Der spätere Besitzer, Albrecht Conrad (Reinhold) Finck von Finckenstein (1660-1735), hatte eine schwere Kindheit. In einem armseligen Bauernhause, wohin seine Eltern Zuflucht vor der Pest gesucht hatten, wurde er wenige Tage nachdem sein Vater der Seuche erlegen war, am 30. Oktober 1660 zu Saberau im Amte Soldau geboren. Drei Jahre danach verlor er auch seine Mutter. Als Waise zunächst bei seinem Onkel, dem Obersten von Rosen, aufgenommen, wuchs er von seinem siebenten bis sechzehnten Lebensjahr in Gilgenburg bei seiner Halbschwester Juliane Charlotte auf, die mit ihrem entfernten Vetter Ernst Finck von Finckenstein verheiratet war. Ernst (1633-1717) - dem der junge
Schwager seine sorgfältige Erziehung lebenslang dankte - war ein Mann von
ungewöhnlichem Format. Der ehemalige Kammerjunker und Adjudant des
Großen Kurfürsten hatte es verstanden, zu dem väterlichen Besitz,
insbesondere dem Erbamt Gilgenburg, eine außerordentliche Gütermasse mit
zwei weiteren preußischen Erbämtern zu erwerben und zu wirtschaftlicher
Blüte zu bringen, weshalb er den Beinamen "der reiche Schäfer"
erhielt. Seine Gestalt eines in Kriegs- und Hofdienst bewährten
Edelmanns, der seinen Nachkommen mehrere ökonomisch gut fundierte
Schlösser und Herrensitze erwarb, beziehungsweise selbst ausbaute, ist
für Albrecht Conrad Vorbild gewesen, hat der ganzen Familie Finckenstein
Maßstäbe gesetzt. Im Frühjahr 1676 folgte Albrecht Conrad seinem
Halbbruder, dem brandenburgischen Kapitän Christoph Reinhold, auf den
niederländischen Kriegsschauplatz, wo er als Freiwilliger im Heere
Wilhelms III. von Oranien den Feldzug mitmachte, bis er im folgenden Jahr
in der Schlacht bei Mont Cassel verwundet in die Hände der Franzosen
fiel. Aus der harten Gefangenschaft konnte er sich durch den Eintritt in
das französische Regiment Fürstenberg befreien. Er nahm an den
Feldzügen gegen Spanien teil und wurde nach dreijährigem Dienst als
Musketier zum Offizier befördert. Als Ludwig XIV. in die Pfalz einfiel
und der Reichskrieg gegen ihn erklärt wurde, reichte der französische
Kapitän 1689 seinen Abschied ein und erhielt in der brandenburgischen
Armee eine Bestallung als Major. Im pfälzischen Krieg durch Tapferkeit
und glänzende Truppenführung zum Brigadier aufgestiegen, hatte er im
spanischen Erbfolgekrieg an der Seite von Prinz Eugen mehrfach die
Gelegenheit sich auszuzeichnen. Die besondere Anerkennung des Prinzen
Eugen, die ungewöhnlich rasche Beförderung zum Generalleutnant (im
März 1705) und die Amtshauptmannschaft Crossen waren sein Lohn. Bild
4: Bildnis des Generals Jean de Bodt (1670-1745) aus dem Jahre 1729, nach
einem Gemälde von Louis de Silvestre in der Gemäldegalerie in Dresden. Das äußere Gesamtbild des
Schlosses Finckenstein, wie es seit 1716 von dem Bauherrn errichtet wurde,
war, von wesentlichen Einzelheiten abgesehen, bis zur Zerstörung intakt
geblieben. Die Beschreibung muss mit dem Hauptzugang von Westen, aus der
großen, sehr alten Lindenallee (die Kalklinden) beginnen. Sie war zuletzt
über einen Kilometer lang und verlief genau in der Mittelachse von Vorhof
und Schloss. Sie führte direkt auf das Eingangstor an der Dorfstraße zu,
welche sie rechtwinklig überquerte. Bild 7: Die Einfahrt flankierten zwei
gemauerte Pfosten, die mit skulptierten, steinernen Ziervasen bekrönt
waren. Den Vorhof umgibt, symmetrisch zur Mittelachse beiderseits angeordnet, eine mehrgliedrige wohl abgewogene Gebäudegruppe, wie man auf der Luftaufnahme gut erkennen kann. Bild 8: Luftaufnahme von Schloss
