Teil 4 - 2. Weltkrieg und Nachkriegszeit

Schon auf den zur Zeit ältesten bekannten Machandelflaschen der Firma Heinrich Stobbe befand sich seit ca. 1897 u. a. der Schriftzug "Das Danziger Nationalgetränk". Diese Bezeichnung musste ab September 1939 auf Betreiben der Nationalsozialisten in "Danziger Spezialitätengetränk" geändert werden, da alles, was auf eine Danziger Nation hinwies, nicht mehr gefragt war.

Mit zunehmender Dauer des Krieges musste die Lieferung an die Zivilbevölkerung allmählich fast völlig eingestellt werden, und es wurde im wesentlichen nur noch für die Wehrmacht gearbeitet. 1942 wurde die Zweigfabrik in Marienburg geschlossen, so daß der Machandel nur noch in Tiegenhof herstellt wurde. Im Januar 1945 näherte sich das Kriegsgeschehen über Ostpreußen auch den Grenzen Westpreußens, so daß die Familie Stobbe von Tiegenhof nach Zoppot floh. Nur Bernhard Stobbe musste in Tiegenhof bleiben, da seine Firma ein sogenannter kriegswichtiger Betrieb war, und so lagerte er noch bis in die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs Machandel für die Wehrmacht ein.

Der katastrophale Ausgang des Krieges brachte Bernhard Stobbe den völligen Verlust seines gesamten Besitzes. Ein Betrieb, der der beste Steuerzahler der Stadt war, wurde mit allen Einrichtungen und über 45.000 Liter Machandel zurück gelassen. Am 23. März 1945 wurde der damalige Besitzer Bernhard Stobbe als Zivilist von den Russen ins Gefängnis gesteckt und dann mit anderen wehrfähigen Männern bis hinter den Ural deportiert, wo er zunächst in einem Bergwerk und später in einer Kolchose arbeiten musste. Erst am 23. Oktober 1949 wurde Bernhard Stobbe entlassen. 

Danach fuhr er zu seinem Sohn Ott-Heinrich, der in Oldenburg eine Bleibe gefunden hatte. Wenig später folgte auch seine Frau, die sich in Zoppot und Chemnitz aufgehalten hatte, nach. Unter großen Schwierigkeiten konnte sie wichtige Firmenunterlagen und das alte Familienrezept durch alle Nachkriegswirren retten. So ist es ihr unter anderem zu verdanken, dass Bernhard Stobbe  in Oldenburg die Neugründung der Firma Heinrich Stobbe KG in Angriff nehmen konnte. Das Grundstück für die neue Fabrik fand er auf dem Gelände der ehemaligen Dragonerkaserne in der Kanonierstraße Nr. 12 in Oldenburg. Nachdem mit Ausdauer, Zähigkeit und unter mancherlei Verzicht die gröbsten Probleme bewerkstelligt worden waren, konnte die Firma im Herbst 1951 neu gegründet werden. Sie wurde als Kommanditgesellschaft  unter der Bezeichnung Heinrich Stobbe KG ins Handelsregister eingetragen. 1954 fing Ott-Heinrich Stobbe als Angestellter in der Firma des Vaters an, wurde dann Kommanditist und hat die Firma zusammen mit seinem Vater geleitet. 

Zum Neuanfang der Firma Stobbe gehörte ein Faltblatt mit der Ansichtskartenserie, auf der Gustav Nord in der Rolle des Welutzke für den Machandel wirbt.

Welutzke war zusammen mit Bollermann
ein   Danziger   Original  -  zwei   Bowkes,
wie   man   in   Danzig   sagte    -     genau
wie   Tünnes  und   Schäl  in  Köln    oder
          Hein und Fietje in Hamburg.

