Tolkemit - Tolkmicko - Teil 1 Die Stadt Tolkemit liegt etwa in der Mitte zwischen
den beiden Städten Elbing und Braunsberg direkt am Frischen Haff und
gehörte zum westpreußischen Landkreis Elbing, der von 1920 bis 1939
der Provinz Ostpreußen zugeordnet war. Nach 1945 erhielt die Stadt von
der polnischen Verwaltung den Namen "Tolkmicko."
Bild 1: Elbing und seine Landschaft - ein Federzeichnung von Ernst Kossol
Wann Tolkemit begründet ist, lässt sich nicht genau
sagen. Dass eine Ansiedlung hier in der Preußenzeit schon bestand,
darauf deutet nicht nur der Name, der altpreußischen Ursprungs ist,
sondern darauf weisen auch die zahlreichen Funde aus vorgeschichtlicher
Zeit hin, die bei Tolkemit gemacht worden sind, vor allem aber der
Burgwall, die Tolkemita, die südöstlich der heutigen Stadt liegt.
Bild 5: Diese Aufnahme entstand etwa 1936. Mit dem deutschen Orden kam auch der katholische Glaube in das Land.
In Tolkemit wurde 1344 eine Holzkirche erbaut, die aber bald durch
eine Kirche aus Stein ersetzt wurde. Sie wurde am 26. Oktober 1376 von
Heinrich Soerbaum, dem Bischof des Ermlandes dem siegreichen Kreuz und
zu Ehren der Jungfrau Maria und dem Apostel Jakobus geweiht. Da die Zahl der katholischen
Gläubigen ständig stieg, entschloss man sich im Jahre 1900 zu einer
Vergrößerung der Pfarrkirche St. Jakobus zur Kreuzform.
Bild 6: Diese Karte wurde am 26.8.1903 gestempelt. Links sieht
man das Innere der katholischen Pfarrkirche St. Jakobus und rechts das
Kaiserliche Postamt
Es folgten sehr bewegte Zeiten. Immer wieder zogen fremde
Heerscharen am Haff entlang. Sie plünderten und brandschatzten die
Stadt, die ohne wirksame Verteidigung war. Im 16. und 17. Jahrhundert
besetzten zuerst die Polen und dann die Schweden die Stadt, bevor sie
nach der 1. polnischen Teilung 1772 an Preußen gelangte. Die Starostei wurde daraufhin in ein
königliches Domänenamt umgewandelt. Die Preußen holten
Glaubensverfolgte aus Österreich, Holland, Frankreich und der Schweiz
ins Land, um einen Ausgleich für die durch mehrere Epidemien stark
reduzierte Bevölkerung zu schaffen.
Eine bedeutende Rolle spielte seit den frühesten Zeiten
in Tolkemit der Fischfang und die Frachtschifffahrt. Die Tolkemiter waren als kühne Seefahrer
bekannt, die mit ihren kleinen Fahrzeugen, Schoner (mit 2 Masten) und
Lommen (mit nur einem Mast) benannt, weite Fahrten unternahmen. 1862
wurde mit dem Bau des Hafens begonnen, der 1883 erweitert wurde. Das
hatte einen großen Aufschwung der Frachtschifffahrt mit den Tolkemiter
Lommen zur Folge, die auf den ortsansässigen Werften gebaut wurden. Die
Tolkemiter Lomme hatte einen breiten flachen Rumpf, der große Räume
zur Aufnahme der Ladung enthielt, mit einem breiten entenbrustartigen
Bug. Der Rumpf war in Klinkerbauweise ausgeführt, d. h. die
Planken waren schindelförmig übereinander gefügt. Die Schwerter an
den Bordwänden zu beiden Seiten verstärkten noch den Eindruck einer
Ente. Mit ihrer Hilfe konnte der Kurs während der Fahrt
stabilisiert werden. Die Lommen waren mit Gaffelsegel, Fock und Klüver
getakelt. Sie transportierten Frachten vom Hafen Tolkemit über das
Frische Haff zu den größeren Häfen Königsberg, Pillau, Peyse und zu
kleineren Häfen an der Haffküste, sowie über die Flüsse und Kanäle
nach Elbing und Danzig. Geladen wurden in der Hauptsache die heimischen
Erzeugnisse und industriellen Produkte. Am 18. und 19. April 1903 wurden mehrere Tolkemiter
Schiffe, die nach Rügen fuhren, Opfer eines Sturmes. Vor dem Ersten
Weltkrieg hatte Tolkemit noch 120 Schiffe, bis 1925 aber waren beinahe
2/3 davon entweder verkauft worden oder waren verfallen. In der Mitte
der 20er Jahren hatte Tolkemit also nur noch 25 Schoner, 15 Lommen und 3
Kurkähne, welche letztere davon ihren Namen haben, dass sie hauptsächlich
auf dem Kurischen Haff in Gebrauch waren. Sie haben eine besondere Form,
die sie weithin leicht erkennbar macht. Viel Beschäftigung fanden die
Tolkemiter Schiffer durch das "Steinzangen". Weit draußen vor
der Küste hoben sie mit speziellen Zangen die schweren Steine aus dem
Meer, die von den Hafenbauämtern gut bezahlt wurden. Der Tolkemiter
Hafen wurde auch mit diesen Steinen gebaut. In Küstennähe mussten
sie aber zum Wellenbrechen liegen bleiben. Bild 14: Lommen im Tolkemiter Hafen, dem einst größten
Segelbinnenhafen Europas.
Neben der Fischerei blühten besonders drei Erwerbszweige in Tolkemit: Die Störkocherei, die Kaviarbereitung und die Fischräucherei. Der Tolkemiter Kaviar hatte einstmals sogar einen bedeutenden Ruf. Im Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Tolkemit vier Stör- und Räucherbuden. Die in Cadinen bestehende Störbude wurde von Tolkemit aus bewirtschaftet. Das Rohmaterial wurde von der Weichsel und der Danziger Nehrung bezogen. Außerdem wurde in Tolkemit mit Fischernetzen gehandelt.
Von den Handwerken wurden besonders Töpferei und Böttcherei betrieben. Ihre
Erzeugnisse genossen einen besonders guten Ruf in Altpreußen. Jedes
dieser Gewerke hatte 30 bis 40 Meister. Die wohl stärkste
Arbeitsgruppe in der Bevölkerung stellten die Ziegeleiarbeiter mit
zeitweise mehreren Hundert Frauen und Männern, die bei den Ziegeleien in
Cadinen, Panklau, Succase und Reimannsfelde beschäftigt waren. Von
besonderer Bedeutung war seit jeher die Landwirtschaft. Viele
kleine Familienbetriebe beschäftigten mehr als 700 Personen. Zu
erwähnen sind auch noch die Schiffswerft und das Sägewerk, die
Amtsmühle und die Marmeladenfabrik.
Wie auf dem folgenden Briefumschlag zu sehen ist, gab
es in den 40er Jahren in Tolkemit zwei Niederlassungen des
"Hamburger Kaffee-Lagers": Am Markt Nr. 1 und Hinterhaken 5.
Inhaber war Kurt Jorzig. Copyright Christa Mühleisen
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