Finckenstein mit seinem schönen Park Der Dreiflügelbau des Schlosses steht genau in den Himmelsrichtungen, der Ehrenhof mit der Auffahrt nach Westen, die Gartenseite nach Osten. Es ist ein Putzbau mit Mansardendächern. Auf dem Halbgeschoß der Kellerräume erheben sich zwei Stockwerke. An der Architektur der Seitenflügel ist auffällig, daß sie dreistöckig sind. Zwischen Unter- und Obergeschoß, die beide die gleiche äußere Höhe wie im Mitteltrakt haben, ist ein niedriges Viertelsgeschoss eingefügt, dessen Fenster den Blenden am Hauptbau entsprechen. Zwischen den beiden Stockwerken läuft gleichmäßig, rings um den Gesamtbau, die Reihe der Blenden, die an den Flügeln und in der ersten Achse des Mitteltaktes als kleine Fenster geöffnet sind. Das Bauwerk in seiner einfachen,
klaren Form als Dreiflügelbau mit je einem Risalit (Gebäudevorsprung) an
den beiden Haupt-Fronten hat eine Gliederung, die wesentlich durch die
Farben Weiß und Rot mitbestimmt wird. Dieselben Farben haben auch
die seitlichen Wirtschaftsgebäude, die Kirche, Schule, Beamten- und
Arbeiterhäuser sowie das Vorwerk. Bild 10: Risalit an der Westfront Bild 11: Das Hauptportal des
Schlosses Am Hauptportal umgeben
zwei flache Pilaster und ein doppeltes Gesims die Türe. Darüber liegt ein
gesprengter Dreiecksgiebel. In der Mitte steht auf einer Konsole eine
skulptierte Vase, geziert von Maskarons (fratzenhafte Masken). Der Balkon wird von Voluten
getragen. Er hat das ursprüngliche geschmiedete Gitter und zeigt in der
Mitte wie der Balkon der Gartenfront ein großes ornamentales "F." Bild 12: Balkon und Skulpturengiebel des
Westrisalits. In diesem mächtigen Dreiecksgiebel befinden sich Sandsteinskulpturen in guter Bildhauerarbeit: In der Mitte das große Wappen des Marschalls, beiderseits von zwei aufgerichteten widersehenden Löwen mit Bannern gehalten, inmitten von Trophäen, Feldzeichen, Waffen, Köchern, Fahnen, Trompeten, Geschützrohren und Kugeln. Das Finckensteinsche Wappen ist gevierteilt und mit einem Herzschild belegt. Der Mittelschild zeigt das Stammwappen, zwei schlanke, von einander abgewendete Halbmonde, die sich berühren, überhöht von einem achtstrahligen Stern. Im ersten und vierten Viertel ein aufgerichteter nach links (heraldisch nach rechts) gewendeter Löwe, im zweiten und dritten eine Blätterkrone. über dem Schild die Grafenkrone mit neun Perlen, besetzt mit zwei gekrönten Helmen, der erste (heraldisch rechte) mit den Halbmonden und dem Stern, der andere mit einem Doppeladler. Über dem Wappenaufbau ein breites gewelltes Schriftband, mit dem Wahlspruch des Bauherrn: EX DURIS GLORIA. Unter dem Wappen hängt das Kreuz des preußischen Schwarzen Adlerordens an der um den Schild geschlungenen Kette des Ordens. Bild 13: Risalit der Ostfront Die Risalite (Gebäudevorsprünge) im einzelnen werden durch die Treppen und Portale, durch die Balkone und einen reichen Skulpturenschmuck hervorgehoben. Der Vorbau der Gartenfassade ist anders ausgeführt als der Hofrisalit. Auf den Giebelschrägen über der Tür liegen beiderseits der Schmuckvase zwei lebensgroße allegorische Frauenfiguren. Die rechte Gestalt verkörpert, mit zwei Büchern in der Hand, die Historie (Geschichte). Die Deutung der linken Frauenfigur ist zweifelhaft, weil die rechte Hand abgesplittert ist und man leider nicht mehr weiß, was sie einmal in der Hand gehalten hat. Der obere Teil des Gartenrisalits an der Ostfront hat keinen Dreiecksgiebel, sondern trägt eine hoch hinaufgeführte Attika. Sie baut sich über einen Untersatz mit drei Rundfenstern auf einem stark ausladenden Gesims auf, das eine Reihe von vier gedrungenen Pfeilern trägt. Sie sind die Postamente für vier lebensgroßen Sandsteinfiguren. Außen sind beiderseits zwei bärtige Männergestalten dargestellt, zwischen ihnen zwei Frauen. Sie sollen die vier Jahreszeiten verkörpern. Bild 14: Ostportal mit Balkon Bild 15: Diese Kupfertiefdruckkarte wurde am 22.10.1928 in Elbing gestempelt und nach Stuttgart geschickt.
Inzwischen hatte der General den Besitz erweitert und abgerundet. 1710
erwarb er das weiter südöstlich gelegene Peterkau, fünf Jahre später
das im Norden anstoßende Görken und das südöstlich angrenzende Gut
Albrechtau erwarb er im Jahre 1731.