Ein zweites weniger bekanntes Faltblatt wurde in den fünfziger Jahren gedruckt. Es zeigt einen gut gekleideten, damals in Köln lebenden Herrn beim Machandeltrinken. Dieses zweite Faltblatt war erforderlich geworden, weil die Symbolik, die dem mit Gustav Nord zugrunde lag, vielen in dem neuen Absatzgebiet nicht bekannt war, und so der Eindruck entstehen konnte, es handele sich hier um ein "Armeleutegetränk." Um solchen Eindrücken entgegen zu wirken, waren beide Faltblätter erhältlich, die unter anderem den Geschenkpackungen beigelegt wurden.







Bild 41 + 42: die 6 Abbildungen aus dem 2. Faltblatt

Selbstverständlich mussten auch wieder die beliebten Tönnchen und Tönnchenflaschen hergestellt werden. Zuerst wurde damit die Glashütte Lambrecht in Gnarrenburg beauftragt. Als sie aber die produktionstechnischen Probleme nicht in den Griff bekam, wandte sich Bernhard Stobbe unter anderem an die Glashütte Heye in Obernkirchen bei Bückeburg. Diese fand eine Lösung und erhielt den Auftrag zur Herstellung der Machandelflaschen, die sie in der Zeit von ca. 1960-1970 herstellte. Für die beliebten Tönnchen (Tönnchengläser) brachte das Jahr 1960 aus wirtschaftlichen Gründen das Ende der Herstellung.




Bild Nr. 43: Diese Tönnchenflasche hat auf der Rückseite die reliefartige Aufschrift  "Heinrich Stobbe Tiegenhof" und das Etikett "Deutsches Erzeugnis 38 Vol.%, hergestellt in Oldenburg (Oldb.). Auf dem Flaschenboden ist folgende Prägung zu sehen: "1/10" und das Firmenzeichen von Heye-Glas.



 Bild Nr. 44: Im Jahre 1960 wurde diese Reklame-Postkarte für Echt Danziger Machandel vom Herzoglichen Bräuhaus Tegernsee in Berlin - Charlottenburg  verschickt:




 Bild Nr. 45: Eine Ausschnittvergrößerung von obiger Postkarte 




 Bild Nr. 46: Die "Anweisung zum Einnehmen des Machandels" auf der Rückseite der Werbekarte. 

Im Jahre 1966 unterbreitete die Firma G. Vetter OHG in Wunsiedel / Fichtelgebirge der Firma Heinrich Stobbe KG ein Übernahmeangebot, auf das Bernhard Stobbe und die Kommanditisten aber nicht eingingen. Die immer härter werdenden Geschäftsbedingungen veranlassten Bernhard Stobbe, das inzwischen gekaufte Betriebsgebäude Kanonierstraße Nr. 12 ganz umzubauen und seinen Betrieb zu modernisieren. Doch trotz Modernisierung und verstärkter überregionaler Werbung machten sich in zunehmendem Maße negative wirtschaftliche Einflüsse bemerkbar. Hinzu kam unter anderem noch das Wegsterben von so manchen der alten Kunden, die nach dem Krieg ihrem alten "Nationalgetränk" treu geblieben waren. 1969 entschloss sich Bernhard Stobbe, die Firma zu verkaufen. In Anlehnung an das Übernahmeangebot von 1966 wandte sich Bernhard Stobbe an die Firma G. Vetter OHG. So endete also die Selbständigkeit der Firma Heinrich Stobbe KG nach nahezu 200 jähriger Firmentradition am 31.12.1969. Nach dem Verkauf seiner Firma setzte sich Bernhard Stobbe in Oldenburg zur Ruhe, wo er am 27.06.1982 verstarb.  

Zum 1.01.1970 wurde die Firma Heinr. Stobbe KG von der Firma G. Vetter OHG übernommen. Zur gleichen Zeit wurde von der Firma G. Vetter der Kommanditist und gelernte Kaufmann Ott Heinrich Stobbe eingestellt. Er war für die Firma G. Vetter bis 1982 tätig und war lange Jahre Verkaufsleiter für Norddeutschland.

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