2.Teil: Die ersten Automobile (ab 1906), Erster Weltkrieg (1914-1918)





Bild 8: Firmenbrief von 1916




Bild 9: alte Ansichtskarte von 1916

 

Diese Karte wurde am 5.8.1916 gestempelt. Auf der linken Seite sieht man das Hotel de Berlin, daneben das Kaiserliche Postamt und auf der rechten Seite ist das Kaiser-Wilhelm-Denkmal zu sehen. Links vorne steht ein Auto der Firma Komnick.

1906 kaufte Franz Komnick von der ehemaligen Leinen-Industrie AG am Elbingfluß ein rund 100000 qm großes Industriegelände, um eine Automobilfabrik zu bauen. Die nächsten Automobilfabriken lagen 600 km von Elbing entfernt in Berlin und Stettin. Dies sollte bis 1945 so bleiben. Bereits 1907 wurden die ersten PKW gebaut und ab 1908 das Programm durch die Produktion eines Tragpfluges (auch Kraft- oder Motorpflug genannt) erweitert. 

Der "Komnick-Wagen" war bis etwa 1915 unter den deutschen Fabrikaten der einzige, der wie der französische Renault den Kühler hinter dem Motor hatte. Komnick erreichte damit, neben einem besseren Zugang zum Motor, eine geringere Staubaufwirbelung durch den Kühlventilator. Außerdem konnte die Kühlerhaube schnittiger gestaltet werden, als dies bei damaligen Konkurrenzprodukten der Fall war. Die Wagen fanden auch gleich guten Absatz, vor allem in Königsberg, Danzig und Elbing. So waren z. Bsp. auch die ersten Königsberger Autodroschken Elbinger Erzeugnisse.

Alle PKW hatten Reihenmotoren mit vier Zylindern und, zunächst noch mit Konuskupplung ausgerüstet, Vierganggetriebe. Die Kraft des Motors wurde über eine Kardanwelle auf die Hinterachse übertragen.

Schließlich hatten die umfangreichen Anlagen der Automobilfabrik die Errichtung einer Lokomotiv - Reparaturwerkstätte ermöglicht. Die erforderlichen Einrichtungen, wie schwere elektrische Laufkräne von 70 t Tragfähigkeit zum Heben und Transportieren der schwersten Lokomotiven und eine 20 m große Lokomotivdrehscheibe usw., waren vorhanden. 



Bild 10: das erste Elbinger Auto

Großes Aufsehen erregte dieses Ungetüm, das im Jahre 1906 als erstes Elbinger Auto über holprige Landstraßen nach Königsberg schnaufte. Etwa drei Stunden Fahrzeit brauchte man damals für diesen luftigen Ausflug. Besitzer des Wagens war Herr Westenberge. Überall, wo das Gefährt auftauchte, wurde es als der Kraftwagen des deutschen Kronprinzen, der damals sehr häufig mit einem ähnlichen Fahrzeug nach Ostpreußen kam, umjubelt.
Der Komnick-Wagen gewann bald Ansehen und Freunde. Aus Qualitätsgründen und um vom Verkehrsweg unabhängig zu sein, wurde möglichst alles selbst hergestellt. Ihre Zuverlässigkeit bewiesen sie zuerst auf den beiden vom Kaiserlichen Automobilklub veranstalteten Prinz-Heinrich- Fahrten 1907 und 1908. Der eine der drei Wagen  mit dem 10/30-Vierzylinder-Motor wurde von dem ältesten Sohn, dem in Danzig studierenden Bruno Komnick gesteuert.




Bild 11: Ein Komnick 14/30 PS als Ausstellungsfahrzeug 1908



Bild 12: Der Rote Teufel: Otto Komnick mit seinem Rennwagen

Diejenigen Söhne des Firmeninhabers, die ihrem Alter nach dazu in der Lage waren, durchbrausten bereits in den Anfangszeiten der väterlichen Autofabrikation die Stadt Elbing mit 30 oder 40 Stundenkilometern.

Besonders schlimm trieb es der Sohn Otto Komnick (Bild oben), der Rennfahrer und das "enfant terrible" der Familie Komnick. Einmal raste er mit seinem roten Flitzer (Roter Teufel genannt) im Vogelsang die Freitreppe hinauf, mitten ins Café hinein, so daß sich die Gäste mit einem Sprung in Sicherheit bringen mußten. Schließlich riß seinem Vater der Geduldsfaden und er warf Sohn Otto hinaus. Dieser wanderte dann vor dem Ersten Weltkrieg in die USA aus.