Während Albrecht Conrad den künftigen "Soldatenkönig" zweimal auf den Kriegsschauplatz begleitete, bewies er unter dessen Augen seine Feldherrngabe. Marlborough schrieb ihm wesentliche Verdienste um die Einnahme der Festung von Tournay und den Sieg von Malplaquet (1709) zu. Auf Veranlassung von Prinz Eugen erhob der Kaiser den hochverdienten General am 4. Febr. 1710 mit seinem Geschlecht in den Reichsgrafenstand. 1717 wurde er Gouverneur von Memel und Ende 1718 zum General der Infanterie befördert. Anstelle des Gouvernements von Memel wurde ihm 1728 das von Pillau übertragen und zugleich das Kommando über sämtliche Regimenter in (Ost-) Preußen. Nachdem ihm im Jahre 1728 die höchste Auszeichnung Preußens, der Schwarze Adler-Orden verliehen war, wurde der Greis von seinem Erzieheramt am 28. März 1729 in Gnaden entbunden. Als Soldat blieb Finckenstein bis zu seinem Lebensende in Dienst. Friedrich
Wilhelm I., Kronprinz und König in Preußen schrieb folgenden Brief an
Conrad Graf Finck von Finckenstein (Übersetzung aus dem Französischen): Mit Vergnügen
habe ich aus Ihrem Brief vom 3. des Monats entnommen, daß Sie den
Heiratskonsens für meinen Staatsminister von Viereck mit Ihrer ältesten
Gräfin Tochter erbeten haben. Da es eine angemessene Partie ist, erteile
ich dazu sehr gern meine Genehmigung und beglückwünsche Sie von ganzem
Herzen dazu. Unterdessen können Sie versichert sein, daß ich immerwährend
für Sie und Ihre Familie, die gleiche Zuneigung haben werde und daß ich
bin
Ein Hauptanliegen des über 70 Jahre alten Marschalls Albrecht Conrad Graf Finck von Finckenstein war 1732 der Bau der Grotte. Sein Hauptmitarbeiter war Paul Krottendorf, der Hofgärtner des Herzogs und der Herzogin von Holstein-Beck, einer Tochter des Bauherrn von Schlodien, Christoph Dohna. Die Grotte lag nah Süden, in der Frontlinie der Gartenseite des Hauses. Sie ist bis zuletzt erhalten geblieben. Es ist ein einstöckiges Bauwerk, an der Hauptfront mit vier quer gestreiften Wandpfeilern, Ecklisenen, einem breiten Gesims und hoher Attika, auf der ursprünglich fünf Kindersteinfiguren mit Blumen standen. Auf beiden Enden der Attika und auf dem First des Mansardendaches stehen in Vasen Ananas-Pflanzen, aus Blech montiert. Ein großes Tor und zwei kleine mit Rundbogen lassen das Innere erkennen. Das Innere der Grotte war an den
Wänden und an der hochgewölbten Decke reich mit Muscheln und Mineralien
besetzt. In der Mittelnische der Rückwand befand sich die sogenannte
"Kaskade", deren Wasser in ein breites Bassin strömte. Die
Decke hatte besondere Schnecken, die wie Krottendorf schreibt, zum Teil
täuschend nachgemacht waren. In den Nischen der Seitenwände standen die
1,50 m hohen Standbilder von Adam und Eva, die von einem unbekannten
Bildhauer in Königsberg gemeißelt wurden. Diese Steinfiguren und die
fünf Kinderfiguren wurden später (nach 1906) im Mittelparterre des
Gartens aufgestellt. In Würdigung seiner
außerordentlichen Verdienst verlieh der König dem Grafen von
Finckenstein den höchsten militärischen Rang, indem er ihn am 2. Mai
1733 zum Generalfeldmarschall ernannte. Gleich nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1740
berief Friedrich der Große die Witwe des Feldmarschalls zur
Oberhofmeisterin der Königinmutter Sophie Dorothea, eine Stellung, in
welcher die allgemein beliebte und geachtete Gräfin noch zwölf
Jahre lang wirken konnte. Den ältesten Sohn, Friedrich Wilhelm, ernannte
der junge König 1740 zu seinem Generaladjudanten, und vertraute ihm eine
wichtige Gesandtschaft an den sächsischen Hof an. Schon im nächsten Jahr
(1741) sollte der neununddreißigjährige unverheiratete Oberst bei Mollwitz zu
Tode verwundet werden. Sein jüngster Bruder Leopold hat als langjähriger
Flügeladjudant, zuletzt als Oberst, dem Monarchen ebenfalls
nahegestanden. Vor allem aber war es der dritte und bedeutendste Sohn des
Bauherrn, Karl Wilhelm (1714-1800), mit dem der große König nicht nur
sein ganzes Leben lang freundschaftlich verbunden blieb, sondern der ihm
auch als Kabinettsminister zum unentbehrlichen vertrauten Ratgeber und
leitenden Staatsmann wurde. Karl Wilhelm erwarb aus dienstlichen Gründen
das in der Nähe von Berlin gelegene Madlitz, wo die von ihm begründete
märkische Linie der Finckensteins fortan lebte. Bild
18: Dieser originale Kupferstich von Paul Andorff stammt aus der 2.
Hälfte des 19. Jahrhunderts und zeigt den preußischen Minister und
Vertrauten von Friedrich dem Großen, Karl Wilhelm Graf Finck von
Finckenstein im Umhang des Johanniter-Ordens mit Ordenskreuz, schwarzem
Adler-Orden und dem Pour-le-mérite. Unter der Darstellung steht
"gez. u. gest. v. Andorff". Copyright Christa Mühleisen
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