Im September 1910 fanden südlich von Elbing (bei Rogehnen) die großen Kaisermanöver statt. Mit der Anwesenheit des Kaisers in einer Provinz waren nach altem preußischem Brauch in der Regel Ehrungen bedeutender Männer des betreffenden Landesteiles verbunden, und so empfing Franz Komnick zu seiner großen Überraschung damals für seine Verdienste um die Industrialisierung des deutschen Ostens von Kaiser Wilhelm II. die Ernennung zum Königl. Preußischen Kommerzienrat. 1908 war ihm schon der Kronen-Orden verliehen worden.

Wenige Tage nach der Ernennung zum Königl. Pr. Kommerzienrat wurde ihm durch die Heirat seiner ältesten Tochter Elise die häusliche Würde eines Schwiegervaters zuteil. Bei dieser groß angelegten Festlichkeit  trat am Polterabend eigentlich zum ersten Male das neu eingerichtete Wohnhaus auf dem Fischervorberg vor den zahlreichen Gästen in Erscheinung. An einem Fabrikfest am Tage nach der Hochzeit nahm die ganze Belegschaft von mehr als 2000 Mann mit ihren Familien teil.
Franz Komnick und seine Frau waren die aufmerksamsten Gastgeber, die man sich nur vorstellen konnte. Einige Persönlichkeiten, die im Hause Komnick verkehrten waren: die beiden Ärzte Dr. Neusitzer und Dr. Graffunder, Oberbürgermeister Dr. Merten, für dessen Berufung aus Posen sich Franz Komnick als Stadtverordneter sehr eingesetzt hatte, die Pfarrer der Kirche zu den Heiligen Drei Königen, Geheimrat von Etzdorff, der Verwalter des Kaiserlichen Gutes Cadinen, Direktor Björkegren von den Städtischen Werken, Medizinalrat Dr. Richter, Stadtforstrat Schroeder, seit 1912 Reichtagsabgeordneter, Direktor Maurenbrecher, der Leiter des Elbinger Stadttheaters, Syndikus Dr. v. Rüts und manche andere. 




Bild 13: Mit 18 PS ließen sich um 1910 neun Personen bewegen

Das Jahr 1910 brachte die mit einer Schnelligkeitsprüfung verbundene Riga-Fahrt des Ostdeutschen - Automobilklubs und das nächste Jahr die große russische Kaiserpreisfahrt St. Petersburg - Sewastopol über mehrere tausend Kilometer quer durch das russische Reich mit seinen zum Teil recht schlechten Straßen. Auch hierbei schnitten die beiden 17/50 PS Komnick-Wagen, deren einer wiederum von Bruno Komnick gesteuert wurde, sehr gut ab.



Bild 14: 17/50 PS - Komnick bei der Fernfahrt Petersburg - Sewastopol

Franz Komnick konnte nach ihrer Rückkehr neben den sehr wertvollen Städtepreisen von Riga und Reval vor allem den offiziellen Kaiserpreis in Empfang nehmen, den die Wagen in ihrer Klasse errungen hatten.  Noch einmal war der jungen Fabrik kurz vor dem Krieg ein großer Erfolg in Rußland beschieden, und zwar auf der großen St. Petersburger Jubiläums-Ausstellung zu Ehren des 300jährigen Bestehens des Zarengeschlechtes Romanow. Als Franz Komnick mit seiner Gattin in der russischen Hauptstadt weilte, erlebte er die Genugtuung, daß seinem Motorpflug bei einer internationalen Leistungsprüfung die Große Goldene Staatsmedaille zuerkannt wurde.



Bild 15: Komnick-Werbung für Motorpflüge

Die folgenden Bilder (Nr. 16-24) wurden von Stanislav Kiriletz zur Verfügung gestellt. Sie stammen von der zeitgenössischen russischen Presse aus den Jahren 1908 -1913.




Bild 16: Komnick 6-18 PS 1908 Cabrio S.P.B.




Bild 17: Komnick 6-18 PS 1909 Landaulet S.P.B




Bild 18: Komnick 6-18 PS 1909 Doppelphaeton S.P.B




Bild 19: Komnick 17-50 PS 1911 Torpedo




Bild 20: Komnick 17-50 PS Reval 1911 Lucke




Bild 21: Komnick 22-60 PS Moskau - Jaroslawl 1913 R. Winkler




Bild 22: Komnick 17-50 PS S.P.B - Kiev 1913




Bild 23: Komnick 17-50 PS S.P.B - Kiev 1913




Bild 24: Komnickwerbung Hilgendorf

Als wichtigste Ergänzung zur Automobilfabrik hatte Franz Komnick auf dem aufgeschütteten Gelände der Roßwiesen eine Stahlgießerei errichtet, die mit den  modernsten Bessemer-Öfen ausgestattet war und mit ihren Hallen einen Flächenraum von  5000 Quadratmetern bedeckte. Es war die größte Stahlgießerei Ostdeutschlands und  Elbing besaß die einzige Automobilfabrik in ganz Deutschland, die über ihr eigenes Stahlwerk verfügte. Hier wurde nicht nur für die eigenen Werke produziert, sondern auch für viele Automobilfabriken in Mitteldeutschland. Außerdem wurden große und schwere Stücke für die ostdeutsche Industrie hergestellt.




Bild 25: So sah der Serienbau von Motoren bei Komnick vor Kriegsbeginn aus.

Zu einer abermaligen Ausweitung der Komnick-Werke kam es, als in Danzig die Goßlerschen Gründungen, ein auf der Holm-Insel angesiedeltes , großes Eisenwalzwerk, zum Verkauf standen und von Franz Komnick erworben wurden.   Zu Kriegszeiten wurden hier nur Methylalkohol aus Holzabfällen (hauptsächlich Sägemehl) und aus dem gleichen Material Schmieröl hergestellt. 

Als in den ersten Augusttagen des Schicksalsjahres 1914 der Erste Weltkrieg begann, war F. Komnick so gut wie allein in seinem Elbinger Haus. Seine Gattin weilte mit der jüngsten Tochter Charlotte in den Vereinigten Staaten zum Besuch des Sohnes Otto, der dort nach Beendigung seiner einjährigen Militärdienstzeit in der amerikanischen Industrie tätig war.

Der älteste Sohn Bruno mußte ebenso wie der Schwiegersohn Komnicks vom ersten Tag an ins Feld.

Bald wurde die Lage des Landes östlich der Weichsel kritisch; viel hätte nicht gefehlt, so wären die Nogat- und Weichseldämme durchstoßen worden, um für die geplante Verteidigung der Weichsel ein Vorfeld-Hindernis zu schaffen. Franz Komnick ließ wichtige Akten, Zeichnungen, Geschäftspapiere und besonders wertvolle Modelle auf Lastkraftwagen verpacken, um sie über die Weichsel zu schaffen und in Sicherheit zu bringen. Doch kam es glücklicherweise durch den Sieg des Generalfeldmarschalls von Hindenburg in der Schlacht bei Tannenberg nicht zu einer russischen Besetzung Elbings.

Als Franz Komnick hörte, daß in den heißen Augusttagen 1914 unsere in Ostpreußen kämpfenden Truppen, vor allem die Feldflieger-Einheiten, sehr unter dem Mangel an schnellen, motorisierten Fahrzeugen litten, ließ er an sämtlichen bereits hergestellten PKW in Tag- und Nachtarbeit die Karosserien hinter den Führersitzen absägen. Die Aufbauten wurden entfernt, eine Pritsche mit Plane und Spriegel kam an deren Stelle, und die Fahrkabine erhielt ein Faltdach. Nach Ausstattung der Fahrzeuge mit Luftbereifung und Verstärkung der Federn konnte so in kürzester Zeit eine große Anzahl von 1/2 t Behelfswagen der nahen Front zugeführt werden. Dort wurde jedes dieser Fahrzeuge mit großer Freude begrüßt.

Durch diese Umbaumaßnahmen konnte Franz Komnick noch zahlreiche, bereits fertiggestellte Personenwagen an den Mann bringen, da auf Anweisung aus Berlin im Elbinger Werk keine Pkw, sonder nur noch Lkw hergestellt werden durften. Die Behelfstransporter müssen als Beginn der Nutzfahrzeugfertigung bei Komnick betrachtet werden.




Bild 26: Bei Kriegsausbruch zu Behelfslastwagen umgebaut: Pkw des Typs 17/50.




Bild 27: Auch bei den ersten Lkw befand sich der Kühler noch hinter dem Motor.

Die ersten richtigen Komnick-Nutzfahrzeuge waren Dreitonner mit Stahlgußspeichenrädern und Vollgummibereifung. Streng nach den Vorgaben der Heeresverwaltung mußten alle Lastwagen mit Kettenantrieb ausgerüstet werden. Mit ihrer aus dem Pkw-Bau übernommenen, windschnittigen Motorhaube, die zum Zwecke der besseren Kühlung des Motors jetzt mit Luftschlitzen versehen war, erhielten die Komnick-Lkw ein charakteristisches Aussehen. Der hinter dem Motor angeordnete Ventilator fungierte gleichzeitig auch als Schwungrad.



Bild 28: Dreitonner-Lastwagen vor Ablieferung an die Reichswehr




Bild 29: Mit Bajonett und Pickelhaube: Komnick-Lastwagen im Fronteinsatz.




Bild 30: Auslieferung der ersten kardangetriebenen Lkw an die Reichswehr.


Bei den nächsten Ausführungen mußte allerdings zugunsten eines konventionell vor dem Motor stehenden Kühlers auf das typische Erscheinungsbild verzichtet werden. Die an ihrem oberen Rand abgerundeten Kühlermasken trugen jetzt deutlich sichtbar den Komnick-Schriftzug. Von Beginn an verfügten alle serienmäßig hergestellten Komnick-Lkw über ein festes Dach über dem Führersitz und eine linksseitig angebaute Tür. Die bei den Nutzfahrzeugen verwendeten Vierzylinder-Vergasermotoren waren in robuster Zweiblockausführung konzipiert worden. Dem Dreitonner war zwischenzeitlich ein Fünftonner zur Seite gestellt worden, der allerdings trotz erheblich gestiegener Nutzlast mit dem gleichen Vierzylinder-Triebwerk auskommen mußte.  




Bild 31: Dreitonner aus der zweiten Serien mit Kühler vor dem Motor




Bild 32: Der Bremser immer dabei: Fünftonner mit Komnick-Anhänger.

In der Maschinenfabrik wurde viel Heeresgerät aller Art angefertigt, u. a. auch Fahrzeuge für pferdebespannte Formationen. Außerdem wurde eine große Anzahl von Kraftpflügen hergestellt und an die Heeresverwaltung geliefert, die an der Front zur Landbestellung in besetzten Gebieten und als Zugmaschinen zum Einsatz kamen. In beiden Fabriken fanden auf diese Weise mehr als 3000 Beschäftigte eine Anstellung.

Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) wurde die Produktion mit Hilfe von etwa 800 französischen, belgischen und russischen Kriegsgefangenen aufrecht erhalten, die den Fabriken zugewiesen und dort in mustergültigen Räumen untergebracht und verpflegt wurden.

Nachdem Danzig aufgrund der Ereignisse des Ersten Weltkriegs zum Freistaat erklärt worden war, verlegte Franz Komnick die Produktion des Danziger Walzwerks (ehemaligen Goßlersche Gründungen) nach Elbing.  Mit  Hilfe der Kriegsgefangenen wurde also 1914/15 die große frühere Walzenstraßenhalle in der Elbinger Automobilfabrik aufgerichtet. Es war die sogenannte Hindenburghalle, in der später auch Konzerte für die Belegschaft und Versammlungen stattfanden. Abgesehen von kleineren Werken und Reparaturniederlassungen (z. B. auch in Rußland) befanden sich sämtliche wichtigen Produktionsstätten in Elbing.

Für die Automobilfabrik erwies sich die Stahlgießerei als besonders wertvoll, weil dort unzählige Granaten gegossen werden konnten.   


Die firmeneigene Stromversorgung war von 1915-1927 in Betrieb. Zeitweise wurde auch ein großer Teil von Elbing mit Komnickstrom versorgt. Sonst wurde der Strom vom "Ostpreußenwerk" bezogen.


Bild 33: Mein Großvater, der Maschinist Johannes Kapitzke (geb. am 10.3.1893) war vom 28.11.1918 - 1.10.1920 als Maschinenschlosser beim Aufbau der Maschinen in der Elektrischen Zentrale in der Automobilfabrik Komnick tätig.

Vom 1.10.1920 - 31.5.1923 war er als Maschinist in der Abteilung Kraftzentrale beschäftigt. Hier war er für die Wartung einer stehenden Verbund-Dampfmaschine von 1 500 PS - Leistung und allen damit in Zusammenhangstehenden Arbeiten verantwortlich.

 

3. Teil oder Index

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